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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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von Thieren und Menschen durchwatet werden, Ueberbrückungen waren bei den
ersten beschränkten Mitteln zunächst unmöglich und größtentheils überhaupt ver¬
boten durch die beständige Veränderung des Flußbettes nach stattgehabten Regen-
güssen. Die kräftigen Mulatten. Neger und Indianer durchschreiten die flie-
ßenden Wasser selbst bei starken Strömungen mit großer Unerschrockenheit, aber
es gehört viel Muth und Vertrauen auf die eigene Stärke dazu, wenn man
bedenkt, daß ein Fehltritt und Fall in der Strömung nur zu oft den Tod zur
Folge hat. Einige hundert Schritte weiter stromabwärts jedoch bildete der Fluß
ein noch mehr ausgebreitetes und verflachtes Becken mit kiesigem Grunde. Das
Wasser stieg hier nicht höher als bis zur Brust, die Thiere freilich mußten ab¬
geladen werden und hindurchschwimmen, während das Gepäck auf Flößen hin-
übergeschoben und gezogen wurde.

Jenseits des Flusses hob sich das Erdreich zu einer wenig hohen, mitunter
ebenen Reh^). und nach einer Meile etwa machte der Wald einer großen
unübersehbaren Wiesenfläche Platz, die mit Zwergpalmen und anderem Gestrüpp
bedeckt war. Diese sonderbare und eigenthümlich isolirte Gestaltung des Bodens
und seiner Vegetation überraschte mich. Auf den ersten Blick konnte man
weinen, daß ein Waldbrand oder eine frühere Cultur die Bodenphysiognomie
so umgestaltet habe. Indeß ließ das unfruchtbare, sandige Erdreich mit größerem
Rechte auf ein ausgetrocknetes Wasserbecken oder auf eine Ausschwemmung ver-
witterten Gesteines schließen, das sich, wie ein unfruchtbarer Haidegürtel,
wieder durch die schwere Lehm- und Mergelerde des Urwaldes hindurchzog. --
Ungehindert, fast ohne Gebrauch des Messers, konnte man durch die Lücken
pes Palmengestrüppes hindurchschreiten, so daß ein besonderer Wegdurchbruch
kaum erforderlich gewesen wäre, wenn nicht eben diese Lücken ein wahres
Labyrinth von Steigen und Schleichwegen gebildet hätten, in denen, wenn ein-
Wal die Richtung verloren war, man bis ins Unendliche fortirren konnte.
Daher war mir der Embarquiano, der dieses Bereich wiederholt durchstreift
hatte und genau kannte, und der treu bei mir ausgeharrt hatte, vom höchsten
Werthe; ein sicherer Compaß in diesem Fahrwasser, zeichnete er die Richtung mit
wenigen Messerschmieden vor. die wir Folgenden sodann ausbahnten. Dabei
glaubte ich aber bald in seinem sonst ruhigen und sorglosen Wesen eine ge¬
wisse Hast und Vorsicht zu bemerken. Dieselbe steigerte sich von Stunde zu
Stunde, und endlich vertraute er mir heimlich, daß die Mesa für uns ein ge-
fährlicher Boden sei, da sie die eigentliche Heerstraße der wilden Indianer auf
ihren Jagdzügen ins Gebirge hinein bilde; er rathe zur Umkehr, denn er habe
wiederholt schon ziemlich frische Spuren von ihnen bemerkt, in wenig mehr



') Uff" -- ein abgestumpfter Bergkegel, aber auch eine flache, gleichmäßige Erhebung
Bodens. Bank.
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von Thieren und Menschen durchwatet werden, Ueberbrückungen waren bei den
ersten beschränkten Mitteln zunächst unmöglich und größtentheils überhaupt ver¬
boten durch die beständige Veränderung des Flußbettes nach stattgehabten Regen-
güssen. Die kräftigen Mulatten. Neger und Indianer durchschreiten die flie-
ßenden Wasser selbst bei starken Strömungen mit großer Unerschrockenheit, aber
es gehört viel Muth und Vertrauen auf die eigene Stärke dazu, wenn man
bedenkt, daß ein Fehltritt und Fall in der Strömung nur zu oft den Tod zur
Folge hat. Einige hundert Schritte weiter stromabwärts jedoch bildete der Fluß
ein noch mehr ausgebreitetes und verflachtes Becken mit kiesigem Grunde. Das
Wasser stieg hier nicht höher als bis zur Brust, die Thiere freilich mußten ab¬
geladen werden und hindurchschwimmen, während das Gepäck auf Flößen hin-
übergeschoben und gezogen wurde.

