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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Scharfsinn und Klugheit unvergleichlich größer, aber er war doch im Grunde
nur ein verwegener Spieler und ein vornehmer Abenteurer. Doch merkwürdig,
mit den Erfolgen adelten sich seine Ideen über den Staat, reinigte sich seine
Methode zu kämpfen, verstärkte sich ihm das Gefühl seiner Verpflichtung für
das Ganze. Der Keim zu einem großen Mann, den ihm eine gnadenvolle
Gottheit in die Seele gelegt, trieb reichlich Blatt und Blüthe. Auch ihm
wurden, wie jedem emporwachsenden Eroberer, die einzelnen Menschen weniger
werth, der Staat aber etwasHöheres. Er hatte zuerst sich und seine Anhänger groß
machen wollen; als er zur Größe gekommen war, wurde die Größe des Staates
sein Ehrgeiz, an die Stelle seiner Anhänger trat das ganze römische Volk.

Die Parteiideen seiner Jugend wandelten sich allmälig. Es ist uns in
einigen Fällen möglich, diese Wandlungen zu verfolgen, welche aus revolutio¬
nären Plänen große Reformen machten. Er wurde der Restaurator Roms, der
Wohlthäter des ganzen Orbis terrs-rum.

Dies ist die Wandlung seines Lebens. Wie sich im Einzelnen aus seiner
Art zu sein diese innere Erhebung vollzog, das zu zeigen wäre die Aufgabe
eines guten Biographen.

Auch wie ihn die Nemesis traf. selbstwillig, auf ungebahnten Pfade,
durch Zerstörung des Abgelebten hatte er das Römervolk und mit ihm die
Civilisation des Alterthums gerettet, doch dem Menschengeschlecht ist der Dank
bis heut sehr schwer geworden. Der Weg, auf dem er emporstieg, um seine höchste
geschichtliche Berechtigung zu erweisen, war blutig und bezeichnet durch schwere
Thaten. Solcher Gestalt sich herzlich zuneigen, wie glänzend sie aus dunkler
Umgebung strahle, wird auch späten Jahrhunderten nicht leicht. Wir vermögen
wohl zu erweisen, wie einzig, erhaben und gewaltig sein Dasein war und
wie segensreich und nothwendig für Alle. Aber wir müssen es immer wieder
uns und Andern erweisen, unsere weiche Empfindung sträubt sich, seine Größe
bleibt uns fremdartig, und bei dem Strahle, der aus seinem Geiste bis zu
unserer Zeit herabfällt, friert uns das Herz.

Hätte der Verfasser verstanden, auf solcher Grundlage die schwer verständ¬
liche Natur Cäsars in ihrer allmäligen Erhebung zu zeigen, er würde dem
Leser doch etwas von der Bewunderung mitgetheilt haben, welche er selbst seinem
Heroen so reichlich zutheilt. Dazu aber war sein eigenes Verständniß des großen
Mannes nicht sicher genug.

Denn zuletzt, um alles zu sagen, nicht seine Auffassung Cäsars, nicht
irgendeine andere Einzelheit des Werkes setzt so sehr in Erstaunen, als das
Unbedeutende seines Urtheils. Also so ist der Gebieter der Franzosen! Nun,
wäre er auf dem Throne geboren, wie andere Herren, auch dies Buch wäre
immer noch alles Mögliche. Aber er hat uns Menschen vom Mittelschlag
so oft in Versuchung gesetzt, ihn mit demselben Maßstabe zu messen, womit


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Scharfsinn und Klugheit unvergleichlich größer, aber er war doch im Grunde
nur ein verwegener Spieler und ein vornehmer Abenteurer. Doch merkwürdig,
mit den Erfolgen adelten sich seine Ideen über den Staat, reinigte sich seine
Methode zu kämpfen, verstärkte sich ihm das Gefühl seiner Verpflichtung für
das Ganze. Der Keim zu einem großen Mann, den ihm eine gnadenvolle
Gottheit in die Seele gelegt, trieb reichlich Blatt und Blüthe. Auch ihm
wurden, wie jedem emporwachsenden Eroberer, die einzelnen Menschen weniger
werth, der Staat aber etwasHöheres. Er hatte zuerst sich und seine Anhänger groß
machen wollen; als er zur Größe gekommen war, wurde die Größe des Staates
sein Ehrgeiz, an die Stelle seiner Anhänger trat das ganze römische Volk.

Die Parteiideen seiner Jugend wandelten sich allmälig. Es ist uns in
einigen Fällen möglich, diese Wandlungen zu verfolgen, welche aus revolutio¬
nären Plänen große Reformen machten. Er wurde der Restaurator Roms, der
Wohlthäter des ganzen Orbis terrs-rum.

Dies ist die Wandlung seines Lebens. Wie sich im Einzelnen aus seiner
Art zu sein diese innere Erhebung vollzog, das zu zeigen wäre die Aufgabe
eines guten Biographen.

