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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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sofort vollständig über unser Schicksal, denn die numerische Stärke desselben war
gering, und die Mehrzahl seiner Insassen bestand aus Weibern und bejahrten
Männern. Der "rothe Drache" erklärte sofort, was sich später als richtig er¬
wies, daß das Häuflein nur den erschöpften und den Marsch der rüstigen
Männer beschwerenden Nachtrab einer Horde und keinen Häuptling unter sich
habe.

Die Absichten der Indianer schienen in der That nichts weniger als
kriegerisch. Eine ängstliche, mindestens unruhige Bewegung innerhalb der Ter¬
mitenhütten konnte uns nicht entgehen, die Weiber eilten geschäftig durcheinander
und schienen beschäftigt, verschiedene Gegenstände zusammenzuraffen und zu
verbergen; mehre der kräftigeren Männer umschlichen unser Lager oder auch
uns selbst in einem weiten Bogen. Plötzlich sprang der "rothe Drache" auf.
und wir erhoben uns mit ihm, als jene etwa in gleicher Entfernung von
uns und ihrem Lager standen, und stieß ein sonderbares Geheul aus, das auf
gleiche Weise von den Rothhäuten wiederholt ward und sein Echo in dem
ganzen Lager fand. Der "Drache" streckte dann Heide Arme unbewaffnet in
die Höhe und gab durch Winken Zeichen unsrer friedlichen Absichten, und als¬
bald raunten sich die Indianer hastig einige Worte zu, kreuzten die Arme über
der Brust und kamen uns vorsichtig und mißtrauisch entgegen. In gleichem
Schritte wie sie näherten wir uns ihnen.

Mit dem geringen Vorrathe seiner Sprachkenntniß, namentlich aber mit
Hilfe der Zeichensprache erließ unser Dolmetscher die Einladung, uns in be¬
liebiger Stärke, aber ohne Waffen, zu unserem Lagerplatze zu geleiten, um da¬
selbst Geschenke und Erfrischungen entgegenzunehmen und Tauschhandel anzu¬
knüpfen. "Was habt Ihr bei Euch?" war die vorsichtige Gegenfrage. Wir
zeigten ihnen unsere Kleidungsstücke, Hüte, Messer u. s. w. Aber keines dieser
Dinge rief besondere Kauflust hervor, dagegen machten sie uns mit dem Aus¬
drucke hungriger Begierde die Zeichen des Essens und Trinkens. Der rothe
Drache rief ihnen darauf halb spanisch, halb indianisch zu: "Zucker viel, sehr
süß, Branntwein und Salz!" Ein freudiges Aufjauchzen antwortete darauf,
und sofort eilten sie mit Zeichen der Zustimmung in ihr Lager zurück, wo
nun eine große Bewegung entstand. Bald nachher kehrten sämmtliche Männer,
von den mit einer weiten Tunika bekleideten Weibern durch ihre bis auf den
Schurz um die Hüfte nackte Haut leicht zu unterscheiden', mit den Botschaftern
und verschiedenen Gegenständen auf dem Rücken zurück. Abermaliges Kreuzen
der Arme, unsrerseits dieselbe Haltung und Geberde, dann gingen wir ihnen
nach unserem Lagerplatze voran.

Unsere Absicht war weniger, mit ihnen in Tauschhandel zu treten, als sie
von unserer Überlegenheit a" Zahl und Bewaffnung zu überzeugen, sie dadurch
einzuschüchtern und uns vor Neckereien und Beunruhigungen sicher zu stellen.


sofort vollständig über unser Schicksal, denn die numerische Stärke desselben war
gering, und die Mehrzahl seiner Insassen bestand aus Weibern und bejahrten
Männern. Der „rothe Drache" erklärte sofort, was sich später als richtig er¬
wies, daß das Häuflein nur den erschöpften und den Marsch der rüstigen
Männer beschwerenden Nachtrab einer Horde und keinen Häuptling unter sich
habe.

Die Absichten der Indianer schienen in der That nichts weniger als
kriegerisch. Eine ängstliche, mindestens unruhige Bewegung innerhalb der Ter¬
mitenhütten konnte uns nicht entgehen, die Weiber eilten geschäftig durcheinander
und schienen beschäftigt, verschiedene Gegenstände zusammenzuraffen und zu
verbergen; mehre der kräftigeren Männer umschlichen unser Lager oder auch
uns selbst in einem weiten Bogen. Plötzlich sprang der „rothe Drache" auf.
und wir erhoben uns mit ihm, als jene etwa in gleicher Entfernung von
uns und ihrem Lager standen, und stieß ein sonderbares Geheul aus, das auf
gleiche Weise von den Rothhäuten wiederholt ward und sein Echo in dem
ganzen Lager fand. Der „Drache" streckte dann Heide Arme unbewaffnet in
die Höhe und gab durch Winken Zeichen unsrer friedlichen Absichten, und als¬
bald raunten sich die Indianer hastig einige Worte zu, kreuzten die Arme über
der Brust und kamen uns vorsichtig und mißtrauisch entgegen. In gleichem
Schritte wie sie näherten wir uns ihnen.

