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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Ohne daß je eine Menschenhand den Samen des Culturfleißes an das
Ufer dieses Wassers getragen, füllt die wilde, unveredelte Zeugungskraft der
Erde die Hände des Mengen mit Schutz- und Nahrungsmitteln. Zunächst der
Kuhbaum mit seiner Milch, und, um diese zu süßen, Schwärme von wilden,
stachellosen Bienen, die in den hohlen Stämmen der Higuerotes ihren Honig
ablegen. Dann die mehlhaltigen Knollen der Kollodien, welche ihre großen
schirmartigen Blätter auf saftigem Schafte an den Flußbuchten und Thalschluchten
in Menge ausbreiten. Ferner Palmen, deren innerer Fruchtkern Oel, deren
äußeres Fruchtfleisch nährende Breimafsen, deren Blattknospen Gemüse, und
deren Stammsaft Getränke giebt, und die mit ihren stolzen Kronen weit über
alles Grün emporragen, das in dichter Mannigfaltigkeit den Fluß umsäumt.
Die langen Federblätter ihrer Wipfel bieten dem obdachlosen Menschen bei ge¬
ringer Anstrengung Dach und Decke für Behausung, und zwar genügen die
Blätter eines einzigen Baumes, um den ersten kleinen Ramado vollständig zu
detacher. Gegen hundert Fuß hohe Grasbäume, die arm- und beindicken
Bambusrohrstämme, mit ihrer unvergleichlich graciösen, feingeschnittenen, be¬
weglichen Belaubung, bieten feste, der Verwitterung und dem Jnscctenfraße
nimmer anheimfallende Pfeiler und Stützen für das Palmendach. Von Knoten
zu Knoten durchschnitten eignen sich die hohlen und mit wasserdichter Kiesel¬
epidermis umkleideten Röhren vortrefflich zu allerlei Behältern für feste oder
flüssige Substanzen. Der Gucizimo sodann mit seinem dicken Baste, der geschält
und gespalten ein Bindemittel liefert, so gefügig wie Hanffäden, macht Nägel
und Klammern entbehrlich und ihält jahrelang die Sparren und Balken der
Hütten zusammen, bevor er einer Erneuerung bedarf. Der Kautschuckbaum
(Liplrouig, einstieg.) giebt in der dickschwarzen Masse seines gekochten Saftes
Un Material zum Verkitten geborstener Gefäße und zur Abwehr gegen Feuchtig¬
keit und Wurmfraß. Die mehre Zoll langen furchtbaren Stacheln verschiedener
Palmenarten ersetzen Nadel und Pfriemen, dünne Lianen und Luftwurzeln
Taue, Halfter und Stränge für die Zugthiere. Das Tocamahacaharz, welches
aus den Schnittwunden des Tocamahacabaumcs quillt, erleuchtet mit hell¬
brennender Flamme den dunklen Hüttcnraum, wenn die Familie, das Küchen-
^ner zusammenwerfend, ihre Rohr-, Palmen- oder Binsenmatten zur Nachtruhe
auseinanderrollt. Das Carannaharz, welches sich in den Bohrlöchern der Wurzel
und Rinde des Caranncibaumes ansammelt, zertheilt und trocknet Geschwülste,
beschwüre und Verletzungen, welche Thiere und Menschen in der Berührung
uut der Wildnis;, von den Insektenstichen u. s. w. unabwendbar davontragen,
Balsame. Caustika, Gifte. Gegengifte und andere Arzneisioffe quellen aus
Holz, Rinden, Wurzeln, Blättern und Früchten hervor,' immer dem Menschen
Zur Linderung oder Metastase innerer und äußerer Gebrechen in unerschöpflicher
Menge zur Hand. Und wenn der verbreitetste und gefürchtetste Feind der


Ohne daß je eine Menschenhand den Samen des Culturfleißes an das
Ufer dieses Wassers getragen, füllt die wilde, unveredelte Zeugungskraft der
Erde die Hände des Mengen mit Schutz- und Nahrungsmitteln. Zunächst der
Kuhbaum mit seiner Milch, und, um diese zu süßen, Schwärme von wilden,
stachellosen Bienen, die in den hohlen Stämmen der Higuerotes ihren Honig
ablegen. Dann die mehlhaltigen Knollen der Kollodien, welche ihre großen
schirmartigen Blätter auf saftigem Schafte an den Flußbuchten und Thalschluchten
in Menge ausbreiten. Ferner Palmen, deren innerer Fruchtkern Oel, deren
äußeres Fruchtfleisch nährende Breimafsen, deren Blattknospen Gemüse, und
deren Stammsaft Getränke giebt, und die mit ihren stolzen Kronen weit über
alles Grün emporragen, das in dichter Mannigfaltigkeit den Fluß umsäumt.
