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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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für einen ihrer standhaften Leiter, dessen Muth der Zeugnißweigerung im Ge¬
fängnisse gebrochen werden soll und über die preußische "Zeugenzwangsjacke"
spottet bitter der Kladderadatsch, Die Masse des hin und wieder einmal für
den Gefangenen vom preußischen Volke gesammelten Geldes, und wäre sie
noch so groß, zeugt von der politischen Reife des Volkes, wahre Hilfe aber
dringt sie nicht, weder den Zeugen, noch der Presse.

Indeß in der Criminalordnung von 1806 steht noch ein gesetzlicher Anhalt
für die Gefährdeten begründet. Unter den Ausnahmen von der allgemeinen
Zeugcnpflicht nennt sie §. 313 Ur. 3: "wenn die Entdeckung eines Ge¬
heimnisses erfordert wird, durch dessen Bekanntwerden der Zeuge
in seiner Kunst oder in seinem Gewerbe einen Schaden erleiden
Würde." Es liegt auf der Hand und hat, wie erwähnt, gerade die Redacteure
zur Weigerung ihres Zeugnisses getrieben, daß ihr Preßgewerbe durch die un¬
bedingte Pflicht der Redacteure zur Nennung der Korrespondenten ihres Blattes
vor Gericht nicht blos in seiner Blüthe, sondern geradezu in seiner Existenz
"uff Aeußerste gefährdet ist. Merkwürdiger und vielleicht bezeichnender Weise
fehlt gerade diese Ausnahme der Zeugenpflicht ganz in dem neuen Ent¬
wurf der Strafproceßordnung (§§. 166. 167), ohne daß die in diesem Abschnitte
wichen Motive eine Silbe des Grundes angeben.

Der vorgeladene Redacteur muß also unter Hinweis auf obige durchaus
giltige Stelle der Criminalordnung dem inquirirenden Richter darlegen, wie
sehr er durch Abgabe des von ihm geforderten Zeugnisses in seinem Gewerbe
Schaden erleiden würde, muß dies wo möglich mit Zahlen erweisen, durch Nen¬
nung von Sachverständigen bestärken, -- dann darf der Richter ihn nicht zur
Abgabe des verlangten Zeugnisses durch Geld oder Gefängnißbuße zwingen.
Diese Nachweise zwingen ihn offenbar in keiner Weise, dabei den Namen der
Korrespondenten zu nennen, wie dies bei einem oben berührten Falle sich her¬
ausstellte, vielmehr bleibt seine Darlegung rein sachlich. Ja, schon das von
königlichen Staatsanwaltschaft um die Vernehmung requirirte Gericht muß
bei der nach obiger Erörterung ihm obliegenden Prüfung, ob die Requisition
gesetzlich sei. auf Grund des §. 313 Ur. 3 der Criminalordnung die Requisition
ungesetzlich zurückweisen, da es geradezu notorisch ist. daß jeder Redacteur
durch Nennung seiner Zeitungscorrespondenten in seinem Gewerbe einen Schaden
erleidet.

So gewährt das heutige preußische Strafproceßrecht selbst noch einen Schutz
sür die Redactcure gegen den Zeugenzwang, einen Schutz,-der um so wichtiger
ist, als vorläufig ein Zusatzgesetz zu Gunsten der Redacteure in Preußen nicht
^ Stande kommen kann, und der um so stärker ist, als er den Gerichten, wie
den Zeugen das Mittel zur Abwehr des Zwanges in die Hand giebt. Nun
^ögen Zeugen und Gerichte nicht zweifelnd auf jenes Zusatzgesetz oder auf eine


Grenzboten II. 186S. 32

für einen ihrer standhaften Leiter, dessen Muth der Zeugnißweigerung im Ge¬
fängnisse gebrochen werden soll und über die preußische „Zeugenzwangsjacke"
spottet bitter der Kladderadatsch, Die Masse des hin und wieder einmal für
den Gefangenen vom preußischen Volke gesammelten Geldes, und wäre sie
noch so groß, zeugt von der politischen Reife des Volkes, wahre Hilfe aber
dringt sie nicht, weder den Zeugen, noch der Presse.

Indeß in der Criminalordnung von 1806 steht noch ein gesetzlicher Anhalt
für die Gefährdeten begründet. Unter den Ausnahmen von der allgemeinen
Zeugcnpflicht nennt sie §. 313 Ur. 3: „wenn die Entdeckung eines Ge¬
heimnisses erfordert wird, durch dessen Bekanntwerden der Zeuge
in seiner Kunst oder in seinem Gewerbe einen Schaden erleiden
Würde." Es liegt auf der Hand und hat, wie erwähnt, gerade die Redacteure
zur Weigerung ihres Zeugnisses getrieben, daß ihr Preßgewerbe durch die un¬
bedingte Pflicht der Redacteure zur Nennung der Korrespondenten ihres Blattes
vor Gericht nicht blos in seiner Blüthe, sondern geradezu in seiner Existenz
«uff Aeußerste gefährdet ist. Merkwürdiger und vielleicht bezeichnender Weise
fehlt gerade diese Ausnahme der Zeugenpflicht ganz in dem neuen Ent¬
wurf der Strafproceßordnung (§§. 166. 167), ohne daß die in diesem Abschnitte
wichen Motive eine Silbe des Grundes angeben.