Auch wie ihn die Nemesis traf. selbstwillig, auf ungebahnten Pfade,
durch Zerstörung des Abgelebten hatte er das Römervolk und mit ihm die
Civilisation des Alterthums gerettet, doch dem Menschengeschlecht ist der Dank
bis heut sehr schwer geworden. Der Weg, auf dem er emporstieg, um seine höchste
geschichtliche Berechtigung zu erweisen, war blutig und bezeichnet durch schwere
Thaten. Solcher Gestalt sich herzlich zuneigen, wie glänzend sie aus dunkler
Umgebung strahle, wird auch späten Jahrhunderten nicht leicht. Wir vermögen
wohl zu erweisen, wie einzig, erhaben und gewaltig sein Dasein war und
wie segensreich und nothwendig für Alle. Aber wir müssen es immer wieder
uns und Andern erweisen, unsere weiche Empfindung sträubt sich, seine Größe
bleibt uns fremdartig, und bei dem Strahle, der aus seinem Geiste bis zu
unserer Zeit herabfällt, friert uns das Herz.

Hätte der Verfasser verstanden, auf solcher Grundlage die schwer verständ¬
liche Natur Cäsars in ihrer allmäligen Erhebung zu zeigen, er würde dem
Leser doch etwas von der Bewunderung mitgetheilt haben, welche er selbst seinem
Heroen so reichlich zutheilt. Dazu aber war sein eigenes Verständniß des großen
Mannes nicht sicher genug.

Denn zuletzt, um alles zu sagen, nicht seine Auffassung Cäsars, nicht
irgendeine andere Einzelheit des Werkes setzt so sehr in Erstaunen, als das
Unbedeutende seines Urtheils. Also so ist der Gebieter der Franzosen! Nun,
wäre er auf dem Throne geboren, wie andere Herren, auch dies Buch wäre
immer noch alles Mögliche. Aber er hat uns Menschen vom Mittelschlag
so oft in Versuchung gesetzt, ihn mit demselben Maßstabe zu messen, womit


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[0235] Scharfsinn und Klugheit unvergleichlich größer, aber er war doch im Grunde nur ein verwegener Spieler und ein vornehmer Abenteurer. Doch merkwürdig, mit den Erfolgen adelten sich seine Ideen über den Staat, reinigte sich seine Methode zu kämpfen, verstärkte sich ihm das Gefühl seiner Verpflichtung für das Ganze. Der Keim zu einem großen Mann, den ihm eine gnadenvolle Gottheit in die Seele gelegt, trieb reichlich Blatt und Blüthe. Auch ihm wurden, wie jedem emporwachsenden Eroberer, die einzelnen Menschen weniger werth, der Staat aber etwasHöheres. Er hatte zuerst sich und seine Anhänger groß machen wollen; als er zur Größe gekommen war, wurde die Größe des Staates sein Ehrgeiz, an die Stelle seiner Anhänger trat das ganze römische Volk. Die Parteiideen seiner Jugend wandelten sich allmälig. Es ist uns in einigen Fällen möglich, diese Wandlungen zu verfolgen, welche aus revolutio¬ nären Plänen große Reformen machten. Er wurde der Restaurator Roms, der Wohlthäter des ganzen Orbis terrs-rum. Dies ist die Wandlung seines Lebens. Wie sich im Einzelnen aus seiner Art zu sein diese innere Erhebung vollzog, das zu zeigen wäre die Aufgabe eines guten Biographen. Auch wie ihn die Nemesis traf. selbstwillig, auf ungebahnten Pfade, durch Zerstörung des Abgelebten hatte er das Römervolk und mit ihm die Civilisation des Alterthums gerettet, doch dem Menschengeschlecht ist der Dank bis heut sehr schwer geworden. Der Weg, auf dem er emporstieg, um seine höchste geschichtliche Berechtigung zu erweisen, war blutig und bezeichnet durch schwere Thaten. Solcher Gestalt sich herzlich zuneigen, wie glänzend sie aus dunkler Umgebung strahle, wird auch späten Jahrhunderten nicht leicht. Wir vermögen wohl zu erweisen, wie einzig, erhaben und gewaltig sein Dasein war und wie segensreich und nothwendig für Alle. Aber wir müssen es immer wieder uns und Andern erweisen, unsere weiche Empfindung sträubt sich, seine Größe bleibt uns fremdartig, und bei dem Strahle, der aus seinem Geiste bis zu unserer Zeit herabfällt, friert uns das Herz. Hätte der Verfasser verstanden, auf solcher Grundlage die schwer verständ¬ liche Natur Cäsars in ihrer allmäligen Erhebung zu zeigen, er würde dem Leser doch etwas von der Bewunderung mitgetheilt haben, welche er selbst seinem Heroen so reichlich zutheilt. Dazu aber war sein eigenes Verständniß des großen Mannes nicht sicher genug. Denn zuletzt, um alles zu sagen, nicht seine Auffassung Cäsars, nicht irgendeine andere Einzelheit des Werkes setzt so sehr in Erstaunen, als das Unbedeutende seines Urtheils. Also so ist der Gebieter der Franzosen! Nun, wäre er auf dem Throne geboren, wie andere Herren, auch dies Buch wäre immer noch alles Mögliche. Aber er hat uns Menschen vom Mittelschlag so oft in Versuchung gesetzt, ihn mit demselben Maßstabe zu messen, womit 28*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/235>, abgerufen am 17.06.2024.