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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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diese Fresken vom künstlerischen Standpunkt, so können sie keinem Andern als
Giotto, dem großen Gründer der florentinischen Schule, zugeschrieben werden.
Um die Grundlosigkeit der Behauptung, daß Taddeo Gaddi ihr Schöpfer sei,
zu beweisen, war es nur nöthig, auf die falsche Grundlage hinzudeuten, auf
die sich die Commission mit ihren Argumenten stützte.

Sie hatte gesagt, daß die Fresken in der Kapelle des Podesta von
Taddeo Gaddi seien, weil der Stil den Bildern gleiche, die von diesem Künstler
in der Rinuccinikapelle in Se. Croce zu Florenz ausgeführt worden seien.
Die Gegner antworteten darauf: Die Fresken in der Rinuccinikapelle sind nicht
von Gaddi, sondern von Giovanni da Milano.

Die von den Gegnern der Commission erzielten Resultate blieben dem
Publikum nicht verborgen und am allerwenigsten den Herren Milanesi und
Passerini. Nichts schien aber auch so demüthigend, als gerade auf dem wissen¬
schaftlichen Boden geschlagen zu werden, den man mit so viel Selbstgefühl
betreten hatte.

Die Herren gaben eine Antwort, verkündeten aber damit nur ihre eigene
Niederlage, indem sie das Argument mit der Feuersbrunst und die Autorschaft
Gaddis fallen ließen. Dagegen versuchten sie zu beweisen, daß die Bilder
während der sechs Monate entstanden seien, in denen Fidesmini de Varano
seine Würde bekleidete, und hatten den Muth, einen neuen Maler als Schöpfer
der fraglichen Fresken aufzustellen, die sie schon einmal falsch getauft hatten.
Ihr neuer Schützling ist Bernardo Daddi, ein kaum gekannter Künstler vierten
Ranges aus dem vierzehnten Jahrhundert, dessen vorhandene Werke nicht entfernt
an die in der Kapelle des Podesta erinnern, und der gar keinen Anspruch auf
irgendeine Anerkennung erheben kann. Die Größe ihrer Niederlage erhellt
aus der Thatsache, daß zwar die Regierung ihren Auftrag an Duprö, die Medaille
auszuführen, nicht zurückgenommen hat, daß aber die städtischen Behörden von
Florenz eine Medaille von Pazzi gewählt haben, die nach dem Modell des
Danteportraits in der Kapelle des Podesta gemacht ist. Diese soll an alle
diejenigen vertheilt werden, die zu der großen hundertjährigen Feier ein¬
geladen sind.




diese Fresken vom künstlerischen Standpunkt, so können sie keinem Andern als
Giotto, dem großen Gründer der florentinischen Schule, zugeschrieben werden.
Um die Grundlosigkeit der Behauptung, daß Taddeo Gaddi ihr Schöpfer sei,
zu beweisen, war es nur nöthig, auf die falsche Grundlage hinzudeuten, auf
die sich die Commission mit ihren Argumenten stützte.

Sie hatte gesagt, daß die Fresken in der Kapelle des Podesta von
Taddeo Gaddi seien, weil der Stil den Bildern gleiche, die von diesem Künstler
in der Rinuccinikapelle in Se. Croce zu Florenz ausgeführt worden seien.
Die Gegner antworteten darauf: Die Fresken in der Rinuccinikapelle sind nicht
von Gaddi, sondern von Giovanni da Milano.

Die von den Gegnern der Commission erzielten Resultate blieben dem
Publikum nicht verborgen und am allerwenigsten den Herren Milanesi und
Passerini. Nichts schien aber auch so demüthigend, als gerade auf dem wissen¬
schaftlichen Boden geschlagen zu werden, den man mit so viel Selbstgefühl
betreten hatte.

Die Herren gaben eine Antwort, verkündeten aber damit nur ihre eigene
Niederlage, indem sie das Argument mit der Feuersbrunst und die Autorschaft
Gaddis fallen ließen. Dagegen versuchten sie zu beweisen, daß die Bilder
während der sechs Monate entstanden seien, in denen Fidesmini de Varano
seine Würde bekleidete, und hatten den Muth, einen neuen Maler als Schöpfer
der fraglichen Fresken aufzustellen, die sie schon einmal falsch getauft hatten.
Ihr neuer Schützling ist Bernardo Daddi, ein kaum gekannter Künstler vierten
Ranges aus dem vierzehnten Jahrhundert, dessen vorhandene Werke nicht entfernt
an die in der Kapelle des Podesta erinnern, und der gar keinen Anspruch auf
irgendeine Anerkennung erheben kann. Die Größe ihrer Niederlage erhellt
aus der Thatsache, daß zwar die Regierung ihren Auftrag an Duprö, die Medaille
auszuführen, nicht zurückgenommen hat, daß aber die städtischen Behörden von
Florenz eine Medaille von Pazzi gewählt haben, die nach dem Modell des
Danteportraits in der Kapelle des Podesta gemacht ist. Diese soll an alle
diejenigen vertheilt werden, die zu der großen hundertjährigen Feier ein¬
geladen sind.




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[0288] diese Fresken vom künstlerischen Standpunkt, so können sie keinem Andern als Giotto, dem großen Gründer der florentinischen Schule, zugeschrieben werden. Um die Grundlosigkeit der Behauptung, daß Taddeo Gaddi ihr Schöpfer sei, zu beweisen, war es nur nöthig, auf die falsche Grundlage hinzudeuten, auf die sich die Commission mit ihren Argumenten stützte. Sie hatte gesagt, daß die Fresken in der Kapelle des Podesta von Taddeo Gaddi seien, weil der Stil den Bildern gleiche, die von diesem Künstler in der Rinuccinikapelle in Se. Croce zu Florenz ausgeführt worden seien. Die Gegner antworteten darauf: Die Fresken in der Rinuccinikapelle sind nicht von Gaddi, sondern von Giovanni da Milano. Die von den Gegnern der Commission erzielten Resultate blieben dem Publikum nicht verborgen und am allerwenigsten den Herren Milanesi und Passerini. Nichts schien aber auch so demüthigend, als gerade auf dem wissen¬ schaftlichen Boden geschlagen zu werden, den man mit so viel Selbstgefühl betreten hatte. Die Herren gaben eine Antwort, verkündeten aber damit nur ihre eigene Niederlage, indem sie das Argument mit der Feuersbrunst und die Autorschaft Gaddis fallen ließen. Dagegen versuchten sie zu beweisen, daß die Bilder während der sechs Monate entstanden seien, in denen Fidesmini de Varano seine Würde bekleidete, und hatten den Muth, einen neuen Maler als Schöpfer der fraglichen Fresken aufzustellen, die sie schon einmal falsch getauft hatten. Ihr neuer Schützling ist Bernardo Daddi, ein kaum gekannter Künstler vierten Ranges aus dem vierzehnten Jahrhundert, dessen vorhandene Werke nicht entfernt an die in der Kapelle des Podesta erinnern, und der gar keinen Anspruch auf irgendeine Anerkennung erheben kann. Die Größe ihrer Niederlage erhellt aus der Thatsache, daß zwar die Regierung ihren Auftrag an Duprö, die Medaille auszuführen, nicht zurückgenommen hat, daß aber die städtischen Behörden von Florenz eine Medaille von Pazzi gewählt haben, die nach dem Modell des Danteportraits in der Kapelle des Podesta gemacht ist. Diese soll an alle diejenigen vertheilt werden, die zu der großen hundertjährigen Feier ein¬ geladen sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/288>, abgerufen am 17.06.2024.