Der vorgeladene Redacteur muß also unter Hinweis auf obige durchaus
giltige Stelle der Criminalordnung dem inquirirenden Richter darlegen, wie
sehr er durch Abgabe des von ihm geforderten Zeugnisses in seinem Gewerbe
Schaden erleiden würde, muß dies wo möglich mit Zahlen erweisen, durch Nen¬
nung von Sachverständigen bestärken, — dann darf der Richter ihn nicht zur
Abgabe des verlangten Zeugnisses durch Geld oder Gefängnißbuße zwingen.
Diese Nachweise zwingen ihn offenbar in keiner Weise, dabei den Namen der
Korrespondenten zu nennen, wie dies bei einem oben berührten Falle sich her¬
ausstellte, vielmehr bleibt seine Darlegung rein sachlich. Ja, schon das von
königlichen Staatsanwaltschaft um die Vernehmung requirirte Gericht muß
bei der nach obiger Erörterung ihm obliegenden Prüfung, ob die Requisition
gesetzlich sei. auf Grund des §. 313 Ur. 3 der Criminalordnung die Requisition
ungesetzlich zurückweisen, da es geradezu notorisch ist. daß jeder Redacteur
durch Nennung seiner Zeitungscorrespondenten in seinem Gewerbe einen Schaden
erleidet.

So gewährt das heutige preußische Strafproceßrecht selbst noch einen Schutz
sür die Redactcure gegen den Zeugenzwang, einen Schutz,-der um so wichtiger
ist, als vorläufig ein Zusatzgesetz zu Gunsten der Redacteure in Preußen nicht
^ Stande kommen kann, und der um so stärker ist, als er den Gerichten, wie
den Zeugen das Mittel zur Abwehr des Zwanges in die Hand giebt. Nun
^ögen Zeugen und Gerichte nicht zweifelnd auf jenes Zusatzgesetz oder auf eine


Grenzboten II. 186S. 32
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[0267] für einen ihrer standhaften Leiter, dessen Muth der Zeugnißweigerung im Ge¬ fängnisse gebrochen werden soll und über die preußische „Zeugenzwangsjacke" spottet bitter der Kladderadatsch, Die Masse des hin und wieder einmal für den Gefangenen vom preußischen Volke gesammelten Geldes, und wäre sie noch so groß, zeugt von der politischen Reife des Volkes, wahre Hilfe aber dringt sie nicht, weder den Zeugen, noch der Presse. Indeß in der Criminalordnung von 1806 steht noch ein gesetzlicher Anhalt für die Gefährdeten begründet. Unter den Ausnahmen von der allgemeinen Zeugcnpflicht nennt sie §. 313 Ur. 3: „wenn die Entdeckung eines Ge¬ heimnisses erfordert wird, durch dessen Bekanntwerden der Zeuge in seiner Kunst oder in seinem Gewerbe einen Schaden erleiden Würde." Es liegt auf der Hand und hat, wie erwähnt, gerade die Redacteure zur Weigerung ihres Zeugnisses getrieben, daß ihr Preßgewerbe durch die un¬ bedingte Pflicht der Redacteure zur Nennung der Korrespondenten ihres Blattes vor Gericht nicht blos in seiner Blüthe, sondern geradezu in seiner Existenz «uff Aeußerste gefährdet ist. Merkwürdiger und vielleicht bezeichnender Weise fehlt gerade diese Ausnahme der Zeugenpflicht ganz in dem neuen Ent¬ wurf der Strafproceßordnung (§§. 166. 167), ohne daß die in diesem Abschnitte wichen Motive eine Silbe des Grundes angeben. Der vorgeladene Redacteur muß also unter Hinweis auf obige durchaus giltige Stelle der Criminalordnung dem inquirirenden Richter darlegen, wie sehr er durch Abgabe des von ihm geforderten Zeugnisses in seinem Gewerbe Schaden erleiden würde, muß dies wo möglich mit Zahlen erweisen, durch Nen¬ nung von Sachverständigen bestärken, — dann darf der Richter ihn nicht zur Abgabe des verlangten Zeugnisses durch Geld oder Gefängnißbuße zwingen. Diese Nachweise zwingen ihn offenbar in keiner Weise, dabei den Namen der Korrespondenten zu nennen, wie dies bei einem oben berührten Falle sich her¬ ausstellte, vielmehr bleibt seine Darlegung rein sachlich. Ja, schon das von königlichen Staatsanwaltschaft um die Vernehmung requirirte Gericht muß bei der nach obiger Erörterung ihm obliegenden Prüfung, ob die Requisition gesetzlich sei. auf Grund des §. 313 Ur. 3 der Criminalordnung die Requisition ungesetzlich zurückweisen, da es geradezu notorisch ist. daß jeder Redacteur durch Nennung seiner Zeitungscorrespondenten in seinem Gewerbe einen Schaden erleidet. So gewährt das heutige preußische Strafproceßrecht selbst noch einen Schutz sür die Redactcure gegen den Zeugenzwang, einen Schutz,-der um so wichtiger ist, als vorläufig ein Zusatzgesetz zu Gunsten der Redacteure in Preußen nicht ^ Stande kommen kann, und der um so stärker ist, als er den Gerichten, wie den Zeugen das Mittel zur Abwehr des Zwanges in die Hand giebt. Nun ^ögen Zeugen und Gerichte nicht zweifelnd auf jenes Zusatzgesetz oder auf eine Grenzboten II. 186S. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/267>, abgerufen am 17.06.2024.