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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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sition gegen das selbständige Vorgehn kleinerer Regierungen, die Abneigung und
Besorgniß vor einer demokratischen Bewegung hat die Großmächte auf einen
Weg getrieben, der zunächst die Volksbewegung demüthigen sollte, der aber
endlich schrittweise zu der ersehnten Befreiung der Herzogtümer führte.

Die Patrioten, welche nach dem Tode des Dänenkönigs im Volke agitir-
icn, gehörten nur zum Theil der preußischen Partei an. Nur von der stillen Auf¬
fassung unserer Freunde kann hier berichtet werden. Ihnen waren die Ansprüche
des Herzogs deshalb höchst werthvoll, weil sie die einzige Aussicht boten, deutsche
Länder von Dänemark abzulösen. Allerdings nicht für seine Person, sondern um
seines Volkes und um Deutschlands willen haben sie dies Recht verkündigt und
dasür geeifert. Mancher von ihnen hat wahrscheinlich für unnöthig gehalten,
sich selbst aus den alten Verträgen das Urtheil über den Werth der augusten-
burgischen Ansprüche zu bilden, und der Streit über den gottorpschen Antheil,
über die Grafschaft Nanzow, über den Werth gewisser Verzichtungsurkunden
ist ihnen nur soweit von Bedeutung gewesen, als diese Erörterungen etwa die
Ansichten der Leute in den Herzogthümern oder der Cabinete beeinflußten.
Auch war der deutsche Liberale durchaus nicht der Meinung, daß von den Erb¬
ansprüchen des Hauses Augustenburg allein sei" Recht aus die Herzogthümer
hergeleitet werden dürfe. Wenn der entschiedene, laut ausgesprochene Wille der
Bevölkerung Holsteins den Erbprinzen zum Regenten forderte, so galt uns die¬
ser Rechtstitel für ebenso werthvoll, als sein historisches Recht. Denn wir
haben die Ueberzeugung, daß ein Volk das Recht besitzt, einen Fürsten nach
grober und fortgesetzter Verletzung seiner Regentenpflichten von seinem Amte
zu entfernen und, allerdings unter möglichster Berücksichtigung bestehender Rechte,
den Andern dafür zu berufen, welcher sich als geeignete Persönlichkeit für solche
Stellung erweist.

Nicht weniger deutlich war den Liberalen der preußischen Partei bei dem
Tode des Dänenkönigs, daß die Befreiung der Herzogthümer zugleich eine Ver¬
stärkung der deutschen Großmacht werden müsse, daß ein von den Dänen ge¬
löstes Territorium als Kleinstaat durch das bloße Bundeöverhältniß nicht genü¬
gend zu schützen sei, daß selbst, wenn ein Bestehen, wie etwa das von Hcssen-
Darmstadt, an der Nordmark möglich wäre, eine solche separirte Existenz wenig
Werth für das gemeinsame Vaterland haben würde, daß der große Gewinn der
Bewegung uns Allen nur dann werden könne, wenn die Marine und militärische
Position Preußens dadurch erhöhte Bedeutung gewönne, ja daß vielleicht die
Hauptbedeutung einer günstigen Lösung darin liege, daß Preußen durch die
Herzogthümer zu einer Position an der Nordsee und zum deutschen Bunde
komme, welche ihm neue Zielpunkte und mit den Rechten auch höhere Pflichten
gebieterisch auflege.

Daß eine Einverleibung der Herzogthümer in den preußischen Staat die


sition gegen das selbständige Vorgehn kleinerer Regierungen, die Abneigung und
Besorgniß vor einer demokratischen Bewegung hat die Großmächte auf einen
Weg getrieben, der zunächst die Volksbewegung demüthigen sollte, der aber
endlich schrittweise zu der ersehnten Befreiung der Herzogtümer führte.

Die Patrioten, welche nach dem Tode des Dänenkönigs im Volke agitir-
icn, gehörten nur zum Theil der preußischen Partei an. Nur von der stillen Auf¬
fassung unserer Freunde kann hier berichtet werden. Ihnen waren die Ansprüche
des Herzogs deshalb höchst werthvoll, weil sie die einzige Aussicht boten, deutsche
Länder von Dänemark abzulösen. Allerdings nicht für seine Person, sondern um
seines Volkes und um Deutschlands willen haben sie dies Recht verkündigt und
dasür geeifert. Mancher von ihnen hat wahrscheinlich für unnöthig gehalten,
sich selbst aus den alten Verträgen das Urtheil über den Werth der augusten-
burgischen Ansprüche zu bilden, und der Streit über den gottorpschen Antheil,
über die Grafschaft Nanzow, über den Werth gewisser Verzichtungsurkunden
ist ihnen nur soweit von Bedeutung gewesen, als diese Erörterungen etwa die
Ansichten der Leute in den Herzogthümern oder der Cabinete beeinflußten.
Auch war der deutsche Liberale durchaus nicht der Meinung, daß von den Erb¬
ansprüchen des Hauses Augustenburg allein sei» Recht aus die Herzogthümer
hergeleitet werden dürfe. Wenn der entschiedene, laut ausgesprochene Wille der
Bevölkerung Holsteins den Erbprinzen zum Regenten forderte, so galt uns die¬
ser Rechtstitel für ebenso werthvoll, als sein historisches Recht. Denn wir
haben die Ueberzeugung, daß ein Volk das Recht besitzt, einen Fürsten nach
grober und fortgesetzter Verletzung seiner Regentenpflichten von seinem Amte
zu entfernen und, allerdings unter möglichster Berücksichtigung bestehender Rechte,
den Andern dafür zu berufen, welcher sich als geeignete Persönlichkeit für solche
Stellung erweist.

Nicht weniger deutlich war den Liberalen der preußischen Partei bei dem
Tode des Dänenkönigs, daß die Befreiung der Herzogthümer zugleich eine Ver¬
stärkung der deutschen Großmacht werden müsse, daß ein von den Dänen ge¬
löstes Territorium als Kleinstaat durch das bloße Bundeöverhältniß nicht genü¬
gend zu schützen sei, daß selbst, wenn ein Bestehen, wie etwa das von Hcssen-
Darmstadt, an der Nordmark möglich wäre, eine solche separirte Existenz wenig
Werth für das gemeinsame Vaterland haben würde, daß der große Gewinn der
Bewegung uns Allen nur dann werden könne, wenn die Marine und militärische
Position Preußens dadurch erhöhte Bedeutung gewönne, ja daß vielleicht die
Hauptbedeutung einer günstigen Lösung darin liege, daß Preußen durch die
Herzogthümer zu einer Position an der Nordsee und zum deutschen Bunde
komme, welche ihm neue Zielpunkte und mit den Rechten auch höhere Pflichten
gebieterisch auflege.

Daß eine Einverleibung der Herzogthümer in den preußischen Staat die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/38>, abgerufen am 17.06.2024.