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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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in dem Gebirgssnoten bei Pamplona nach Norden abzweigt, die Quellen des
Rio Catatumbo. Wenn auch das Gebiet dieses Flusses einen geringeren Um¬
fang hat. als das des benachbarten Rio Magdalena, dessen waldumrahmter
Strom von der Küste des karaibischen Meeres bis fast an die Thore Bogotas --
der ruhmgekrönten Hauptstadt der einstigen, von zweien Weltmeeren umspülten
Republik Colombia, dieser genialen Schöpfung Simon Bolivars. des Be¬
freiers -- von Dampfschiffen und Ruderfahrzeugen befahren wird, so wälzt doch
auch der Catatumbo eine ansehnliche Menge Wassers in den flußrcichen See
von Maracaibo und beginnt mindestens in der Hälfte seiner Länge schiff¬
bar zu werden.

Daher war schon vor langer Zeit die Aufmerksamkeit des intelligenten
Theiles der Bevölkerung von Ocana und seiner Umgebung auf den Catatumbo
gerichtet, der dem Handel und Ackerbau des Ortes als neuer Abzugskanal seiner
Producte nach dem Seehafen Maracaibo einen bedeutenden Aufschwung geben
mußte, da bis dahin nur der Markt von Santa Marta und Baranquilla, an
der Ausmündung des Rio Magdalena. die Ausfuhr vermittelte und die Preise
willkürlich bestimmte. Das weite Gebiet östlich von Ocana, zwischen der
Andeskette und der Lagune von Maracaibo, war als eine uudurchbrocheue Wild-
niß von Wäldern, Savannen, Bergen und Strömen von jedem Verkehr ausge¬
schlossen und nur bewohnt von den unbelästigten Bestien des Waldes und wilden
Indianern. Maracaibo. in gerader Linie etwa 45 Meilen entfernt, war nur
zugänglich auf dem einen Wege, der bis San Jose de Cucuta zwischen höhlen¬
artigen Felswandungen und nach Uebersteigung des Paramo^) von Bucarasica
einige zwanzig Meilen nach Süden zurückführte, sodann auf dem Zulia, dem
Ueberflusse des Catatumbo, sich etwa wieder 60 Meilen nach Norden wandte,
eine Reise, deren Langwierigkeit und Beschwerden jeden Privatmann zurück¬
schreckten und den Güterverkehr unmöglich machten, weil die Transportkosten
den Werth der Waaren selbst um vieles überstiegen.

Verhandlungen zwischen dem reichen Maracaibo und dem ärmeren Ocana
waren wiederholentlich angeknüpft worden, um eine möglichst directe Verbindung
zwischen beiden Städten und Staaten herzustellen. Jedoch die Verhandlungen,
wie der Beginn der Arbeiten geriethen wiederholt ins Stocken, weil Maracaibo
nur mit Mißtrauen und Widerstreben seine Gelder für eine ungewisse Speculation
flüssig machte, da es das Gebiet von Ocana zu wenig kannte und seiner realen
Productionskraft nach zu gering schätzte.



') Paramo: die hohen, kalten, von beständigen Nebeln eingehüllten Gebirgsrücken, wo
der Baumwuchs seine Endschaft erreicht und die Vegetationsdecke aus Gesträuchen, Stauden¬
gewächsen und Gräsern gebildet ist; eine Region wo beständig Winde herrschen, häufige
Schneefälle stattfinden, -- ohne jedoch lange liegenzubleiben, die in der heißen Zone zwischen
10--14,000' über Meeresspiegel liegt, und mit 14--15,000 in die Region des ewige" Schnees
übergeht. --

in dem Gebirgssnoten bei Pamplona nach Norden abzweigt, die Quellen des
Rio Catatumbo. Wenn auch das Gebiet dieses Flusses einen geringeren Um¬
fang hat. als das des benachbarten Rio Magdalena, dessen waldumrahmter
Strom von der Küste des karaibischen Meeres bis fast an die Thore Bogotas —
der ruhmgekrönten Hauptstadt der einstigen, von zweien Weltmeeren umspülten
Republik Colombia, dieser genialen Schöpfung Simon Bolivars. des Be¬
freiers — von Dampfschiffen und Ruderfahrzeugen befahren wird, so wälzt doch
auch der Catatumbo eine ansehnliche Menge Wassers in den flußrcichen See
von Maracaibo und beginnt mindestens in der Hälfte seiner Länge schiff¬
bar zu werden.

Daher war schon vor langer Zeit die Aufmerksamkeit des intelligenten
Theiles der Bevölkerung von Ocana und seiner Umgebung auf den Catatumbo
gerichtet, der dem Handel und Ackerbau des Ortes als neuer Abzugskanal seiner
Producte nach dem Seehafen Maracaibo einen bedeutenden Aufschwung geben
mußte, da bis dahin nur der Markt von Santa Marta und Baranquilla, an
der Ausmündung des Rio Magdalena. die Ausfuhr vermittelte und die Preise
willkürlich bestimmte. Das weite Gebiet östlich von Ocana, zwischen der
Andeskette und der Lagune von Maracaibo, war als eine uudurchbrocheue Wild-
niß von Wäldern, Savannen, Bergen und Strömen von jedem Verkehr ausge¬
schlossen und nur bewohnt von den unbelästigten Bestien des Waldes und wilden
Indianern. Maracaibo. in gerader Linie etwa 45 Meilen entfernt, war nur
zugänglich auf dem einen Wege, der bis San Jose de Cucuta zwischen höhlen¬
artigen Felswandungen und nach Uebersteigung des Paramo^) von Bucarasica
einige zwanzig Meilen nach Süden zurückführte, sodann auf dem Zulia, dem
Ueberflusse des Catatumbo, sich etwa wieder 60 Meilen nach Norden wandte,
eine Reise, deren Langwierigkeit und Beschwerden jeden Privatmann zurück¬
schreckten und den Güterverkehr unmöglich machten, weil die Transportkosten
den Werth der Waaren selbst um vieles überstiegen.