Die langen Federblätter ihrer Wipfel bieten dem obdachlosen Menschen bei ge¬
ringer Anstrengung Dach und Decke für Behausung, und zwar genügen die
Blätter eines einzigen Baumes, um den ersten kleinen Ramado vollständig zu
detacher. Gegen hundert Fuß hohe Grasbäume, die arm- und beindicken
Bambusrohrstämme, mit ihrer unvergleichlich graciösen, feingeschnittenen, be¬
weglichen Belaubung, bieten feste, der Verwitterung und dem Jnscctenfraße
nimmer anheimfallende Pfeiler und Stützen für das Palmendach. Von Knoten
zu Knoten durchschnitten eignen sich die hohlen und mit wasserdichter Kiesel¬
epidermis umkleideten Röhren vortrefflich zu allerlei Behältern für feste oder
flüssige Substanzen. Der Gucizimo sodann mit seinem dicken Baste, der geschält
und gespalten ein Bindemittel liefert, so gefügig wie Hanffäden, macht Nägel
und Klammern entbehrlich und ihält jahrelang die Sparren und Balken der
Hütten zusammen, bevor er einer Erneuerung bedarf. Der Kautschuckbaum
(Liplrouig, einstieg.) giebt in der dickschwarzen Masse seines gekochten Saftes
Un Material zum Verkitten geborstener Gefäße und zur Abwehr gegen Feuchtig¬
keit und Wurmfraß. Die mehre Zoll langen furchtbaren Stacheln verschiedener
Palmenarten ersetzen Nadel und Pfriemen, dünne Lianen und Luftwurzeln
Taue, Halfter und Stränge für die Zugthiere. Das Tocamahacaharz, welches
aus den Schnittwunden des Tocamahacabaumcs quillt, erleuchtet mit hell¬
brennender Flamme den dunklen Hüttcnraum, wenn die Familie, das Küchen-
^ner zusammenwerfend, ihre Rohr-, Palmen- oder Binsenmatten zur Nachtruhe
auseinanderrollt. Das Carannaharz, welches sich in den Bohrlöchern der Wurzel
und Rinde des Caranncibaumes ansammelt, zertheilt und trocknet Geschwülste,
beschwüre und Verletzungen, welche Thiere und Menschen in der Berührung
uut der Wildnis;, von den Insektenstichen u. s. w. unabwendbar davontragen,
Balsame. Caustika, Gifte. Gegengifte und andere Arzneisioffe quellen aus
Holz, Rinden, Wurzeln, Blättern und Früchten hervor,' immer dem Menschen
Zur Linderung oder Metastase innerer und äußerer Gebrechen in unerschöpflicher
Menge zur Hand. Und wenn der verbreitetste und gefürchtetste Feind der


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[0373] Ohne daß je eine Menschenhand den Samen des Culturfleißes an das Ufer dieses Wassers getragen, füllt die wilde, unveredelte Zeugungskraft der Erde die Hände des Mengen mit Schutz- und Nahrungsmitteln. Zunächst der Kuhbaum mit seiner Milch, und, um diese zu süßen, Schwärme von wilden, stachellosen Bienen, die in den hohlen Stämmen der Higuerotes ihren Honig ablegen. Dann die mehlhaltigen Knollen der Kollodien, welche ihre großen schirmartigen Blätter auf saftigem Schafte an den Flußbuchten und Thalschluchten in Menge ausbreiten. Ferner Palmen, deren innerer Fruchtkern Oel, deren äußeres Fruchtfleisch nährende Breimafsen, deren Blattknospen Gemüse, und deren Stammsaft Getränke giebt, und die mit ihren stolzen Kronen weit über alles Grün emporragen, das in dichter Mannigfaltigkeit den Fluß umsäumt. Die langen Federblätter ihrer Wipfel bieten dem obdachlosen Menschen bei ge¬ ringer Anstrengung Dach und Decke für Behausung, und zwar genügen die Blätter eines einzigen Baumes, um den ersten kleinen Ramado vollständig zu detacher. Gegen hundert Fuß hohe Grasbäume, die arm- und beindicken Bambusrohrstämme, mit ihrer unvergleichlich graciösen, feingeschnittenen, be¬ weglichen Belaubung, bieten feste, der Verwitterung und dem Jnscctenfraße nimmer anheimfallende Pfeiler und Stützen für das Palmendach. Von Knoten zu Knoten durchschnitten eignen sich die hohlen und mit wasserdichter Kiesel¬ epidermis umkleideten Röhren vortrefflich zu allerlei Behältern für feste oder flüssige Substanzen. Der Gucizimo sodann mit seinem dicken Baste, der geschält und gespalten ein Bindemittel liefert, so gefügig wie Hanffäden, macht Nägel und Klammern entbehrlich und ihält jahrelang die Sparren und Balken der Hütten zusammen, bevor er einer Erneuerung bedarf. Der Kautschuckbaum (Liplrouig, einstieg.) giebt in der dickschwarzen Masse seines gekochten Saftes Un Material zum Verkitten geborstener Gefäße und zur Abwehr gegen Feuchtig¬ keit und Wurmfraß. Die mehre Zoll langen furchtbaren Stacheln verschiedener Palmenarten ersetzen Nadel und Pfriemen, dünne Lianen und Luftwurzeln Taue, Halfter und Stränge für die Zugthiere. Das Tocamahacaharz, welches aus den Schnittwunden des Tocamahacabaumcs quillt, erleuchtet mit hell¬ brennender Flamme den dunklen Hüttcnraum, wenn die Familie, das Küchen- ^ner zusammenwerfend, ihre Rohr-, Palmen- oder Binsenmatten zur Nachtruhe auseinanderrollt. Das Carannaharz, welches sich in den Bohrlöchern der Wurzel und Rinde des Caranncibaumes ansammelt, zertheilt und trocknet Geschwülste, beschwüre und Verletzungen, welche Thiere und Menschen in der Berührung uut der Wildnis;, von den Insektenstichen u. s. w. unabwendbar davontragen, Balsame. Caustika, Gifte. Gegengifte und andere Arzneisioffe quellen aus Holz, Rinden, Wurzeln, Blättern und Früchten hervor,' immer dem Menschen Zur Linderung oder Metastase innerer und äußerer Gebrechen in unerschöpflicher Menge zur Hand. Und wenn der verbreitetste und gefürchtetste Feind der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/373>, abgerufen am 10.06.2024.