Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dahin ging, daß der Zollverein ein materielles Band des deutschen Volkes
bildet, gegen welches separatistische Coalitionen durchaus nichts ausrichten, und
daß Preußen wenigstens ein Mittel hat, seinen Willen dem libsrum volo eigen¬
sinniger Mitverbündeter gegenüber zur Geltung zu bringen, die Kündigung der
Verträge nämlich, hat sich durch die Erfahrung erhärtet und wird für künftige
Fälle von Anfang an auf preußischer Seite noch fester, auf mittelstaatlicher
weniger zuversichtlich auftreten lassen. Die betreffenden Herren in München und
Stuttgart, in Darmstadt und Wiesbaden werden erkannt haben, daß jedes
Glied im Zollverein am besten thut, sich weniger von dem Streben nach Selbst-
ständigkeit, weniger von dem Recht, einen eignen souveränen Willen zu haben,
als von dem Bewußtsein der Zusammengehörigkeit im Verbände tragen und
bestimmen zu lassen, und daß jedes Abweichen von dieser Regel, je länger es
fortgesetzt wird, mit um so tieferer Demüthigung endigen muß.

Es ist wahr, daß Preußen gesiegt hat, weil es eine gute Sache ver¬
trat, weil es sich auf die Nothwendigkeit der Entwickelung des Zollvercinstarifs
nach der Seite des Freihandels hin und auf die von dieser Nothwendigkeit
durchdrungene große Mehrheit der Bevölkerung Deutschlands stützte.' Es ist
aber ebenso wahr, daß ein so vollständiger Sieg über die östreichische Partei
im Zollverein nicht erfochten worden wäre, wenn Preußen weniger Macht¬
bewußtsein, Festigkeit und Beharrlichkeit entwickelt hätte. Oestreich hat dieser
Festigkeit gegenüber vergebens den französischen Handelsvertrag zu vereiteln und
den Zollverein zu sprengen versucht, es hat um dieselbe Zeit ebenso vergeblich
den deutschen Bund nach seiner Weise und zu seinen Gunsten umzugestalten
unternommen, weil es derselben Festigkeit auf preußischer Seite begegnete.
Wir haben Ursache zu hoffen, daß es auch jetzt, in der Schleswig-holsteinischen
Frage in Berlin dem unerschütterlichen Willen begegnen wird, das. was im
Interesse Preußens und Deutschlands liegt, durchzusetzen, und wir glauben
daß Preußen auch diesmal zu rechter Zeit das rechte Mittel finden wird, die
Betreffenden zu zwingen. Die preußischen Forderungen vom 22. Februar sind
das Minimum dessen, was Preußen zur Erfüllung seiner Aufgabe im Norden
bedarf, es muß. dieselben ungeschmälert und vor Einsetzung eines
Herzogs erfüllt sehen, wie es den französischen Vertrag ungeschmälert und vor
Verhandlung mit Oestreich ins Leben treten sieht, und es wird mit der nun
wiederholt bewährten Entschlossenheit und Beharrlichkeit seine Forderungen
erreichen, wie laut auch seine Feinde schon über das Gegentheil zu frohlocken
beginnen.




dahin ging, daß der Zollverein ein materielles Band des deutschen Volkes
bildet, gegen welches separatistische Coalitionen durchaus nichts ausrichten, und
daß Preußen wenigstens ein Mittel hat, seinen Willen dem libsrum volo eigen¬
sinniger Mitverbündeter gegenüber zur Geltung zu bringen, die Kündigung der
Verträge nämlich, hat sich durch die Erfahrung erhärtet und wird für künftige
Fälle von Anfang an auf preußischer Seite noch fester, auf mittelstaatlicher
weniger zuversichtlich auftreten lassen. Die betreffenden Herren in München und
Stuttgart, in Darmstadt und Wiesbaden werden erkannt haben, daß jedes
Glied im Zollverein am besten thut, sich weniger von dem Streben nach Selbst-
ständigkeit, weniger von dem Recht, einen eignen souveränen Willen zu haben,
als von dem Bewußtsein der Zusammengehörigkeit im Verbände tragen und
bestimmen zu lassen, und daß jedes Abweichen von dieser Regel, je länger es
fortgesetzt wird, mit um so tieferer Demüthigung endigen muß.