Jenseits des Flusses hob sich das Erdreich zu einer wenig hohen, mitunter
ebenen Reh^). und nach einer Meile etwa machte der Wald einer großen
unübersehbaren Wiesenfläche Platz, die mit Zwergpalmen und anderem Gestrüpp
bedeckt war. Diese sonderbare und eigenthümlich isolirte Gestaltung des Bodens
und seiner Vegetation überraschte mich. Auf den ersten Blick konnte man
weinen, daß ein Waldbrand oder eine frühere Cultur die Bodenphysiognomie
so umgestaltet habe. Indeß ließ das unfruchtbare, sandige Erdreich mit größerem
Rechte auf ein ausgetrocknetes Wasserbecken oder auf eine Ausschwemmung ver-
witterten Gesteines schließen, das sich, wie ein unfruchtbarer Haidegürtel,
wieder durch die schwere Lehm- und Mergelerde des Urwaldes hindurchzog. —
Ungehindert, fast ohne Gebrauch des Messers, konnte man durch die Lücken
pes Palmengestrüppes hindurchschreiten, so daß ein besonderer Wegdurchbruch
kaum erforderlich gewesen wäre, wenn nicht eben diese Lücken ein wahres
Labyrinth von Steigen und Schleichwegen gebildet hätten, in denen, wenn ein-
Wal die Richtung verloren war, man bis ins Unendliche fortirren konnte.
Daher war mir der Embarquiano, der dieses Bereich wiederholt durchstreift
hatte und genau kannte, und der treu bei mir ausgeharrt hatte, vom höchsten
Werthe; ein sicherer Compaß in diesem Fahrwasser, zeichnete er die Richtung mit
wenigen Messerschmieden vor. die wir Folgenden sodann ausbahnten. Dabei
glaubte ich aber bald in seinem sonst ruhigen und sorglosen Wesen eine ge¬
wisse Hast und Vorsicht zu bemerken. Dieselbe steigerte sich von Stunde zu
Stunde, und endlich vertraute er mir heimlich, daß die Mesa für uns ein ge-
fährlicher Boden sei, da sie die eigentliche Heerstraße der wilden Indianer auf
ihren Jagdzügen ins Gebirge hinein bilde; er rathe zur Umkehr, denn er habe
wiederholt schon ziemlich frische Spuren von ihnen bemerkt, in wenig mehr



') Uff» — ein abgestumpfter Bergkegel, aber auch eine flache, gleichmäßige Erhebung
Bodens. Bank.
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[0327] von Thieren und Menschen durchwatet werden, Ueberbrückungen waren bei den ersten beschränkten Mitteln zunächst unmöglich und größtentheils überhaupt ver¬ boten durch die beständige Veränderung des Flußbettes nach stattgehabten Regen- güssen. Die kräftigen Mulatten. Neger und Indianer durchschreiten die flie- ßenden Wasser selbst bei starken Strömungen mit großer Unerschrockenheit, aber es gehört viel Muth und Vertrauen auf die eigene Stärke dazu, wenn man bedenkt, daß ein Fehltritt und Fall in der Strömung nur zu oft den Tod zur Folge hat. Einige hundert Schritte weiter stromabwärts jedoch bildete der Fluß ein noch mehr ausgebreitetes und verflachtes Becken mit kiesigem Grunde. Das Wasser stieg hier nicht höher als bis zur Brust, die Thiere freilich mußten ab¬ geladen werden und hindurchschwimmen, während das Gepäck auf Flößen hin- übergeschoben und gezogen wurde. Jenseits des Flusses hob sich das Erdreich zu einer wenig hohen, mitunter ebenen Reh^). und nach einer Meile etwa machte der Wald einer großen unübersehbaren Wiesenfläche Platz, die mit Zwergpalmen und anderem Gestrüpp bedeckt war. Diese sonderbare und eigenthümlich isolirte Gestaltung des Bodens und seiner Vegetation überraschte mich. Auf den ersten Blick konnte man weinen, daß ein Waldbrand oder eine frühere Cultur die Bodenphysiognomie so umgestaltet habe. Indeß ließ das unfruchtbare, sandige Erdreich mit größerem Rechte auf ein ausgetrocknetes Wasserbecken oder auf eine Ausschwemmung ver- witterten Gesteines schließen, das sich, wie ein unfruchtbarer Haidegürtel, wieder durch die schwere Lehm- und Mergelerde des Urwaldes hindurchzog. — Ungehindert, fast ohne Gebrauch des Messers, konnte man durch die Lücken pes Palmengestrüppes hindurchschreiten, so daß ein besonderer Wegdurchbruch kaum erforderlich gewesen wäre, wenn nicht eben diese Lücken ein wahres Labyrinth von Steigen und Schleichwegen gebildet hätten, in denen, wenn ein- Wal die Richtung verloren war, man bis ins Unendliche fortirren konnte. Daher war mir der Embarquiano, der dieses Bereich wiederholt durchstreift hatte und genau kannte, und der treu bei mir ausgeharrt hatte, vom höchsten Werthe; ein sicherer Compaß in diesem Fahrwasser, zeichnete er die Richtung mit wenigen Messerschmieden vor. die wir Folgenden sodann ausbahnten. Dabei glaubte ich aber bald in seinem sonst ruhigen und sorglosen Wesen eine ge¬ wisse Hast und Vorsicht zu bemerken. Dieselbe steigerte sich von Stunde zu Stunde, und endlich vertraute er mir heimlich, daß die Mesa für uns ein ge- fährlicher Boden sei, da sie die eigentliche Heerstraße der wilden Indianer auf ihren Jagdzügen ins Gebirge hinein bilde; er rathe zur Umkehr, denn er habe wiederholt schon ziemlich frische Spuren von ihnen bemerkt, in wenig mehr ') Uff» — ein abgestumpfter Bergkegel, aber auch eine flache, gleichmäßige Erhebung Bodens. Bank. 39*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/327>, abgerufen am 17.06.2024.