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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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einige neuere Schriften noch brauchbares Material hinzufügen. Unsere Aufgabe
ist es hier, möglichst kurz den ganzen Sachverhalt in klares Licht zu stellen."

Diesen Sätzen begegnen wir gleich auf der ersten Seite einer zwei Druck-
bogen starken Bcochüre, welche vor wenigen Wochen die Presse verlassen hat.
Versetzen wir uns in die Lage eines vorher mit den historisch feststehenden
Thatsachen unbekannten und zugleich an das redliche und tiefe Wissen des
Verfassers glaubenden Lesers, so werden wir auf jene Einleitung hin uns etwa
folgender Gedanken nicht erwehren können: Früher faselte man allerlei über
Galileo Galilei; man hatte eben das genügende Material noch nicht beisammen.
Gegenwärtig ist das glücklicherweise anders. Ein Ritter Venturi hat, jeden¬
falls in jüngster Zeit, das zusammengestellt, was zu einer richtigen Auffassung
des Streites nothwendig war, noch einige Andere haben Brauchbares hinzuge¬
fügt, wiewohl offenbar nicht viel, denn sonst hätte der wackere Gelehrte, von
welchem die Schrift herrührt, die ich in der Hand habe, sie gleichfalls mit
Namen genannt, so gut wie den Venturi, und jetzt endlich werde ich kurz und
klar erfahren, wie die Sache sich eigentlich verhält.

O du guter, gläubiger Leser, wie sehr bist du im Irrthum! Die Gegen¬
wart deines Verfassers ist eine längst vergangene. Ritter Venturi hat freilich
in Modena zwei Quartbände herausgegeben unter dem Titel: Nsmoris s lötters
illöMg dovra v äisperss Al VMvoI,(?Msi, aber das geschah in den Jahren
1818--21, und seitdem ist erst, kann man sagen, der historische Streit über
die Verurtheilung Galileis durch die Inquisition entbrannt; seit der Zeit sind
"se Arbeiten veröffentlicht worden, welche theils mit entschiedener Partei¬
nahme, theils kritisch und parteilos die Frage erörterten, ob gegen Galilei
eine Sünde kirchlicher Justiz begangen wurde, ob nicht. Eine orthodoxe Dar-
stellung im Juliheft 1838 der Dublin Review; eine gegen die katholische
Kirche feindliche Auffassung von Libri im vierten Bande seiner Listoirs ass
"eisuees luatkörnatiquös en Italis, 1841; eine Abhandlung von Clemens in
dem siebenten Bande der historisch-politischen Blätter für das katholische Deutsch,
land von Philipps und Görres. 1841, deren Richtung durch den Namen der
Zeitschrift sich kennzeichnet; eine gleichfalls 1841 erschienene englische Schrift
von Brewster, liives cet Valileo, l^alö Lralrs ima Kepler, tus mart^rs
ok "eignes, folgten einander rasch. 18S0 kam die officielle Darstellung der
römischen Curie: Sslilso s 1' inguisisiollö aus der.Feder des Prälaten Marino
Marini. Alfred von Reumont beschäftigte sich mit dem Gegenstande in einer
vortrefflichen Abhandlung in dem ersten Bande seiner "Beiträge zur italienischen
Geschichte", 1853; Biot in dem Journal ach Savants, 1858 ; Cantor im neunten
Bande der Zeitschrift für Mathematik und Physik, 1864; Bertrand in der
Ksvue ach äsux inonäes desselben Jahres. Dieses nur die Namen der selbst,
ständigen Arbeiten, welche seit Venturi erschienen, und neben welchen noch viele


einige neuere Schriften noch brauchbares Material hinzufügen. Unsere Aufgabe
ist es hier, möglichst kurz den ganzen Sachverhalt in klares Licht zu stellen."

Diesen Sätzen begegnen wir gleich auf der ersten Seite einer zwei Druck-
bogen starken Bcochüre, welche vor wenigen Wochen die Presse verlassen hat.
Versetzen wir uns in die Lage eines vorher mit den historisch feststehenden
Thatsachen unbekannten und zugleich an das redliche und tiefe Wissen des
Verfassers glaubenden Lesers, so werden wir auf jene Einleitung hin uns etwa
folgender Gedanken nicht erwehren können: Früher faselte man allerlei über
Galileo Galilei; man hatte eben das genügende Material noch nicht beisammen.
Gegenwärtig ist das glücklicherweise anders. Ein Ritter Venturi hat, jeden¬
falls in jüngster Zeit, das zusammengestellt, was zu einer richtigen Auffassung
des Streites nothwendig war, noch einige Andere haben Brauchbares hinzuge¬
fügt, wiewohl offenbar nicht viel, denn sonst hätte der wackere Gelehrte, von
welchem die Schrift herrührt, die ich in der Hand habe, sie gleichfalls mit
Namen genannt, so gut wie den Venturi, und jetzt endlich werde ich kurz und
klar erfahren, wie die Sache sich eigentlich verhält.