Es ist wahr, daß Preußen gesiegt hat, weil es eine gute Sache ver¬
trat, weil es sich auf die Nothwendigkeit der Entwickelung des Zollvercinstarifs
nach der Seite des Freihandels hin und auf die von dieser Nothwendigkeit
durchdrungene große Mehrheit der Bevölkerung Deutschlands stützte.' Es ist
aber ebenso wahr, daß ein so vollständiger Sieg über die östreichische Partei
im Zollverein nicht erfochten worden wäre, wenn Preußen weniger Macht¬
bewußtsein, Festigkeit und Beharrlichkeit entwickelt hätte. Oestreich hat dieser
Festigkeit gegenüber vergebens den französischen Handelsvertrag zu vereiteln und
den Zollverein zu sprengen versucht, es hat um dieselbe Zeit ebenso vergeblich
den deutschen Bund nach seiner Weise und zu seinen Gunsten umzugestalten
unternommen, weil es derselben Festigkeit auf preußischer Seite begegnete.
Wir haben Ursache zu hoffen, daß es auch jetzt, in der Schleswig-holsteinischen
Frage in Berlin dem unerschütterlichen Willen begegnen wird, das. was im
Interesse Preußens und Deutschlands liegt, durchzusetzen, und wir glauben
daß Preußen auch diesmal zu rechter Zeit das rechte Mittel finden wird, die
Betreffenden zu zwingen. Die preußischen Forderungen vom 22. Februar sind
das Minimum dessen, was Preußen zur Erfüllung seiner Aufgabe im Norden
bedarf, es muß. dieselben ungeschmälert und vor Einsetzung eines
Herzogs erfüllt sehen, wie es den französischen Vertrag ungeschmälert und vor
Verhandlung mit Oestreich ins Leben treten sieht, und es wird mit der nun
wiederholt bewährten Entschlossenheit und Beharrlichkeit seine Forderungen
erreichen, wie laut auch seine Feinde schon über das Gegentheil zu frohlocken
beginnen.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0397" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283194"/>
          <p xml:id="ID_1281" prev="#ID_1280"> dahin ging, daß der Zollverein ein materielles Band des deutschen Volkes<lb/>
bildet, gegen welches separatistische Coalitionen durchaus nichts ausrichten, und<lb/>
daß Preußen wenigstens ein Mittel hat, seinen Willen dem libsrum volo eigen¬<lb/>
sinniger Mitverbündeter gegenüber zur Geltung zu bringen, die Kündigung der<lb/>
Verträge nämlich, hat sich durch die Erfahrung erhärtet und wird für künftige<lb/>
Fälle von Anfang an auf preußischer Seite noch fester, auf mittelstaatlicher<lb/>
weniger zuversichtlich auftreten lassen. Die betreffenden Herren in München und<lb/>
Stuttgart, in Darmstadt und Wiesbaden werden erkannt haben, daß jedes<lb/>
Glied im Zollverein am besten thut, sich weniger von dem Streben nach Selbst-<lb/>
ständigkeit, weniger von dem Recht, einen eignen souveränen Willen zu haben,<lb/>
als von dem Bewußtsein der Zusammengehörigkeit im Verbände tragen und<lb/>
bestimmen zu lassen, und daß jedes Abweichen von dieser Regel, je länger es<lb/>
fortgesetzt wird, mit um so tieferer Demüthigung endigen muß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1282"> Es ist wahr, daß Preußen gesiegt hat, weil es eine gute Sache ver¬<lb/>
trat, weil es sich auf die Nothwendigkeit der Entwickelung des Zollvercinstarifs<lb/>
nach der Seite des Freihandels hin und auf die von dieser Nothwendigkeit<lb/>
durchdrungene große Mehrheit der Bevölkerung Deutschlands stützte.' Es ist<lb/>
aber ebenso wahr, daß ein so vollständiger Sieg über die östreichische Partei<lb/>
im Zollverein nicht erfochten worden wäre, wenn Preußen weniger Macht¬<lb/>
bewußtsein, Festigkeit und Beharrlichkeit entwickelt hätte. Oestreich hat dieser<lb/>
Festigkeit gegenüber vergebens den französischen Handelsvertrag zu vereiteln und<lb/>
den Zollverein zu sprengen versucht, es hat um dieselbe Zeit ebenso vergeblich<lb/>
den deutschen Bund nach seiner Weise und zu seinen Gunsten umzugestalten<lb/>
