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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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dieser halbcultivirten Tropenvölker, und der Genuß desselben ist jedem Arbeiter
so zum Bedürfniß geworden, wie die tägliche Mahlzeit. Die schwerste Auf¬
gabe für mich war daher die Bewachung des Branntweinschlauches, nach
welchem die lüsternen Augen beständig hinschicltcn. Das "Zuviel" und das
"Zuwenig" des Ausschankes konnte gleich verderbliche Folgen nach sich
ziehen, das "Zuviel" eine allgemeine Auflösung infolge trunkner Naserei
das "Zuwenig" wiederum eine allgemeine Auflösung infolge von Unzu¬
friedenheit und Mißmuth herbeiführen. Wie der Russe seinen Schnaps, der
Italiener seine Macaroni mit zärtlichen Ausdrücken liebkost, so benennt der
südamerikanische Creole den ersten brennenden Morgenschluck: "las buevas
(guten Morgen) und den letzten, der das Tagewerk schließt, las dueiras
iroekos (gute Nacht).

Ein in meiner Pflanzcntrommel wohlverwahrter eoMito'), das unter
meinen Pfadbreckern festgestellte Maß, bot jedem mit Anbruch des Tages,
wenn die zusammengesunknen Kohlen wieder angeschürt waren, las dusnas alas;
darauf gings an das Schleifen derAexte, Machcttes und Messer, an das Aus¬
bessern verletzter Gerätschaften und Kleidungsstücke, das Putzen der Waffen.
Die Thiere wurden zusammengesucht und gefüttert, Wasser herbeigetragen, Holz
gespalten und das ganze kleine Räderwerk der beweglichen Bivouakswirthschaft
in Gang gesetzt. Unter meinen Händen stieg während dessen ein aroma¬
tischer Kakao- oder Kaffeeduft aus dem summenden Kochtopfe aus. Ein jeder
trug seine Mars,2), deren Reinigung jedem selber oblag, in seiner moelrilg^)
bei sich, darinnen das Morgengebräu mit gerösteten Bananen in der Runde
um das wärmende Feuer mit außerordentlichem Wohlbehagen verzehrt wurde.
Sodann führte ich meine "IriMos" ohne Säumen an-das Tagewerk, gab die
ersten Dispositionen, steckte Ziel und Maß ab, that selbst etliche kräf¬
tige Hiebe und kehrte zurück zu dem Feuer und der siedenden ölig..^) Reis¬
körner abwechselnd mit Maiskörnern und geröstete Bananen, so lange es solche
gab, bildeten das tägliche Frühstück. Später, als der Weghau vorschritt und der
Transport mehr Zeit erforderte, sielen die Bananen, die sich nur wenige Tage
halten, weg, und wir mußten uns die Reis- oder Maiskörner nunmehr auch
ohne alle Begleitung gefallen lassen. Wild wurde nur dann erlegt, wenn es






') Loanito -- eine kleine Büchse mit Deckel aus der Frucht des xillIrg.Mo (Pitschu,gro)
einer Art der (Irösesutig. LuMv mit kleinen Früchten.
2) ^icars. (Chicora) ein Trinknapf aus derselben Fruchtschale.
NoelulA, (Motschila) ein offner Beutel mit Schultcrgurt, aus nous, dem Baste der
?ueog, g,og,uus und ^giws g-merieirna geflochten, der gewöhnliche Behälter des Rciseproviants
der Maulthiertreiber und Arbeiter.
VUa (Olja) der rund ausgebauchte, fußlose, allgemein landesübliche Kochtopf aus
gebranntem Thon, in Form einer Urne; ruht auf drei zusammengeschobenen Steinen über
dem Feuer.

dieser halbcultivirten Tropenvölker, und der Genuß desselben ist jedem Arbeiter
so zum Bedürfniß geworden, wie die tägliche Mahlzeit. Die schwerste Auf¬
gabe für mich war daher die Bewachung des Branntweinschlauches, nach
welchem die lüsternen Augen beständig hinschicltcn. Das „Zuviel" und das
„Zuwenig" des Ausschankes konnte gleich verderbliche Folgen nach sich
ziehen, das „Zuviel" eine allgemeine Auflösung infolge trunkner Naserei
das „Zuwenig" wiederum eine allgemeine Auflösung infolge von Unzu¬
friedenheit und Mißmuth herbeiführen. Wie der Russe seinen Schnaps, der
Italiener seine Macaroni mit zärtlichen Ausdrücken liebkost, so benennt der
südamerikanische Creole den ersten brennenden Morgenschluck: „las buevas
(guten Morgen) und den letzten, der das Tagewerk schließt, las dueiras
iroekos (gute Nacht).

Ein in meiner Pflanzcntrommel wohlverwahrter eoMito'), das unter
meinen Pfadbreckern festgestellte Maß, bot jedem mit Anbruch des Tages,
wenn die zusammengesunknen Kohlen wieder angeschürt waren, las dusnas alas;
darauf gings an das Schleifen derAexte, Machcttes und Messer, an das Aus¬
bessern verletzter Gerätschaften und Kleidungsstücke, das Putzen der Waffen.
Die Thiere wurden zusammengesucht und gefüttert, Wasser herbeigetragen, Holz
gespalten und das ganze kleine Räderwerk der beweglichen Bivouakswirthschaft
in Gang gesetzt. Unter meinen Händen stieg während dessen ein aroma¬
tischer Kakao- oder Kaffeeduft aus dem summenden Kochtopfe aus. Ein jeder
trug seine Mars,2), deren Reinigung jedem selber oblag, in seiner moelrilg^)
bei sich, darinnen das Morgengebräu mit gerösteten Bananen in der Runde
um das wärmende Feuer mit außerordentlichem Wohlbehagen verzehrt wurde.
Sodann führte ich meine „IriMos" ohne Säumen an-das Tagewerk, gab die
ersten Dispositionen, steckte Ziel und Maß ab, that selbst etliche kräf¬
tige Hiebe und kehrte zurück zu dem Feuer und der siedenden ölig..^) Reis¬
körner abwechselnd mit Maiskörnern und geröstete Bananen, so lange es solche
gab, bildeten das tägliche Frühstück. Später, als der Weghau vorschritt und der
Transport mehr Zeit erforderte, sielen die Bananen, die sich nur wenige Tage
halten, weg, und wir mußten uns die Reis- oder Maiskörner nunmehr auch
ohne alle Begleitung gefallen lassen. Wild wurde nur dann erlegt, wenn es






') Loanito — eine kleine Büchse mit Deckel aus der Frucht des xillIrg.Mo (Pitschu,gro)
einer Art der (Irösesutig. LuMv mit kleinen Früchten.
2) ^icars. (Chicora) ein Trinknapf aus derselben Fruchtschale.
NoelulA, (Motschila) ein offner Beutel mit Schultcrgurt, aus nous, dem Baste der
?ueog, g,og,uus und ^giws g-merieirna geflochten, der gewöhnliche Behälter des Rciseproviants
der Maulthiertreiber und Arbeiter.
VUa (Olja) der rund ausgebauchte, fußlose, allgemein landesübliche Kochtopf aus
gebranntem Thon, in Form einer Urne; ruht auf drei zusammengeschobenen Steinen über
dem Feuer.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/290>, abgerufen am 17.06.2024.