O du guter, gläubiger Leser, wie sehr bist du im Irrthum! Die Gegen¬
wart deines Verfassers ist eine längst vergangene. Ritter Venturi hat freilich
in Modena zwei Quartbände herausgegeben unter dem Titel: Nsmoris s lötters
illöMg dovra v äisperss Al VMvoI,(?Msi, aber das geschah in den Jahren
1818—21, und seitdem ist erst, kann man sagen, der historische Streit über
die Verurtheilung Galileis durch die Inquisition entbrannt; seit der Zeit sind
»se Arbeiten veröffentlicht worden, welche theils mit entschiedener Partei¬
nahme, theils kritisch und parteilos die Frage erörterten, ob gegen Galilei
eine Sünde kirchlicher Justiz begangen wurde, ob nicht. Eine orthodoxe Dar-
stellung im Juliheft 1838 der Dublin Review; eine gegen die katholische
Kirche feindliche Auffassung von Libri im vierten Bande seiner Listoirs ass
«eisuees luatkörnatiquös en Italis, 1841; eine Abhandlung von Clemens in
dem siebenten Bande der historisch-politischen Blätter für das katholische Deutsch,
land von Philipps und Görres. 1841, deren Richtung durch den Namen der
Zeitschrift sich kennzeichnet; eine gleichfalls 1841 erschienene englische Schrift
von Brewster, liives cet Valileo, l^alö Lralrs ima Kepler, tus mart^rs
ok «eignes, folgten einander rasch. 18S0 kam die officielle Darstellung der
römischen Curie: Sslilso s 1' inguisisiollö aus der.Feder des Prälaten Marino
Marini. Alfred von Reumont beschäftigte sich mit dem Gegenstande in einer
vortrefflichen Abhandlung in dem ersten Bande seiner „Beiträge zur italienischen
Geschichte", 1853; Biot in dem Journal ach Savants, 1858 ; Cantor im neunten
Bande der Zeitschrift für Mathematik und Physik, 1864; Bertrand in der
Ksvue ach äsux inonäes desselben Jahres. Dieses nur die Namen der selbst,
ständigen Arbeiten, welche seit Venturi erschienen, und neben welchen noch viele


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[0449] einige neuere Schriften noch brauchbares Material hinzufügen. Unsere Aufgabe ist es hier, möglichst kurz den ganzen Sachverhalt in klares Licht zu stellen." Diesen Sätzen begegnen wir gleich auf der ersten Seite einer zwei Druck- bogen starken Bcochüre, welche vor wenigen Wochen die Presse verlassen hat. Versetzen wir uns in die Lage eines vorher mit den historisch feststehenden Thatsachen unbekannten und zugleich an das redliche und tiefe Wissen des Verfassers glaubenden Lesers, so werden wir auf jene Einleitung hin uns etwa folgender Gedanken nicht erwehren können: Früher faselte man allerlei über Galileo Galilei; man hatte eben das genügende Material noch nicht beisammen. Gegenwärtig ist das glücklicherweise anders. Ein Ritter Venturi hat, jeden¬ falls in jüngster Zeit, das zusammengestellt, was zu einer richtigen Auffassung des Streites nothwendig war, noch einige Andere haben Brauchbares hinzuge¬ fügt, wiewohl offenbar nicht viel, denn sonst hätte der wackere Gelehrte, von welchem die Schrift herrührt, die ich in der Hand habe, sie gleichfalls mit Namen genannt, so gut wie den Venturi, und jetzt endlich werde ich kurz und klar erfahren, wie die Sache sich eigentlich verhält. O du guter, gläubiger Leser, wie sehr bist du im Irrthum! Die Gegen¬ wart deines Verfassers ist eine längst vergangene. Ritter Venturi hat freilich in Modena zwei Quartbände herausgegeben unter dem Titel: Nsmoris s lötters illöMg dovra v äisperss Al VMvoI,(?Msi, aber das geschah in den Jahren 1818—21, und seitdem ist erst, kann man sagen, der historische Streit über die Verurtheilung Galileis durch die Inquisition entbrannt; seit der Zeit sind »se Arbeiten veröffentlicht worden, welche theils mit entschiedener Partei¬ nahme, theils kritisch und parteilos die Frage erörterten, ob gegen Galilei eine Sünde kirchlicher Justiz begangen wurde, ob nicht. Eine orthodoxe Dar- stellung im Juliheft 1838 der Dublin Review; eine gegen die katholische Kirche feindliche Auffassung von Libri im vierten Bande seiner Listoirs ass «eisuees luatkörnatiquös en Italis, 1841; eine Abhandlung von Clemens in dem siebenten Bande der historisch-politischen Blätter für das katholische Deutsch, land von Philipps und Görres. 1841, deren Richtung durch den Namen der Zeitschrift sich kennzeichnet; eine gleichfalls 1841 erschienene englische Schrift von Brewster, liives cet Valileo, l^alö Lralrs ima Kepler, tus mart^rs ok «eignes, folgten einander rasch. 18S0 kam die officielle Darstellung der römischen Curie: Sslilso s 1' inguisisiollö aus der.Feder des Prälaten Marino Marini. Alfred von Reumont beschäftigte sich mit dem Gegenstande in einer vortrefflichen Abhandlung in dem ersten Bande seiner „Beiträge zur italienischen Geschichte", 1853; Biot in dem Journal ach Savants, 1858 ; Cantor im neunten Bande der Zeitschrift für Mathematik und Physik, 1864; Bertrand in der Ksvue ach äsux inonäes desselben Jahres. Dieses nur die Namen der selbst, ständigen Arbeiten, welche seit Venturi erschienen, und neben welchen noch viele

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/449>, abgerufen am 17.06.2024.