unternommen, weil es derselben Festigkeit auf preußischer Seite begegnete.<lb/>
Wir haben Ursache zu hoffen, daß es auch jetzt, in der Schleswig-holsteinischen<lb/>
Frage in Berlin dem unerschütterlichen Willen begegnen wird, das. was im<lb/>
Interesse Preußens und Deutschlands liegt, durchzusetzen, und wir glauben<lb/>
daß Preußen auch diesmal zu rechter Zeit das rechte Mittel finden wird, die<lb/>
Betreffenden zu zwingen. Die preußischen Forderungen vom 22. Februar sind<lb/>
das Minimum dessen, was Preußen zur Erfüllung seiner Aufgabe im Norden<lb/>
bedarf, es muß. dieselben ungeschmälert und vor Einsetzung eines<lb/>
Herzogs erfüllt sehen, wie es den französischen Vertrag ungeschmälert und vor<lb/>
Verhandlung mit Oestreich ins Leben treten sieht, und es wird mit der nun<lb/>
wiederholt bewährten Entschlossenheit und Beharrlichkeit seine Forderungen<lb/>
erreichen, wie laut auch seine Feinde schon über das Gegentheil zu frohlocken<lb/>
beginnen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0397] dahin ging, daß der Zollverein ein materielles Band des deutschen Volkes bildet, gegen welches separatistische Coalitionen durchaus nichts ausrichten, und daß Preußen wenigstens ein Mittel hat, seinen Willen dem libsrum volo eigen¬ sinniger Mitverbündeter gegenüber zur Geltung zu bringen, die Kündigung der Verträge nämlich, hat sich durch die Erfahrung erhärtet und wird für künftige Fälle von Anfang an auf preußischer Seite noch fester, auf mittelstaatlicher weniger zuversichtlich auftreten lassen. Die betreffenden Herren in München und Stuttgart, in Darmstadt und Wiesbaden werden erkannt haben, daß jedes Glied im Zollverein am besten thut, sich weniger von dem Streben nach Selbst- ständigkeit, weniger von dem Recht, einen eignen souveränen Willen zu haben, als von dem Bewußtsein der Zusammengehörigkeit im Verbände tragen und bestimmen zu lassen, und daß jedes Abweichen von dieser Regel, je länger es fortgesetzt wird, mit um so tieferer Demüthigung endigen muß. Es ist wahr, daß Preußen gesiegt hat, weil es eine gute Sache ver¬ trat, weil es sich auf die Nothwendigkeit der Entwickelung des Zollvercinstarifs nach der Seite des Freihandels hin und auf die von dieser Nothwendigkeit durchdrungene große Mehrheit der Bevölkerung Deutschlands stützte.' Es ist aber ebenso wahr, daß ein so vollständiger Sieg über die östreichische Partei im Zollverein nicht erfochten worden wäre, wenn Preußen weniger Macht¬ bewußtsein, Festigkeit und Beharrlichkeit entwickelt hätte. Oestreich hat dieser Festigkeit gegenüber vergebens den französischen Handelsvertrag zu vereiteln und den Zollverein zu sprengen versucht, es hat um dieselbe Zeit ebenso vergeblich den deutschen Bund nach seiner Weise und zu seinen Gunsten umzugestalten unternommen, weil es derselben Festigkeit auf preußischer Seite begegnete. Wir haben Ursache zu hoffen, daß es auch jetzt, in der Schleswig-holsteinischen Frage in Berlin dem unerschütterlichen Willen begegnen wird, das. was im Interesse Preußens und Deutschlands liegt, durchzusetzen, und wir glauben daß Preußen auch diesmal zu rechter Zeit das rechte Mittel finden wird, die Betreffenden zu zwingen. Die preußischen Forderungen vom 22. Februar sind das Minimum dessen, was Preußen zur Erfüllung seiner Aufgabe im Norden bedarf, es muß. dieselben ungeschmälert und vor Einsetzung eines Herzogs erfüllt sehen, wie es den französischen Vertrag ungeschmälert und vor Verhandlung mit Oestreich ins Leben treten sieht, und es wird mit der nun wiederholt bewährten Entschlossenheit und Beharrlichkeit seine Forderungen erreichen, wie laut auch seine Feinde schon über das Gegentheil zu frohlocken beginnen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/397
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/397>, abgerufen am 17.06.2024.