Mit dem geringen Vorrathe seiner Sprachkenntniß, namentlich aber mit
Hilfe der Zeichensprache erließ unser Dolmetscher die Einladung, uns in be¬
liebiger Stärke, aber ohne Waffen, zu unserem Lagerplatze zu geleiten, um da¬
selbst Geschenke und Erfrischungen entgegenzunehmen und Tauschhandel anzu¬
knüpfen. „Was habt Ihr bei Euch?" war die vorsichtige Gegenfrage. Wir
zeigten ihnen unsere Kleidungsstücke, Hüte, Messer u. s. w. Aber keines dieser
Dinge rief besondere Kauflust hervor, dagegen machten sie uns mit dem Aus¬
drucke hungriger Begierde die Zeichen des Essens und Trinkens. Der rothe
Drache rief ihnen darauf halb spanisch, halb indianisch zu: „Zucker viel, sehr
süß, Branntwein und Salz!" Ein freudiges Aufjauchzen antwortete darauf,
und sofort eilten sie mit Zeichen der Zustimmung in ihr Lager zurück, wo
nun eine große Bewegung entstand. Bald nachher kehrten sämmtliche Männer,
von den mit einer weiten Tunika bekleideten Weibern durch ihre bis auf den
Schurz um die Hüfte nackte Haut leicht zu unterscheiden', mit den Botschaftern
und verschiedenen Gegenständen auf dem Rücken zurück. Abermaliges Kreuzen
der Arme, unsrerseits dieselbe Haltung und Geberde, dann gingen wir ihnen
nach unserem Lagerplatze voran.

Unsere Absicht war weniger, mit ihnen in Tauschhandel zu treten, als sie
von unserer Überlegenheit a» Zahl und Bewaffnung zu überzeugen, sie dadurch
einzuschüchtern und uns vor Neckereien und Beunruhigungen sicher zu stellen.


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[0416] sofort vollständig über unser Schicksal, denn die numerische Stärke desselben war gering, und die Mehrzahl seiner Insassen bestand aus Weibern und bejahrten Männern. Der „rothe Drache" erklärte sofort, was sich später als richtig er¬ wies, daß das Häuflein nur den erschöpften und den Marsch der rüstigen Männer beschwerenden Nachtrab einer Horde und keinen Häuptling unter sich habe. Die Absichten der Indianer schienen in der That nichts weniger als kriegerisch. Eine ängstliche, mindestens unruhige Bewegung innerhalb der Ter¬ mitenhütten konnte uns nicht entgehen, die Weiber eilten geschäftig durcheinander und schienen beschäftigt, verschiedene Gegenstände zusammenzuraffen und zu verbergen; mehre der kräftigeren Männer umschlichen unser Lager oder auch uns selbst in einem weiten Bogen. Plötzlich sprang der „rothe Drache" auf. und wir erhoben uns mit ihm, als jene etwa in gleicher Entfernung von uns und ihrem Lager standen, und stieß ein sonderbares Geheul aus, das auf gleiche Weise von den Rothhäuten wiederholt ward und sein Echo in dem ganzen Lager fand. Der „Drache" streckte dann Heide Arme unbewaffnet in die Höhe und gab durch Winken Zeichen unsrer friedlichen Absichten, und als¬ bald raunten sich die Indianer hastig einige Worte zu, kreuzten die Arme über der Brust und kamen uns vorsichtig und mißtrauisch entgegen. In gleichem Schritte wie sie näherten wir uns ihnen. Mit dem geringen Vorrathe seiner Sprachkenntniß, namentlich aber mit Hilfe der Zeichensprache erließ unser Dolmetscher die Einladung, uns in be¬ liebiger Stärke, aber ohne Waffen, zu unserem Lagerplatze zu geleiten, um da¬ selbst Geschenke und Erfrischungen entgegenzunehmen und Tauschhandel anzu¬ knüpfen. „Was habt Ihr bei Euch?" war die vorsichtige Gegenfrage. Wir zeigten ihnen unsere Kleidungsstücke, Hüte, Messer u. s. w. Aber keines dieser Dinge rief besondere Kauflust hervor, dagegen machten sie uns mit dem Aus¬ drucke hungriger Begierde die Zeichen des Essens und Trinkens. Der rothe Drache rief ihnen darauf halb spanisch, halb indianisch zu: „Zucker viel, sehr süß, Branntwein und Salz!" Ein freudiges Aufjauchzen antwortete darauf, und sofort eilten sie mit Zeichen der Zustimmung in ihr Lager zurück, wo nun eine große Bewegung entstand. Bald nachher kehrten sämmtliche Männer, von den mit einer weiten Tunika bekleideten Weibern durch ihre bis auf den Schurz um die Hüfte nackte Haut leicht zu unterscheiden', mit den Botschaftern und verschiedenen Gegenständen auf dem Rücken zurück. Abermaliges Kreuzen der Arme, unsrerseits dieselbe Haltung und Geberde, dann gingen wir ihnen nach unserem Lagerplatze voran. Unsere Absicht war weniger, mit ihnen in Tauschhandel zu treten, als sie von unserer Überlegenheit a» Zahl und Bewaffnung zu überzeugen, sie dadurch einzuschüchtern und uns vor Neckereien und Beunruhigungen sicher zu stellen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/416>, abgerufen am 17.06.2024.