Verhandlungen zwischen dem reichen Maracaibo und dem ärmeren Ocana
waren wiederholentlich angeknüpft worden, um eine möglichst directe Verbindung
zwischen beiden Städten und Staaten herzustellen. Jedoch die Verhandlungen,
wie der Beginn der Arbeiten geriethen wiederholt ins Stocken, weil Maracaibo
nur mit Mißtrauen und Widerstreben seine Gelder für eine ungewisse Speculation
flüssig machte, da es das Gebiet von Ocana zu wenig kannte und seiner realen
Productionskraft nach zu gering schätzte.



') Paramo: die hohen, kalten, von beständigen Nebeln eingehüllten Gebirgsrücken, wo
der Baumwuchs seine Endschaft erreicht und die Vegetationsdecke aus Gesträuchen, Stauden¬
gewächsen und Gräsern gebildet ist; eine Region wo beständig Winde herrschen, häufige
Schneefälle stattfinden, — ohne jedoch lange liegenzubleiben, die in der heißen Zone zwischen
10—14,000' über Meeresspiegel liegt, und mit 14—15,000 in die Region des ewige» Schnees
übergeht. —
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[0237] in dem Gebirgssnoten bei Pamplona nach Norden abzweigt, die Quellen des Rio Catatumbo. Wenn auch das Gebiet dieses Flusses einen geringeren Um¬ fang hat. als das des benachbarten Rio Magdalena, dessen waldumrahmter Strom von der Küste des karaibischen Meeres bis fast an die Thore Bogotas — der ruhmgekrönten Hauptstadt der einstigen, von zweien Weltmeeren umspülten Republik Colombia, dieser genialen Schöpfung Simon Bolivars. des Be¬ freiers — von Dampfschiffen und Ruderfahrzeugen befahren wird, so wälzt doch auch der Catatumbo eine ansehnliche Menge Wassers in den flußrcichen See von Maracaibo und beginnt mindestens in der Hälfte seiner Länge schiff¬ bar zu werden. Daher war schon vor langer Zeit die Aufmerksamkeit des intelligenten Theiles der Bevölkerung von Ocana und seiner Umgebung auf den Catatumbo gerichtet, der dem Handel und Ackerbau des Ortes als neuer Abzugskanal seiner Producte nach dem Seehafen Maracaibo einen bedeutenden Aufschwung geben mußte, da bis dahin nur der Markt von Santa Marta und Baranquilla, an der Ausmündung des Rio Magdalena. die Ausfuhr vermittelte und die Preise willkürlich bestimmte. Das weite Gebiet östlich von Ocana, zwischen der Andeskette und der Lagune von Maracaibo, war als eine uudurchbrocheue Wild- niß von Wäldern, Savannen, Bergen und Strömen von jedem Verkehr ausge¬ schlossen und nur bewohnt von den unbelästigten Bestien des Waldes und wilden Indianern. Maracaibo. in gerader Linie etwa 45 Meilen entfernt, war nur zugänglich auf dem einen Wege, der bis San Jose de Cucuta zwischen höhlen¬ artigen Felswandungen und nach Uebersteigung des Paramo^) von Bucarasica einige zwanzig Meilen nach Süden zurückführte, sodann auf dem Zulia, dem Ueberflusse des Catatumbo, sich etwa wieder 60 Meilen nach Norden wandte, eine Reise, deren Langwierigkeit und Beschwerden jeden Privatmann zurück¬ schreckten und den Güterverkehr unmöglich machten, weil die Transportkosten den Werth der Waaren selbst um vieles überstiegen. Verhandlungen zwischen dem reichen Maracaibo und dem ärmeren Ocana waren wiederholentlich angeknüpft worden, um eine möglichst directe Verbindung zwischen beiden Städten und Staaten herzustellen. Jedoch die Verhandlungen, wie der Beginn der Arbeiten geriethen wiederholt ins Stocken, weil Maracaibo nur mit Mißtrauen und Widerstreben seine Gelder für eine ungewisse Speculation flüssig machte, da es das Gebiet von Ocana zu wenig kannte und seiner realen Productionskraft nach zu gering schätzte. ') Paramo: die hohen, kalten, von beständigen Nebeln eingehüllten Gebirgsrücken, wo der Baumwuchs seine Endschaft erreicht und die Vegetationsdecke aus Gesträuchen, Stauden¬ gewächsen und Gräsern gebildet ist; eine Region wo beständig Winde herrschen, häufige Schneefälle stattfinden, — ohne jedoch lange liegenzubleiben, die in der heißen Zone zwischen 10—14,000' über Meeresspiegel liegt, und mit 14—15,000 in die Region des ewige» Schnees übergeht. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/237>, abgerufen am 17.06.2024.