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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Folkething. und gleich diesem in beständiger Gefahr, der Beherrschung durch
die demokratische Bauernpartei zu verfallen.

In dem Gegensatz zwischen dieser und der in den Städten, insbesondere
in Kopenhagen wurzelnden national-liberalen Partei bewegt sich jetzt überhaupt
das innere politische Leben Dänemarks. Die letztere hat dabei zur Bundesgenossin
die Regierung, welche je länger desto mehr die Nothwendigkeit begriffen hat,
im Wesentlichen dieselben Wege wie alle ihre mehr oder weniger eiderdänischen
Vorgängerinnen zu wandeln, -- die erstere hingegen die conservative oder
reactionäre Partei, welche gemeinschaftlicher Haß gegen die im Staate und in
der Presse herrschenden Eiderdänen mit ihr verbindet. Aristokraten und Demo¬
kraten kämpfen also miteinander gegen die liberale Nationalpartei. Sie be-
streiten ihr vor allem eine solche Zusammensetzung des zukünftigen Landsthing,
welche dasselbe zu einem Sammelplatz der Vertrauensmänner und Führer der
gebildeten Classen, mithin zu einem sichern Besitz der Nationalpartei und im
Nothfall zu einem Gegengewicht gegen ein bauernfreundliches Folkething machen
würde. Bevor diese Frage der Neugestaltung des verkürzte" Staates in den
Vordergrund trat, standen die Gegner von rechts her voran im Kampf wider
die Eiderdänen. Es bildete sich vor bald einem Jahre der sogenannte August¬
verein, der nach Art des neupreußischen Volksvercins in Berlin die "Stärkung
des Königthums" auf seine Fahne schrieb, d. h. die Erweiterung des Einflusses
von Hof und Adel. Aber der Augustverein machte schlechte Geschäfte. Sobald
die ersten Wirkungen der militärisch-diplomatischen Niederlage des Staates
halbwegs überwunden waren, zeigte sich, daß die Bevölkerung nicht gesonnen
war, die Schuld für die mit ihrer Billigung geführte auswärtige Politik von
1851 -- 63 auf deren unmittelbare Träger oder Vertheidiger abzuwälzen, und
daß reactionäre Tendenzen vollends in ihr keinen Boden finden. Die Conser-
vativen zogen sich daher vom Schauplatz der öffentlichen Wirksamkeit größten-
theils wieder zurück, zumal seitdem ihr Freund, der Justizminister Heitzen aus
dem Cabinet hatte weichen müssen, und begnügten sich, den Bauernsreunden
bei deren nun erfolgender Erhebung gegen die liberale Partei in die Hände zu
arbeiten. Als die Regierung das Folkething des Reichsraths auflöste, nachdem
dasselbe jeden Versuch der Verständigung mit ihr und dem Landsthing abgelehnt
hatte, schlugen sich ihre früheren aristokratisch - reaktionären Anhänger auf die
Seite der Demokratie. Edelleute und Bauern gemeinsam standen gegen Kopen¬
hagens traditionelle politische Führung auf. Indessen, wie die Wahlen vom
30. Mai ergeben, ist an eine Abschüttlung des naturgemäßen Uebergewichts
einer Hauptstadt, welche fast ein Zehntel der gesammten Bevölkerung des Lan¬
des in sich faßt und die einzige größere Stadt desselben ist, noch weniger zu
denken als zu der Zeit, da Schleswig und Holstein noch unter demselben
Scepter lebten. Die Neuwahlen haben auf keinen Fall eine Verstärkung der


Folkething. und gleich diesem in beständiger Gefahr, der Beherrschung durch
die demokratische Bauernpartei zu verfallen.

In dem Gegensatz zwischen dieser und der in den Städten, insbesondere
in Kopenhagen wurzelnden national-liberalen Partei bewegt sich jetzt überhaupt
das innere politische Leben Dänemarks. Die letztere hat dabei zur Bundesgenossin
die Regierung, welche je länger desto mehr die Nothwendigkeit begriffen hat,
im Wesentlichen dieselben Wege wie alle ihre mehr oder weniger eiderdänischen
Vorgängerinnen zu wandeln, — die erstere hingegen die conservative oder
reactionäre Partei, welche gemeinschaftlicher Haß gegen die im Staate und in
der Presse herrschenden Eiderdänen mit ihr verbindet. Aristokraten und Demo¬
kraten kämpfen also miteinander gegen die liberale Nationalpartei. Sie be-
streiten ihr vor allem eine solche Zusammensetzung des zukünftigen Landsthing,
welche dasselbe zu einem Sammelplatz der Vertrauensmänner und Führer der
gebildeten Classen, mithin zu einem sichern Besitz der Nationalpartei und im
Nothfall zu einem Gegengewicht gegen ein bauernfreundliches Folkething machen
würde. Bevor diese Frage der Neugestaltung des verkürzte» Staates in den
Vordergrund trat, standen die Gegner von rechts her voran im Kampf wider
die Eiderdänen. Es bildete sich vor bald einem Jahre der sogenannte August¬
verein, der nach Art des neupreußischen Volksvercins in Berlin die „Stärkung
des Königthums" auf seine Fahne schrieb, d. h. die Erweiterung des Einflusses
von Hof und Adel. Aber der Augustverein machte schlechte Geschäfte. Sobald
die ersten Wirkungen der militärisch-diplomatischen Niederlage des Staates
halbwegs überwunden waren, zeigte sich, daß die Bevölkerung nicht gesonnen
war, die Schuld für die mit ihrer Billigung geführte auswärtige Politik von
1851 — 63 auf deren unmittelbare Träger oder Vertheidiger abzuwälzen, und
daß reactionäre Tendenzen vollends in ihr keinen Boden finden. Die Conser-
vativen zogen sich daher vom Schauplatz der öffentlichen Wirksamkeit größten-
theils wieder zurück, zumal seitdem ihr Freund, der Justizminister Heitzen aus
dem Cabinet hatte weichen müssen, und begnügten sich, den Bauernsreunden
bei deren nun erfolgender Erhebung gegen die liberale Partei in die Hände zu
arbeiten. Als die Regierung das Folkething des Reichsraths auflöste, nachdem
dasselbe jeden Versuch der Verständigung mit ihr und dem Landsthing abgelehnt
hatte, schlugen sich ihre früheren aristokratisch - reaktionären Anhänger auf die
Seite der Demokratie. Edelleute und Bauern gemeinsam standen gegen Kopen¬
hagens traditionelle politische Führung auf. Indessen, wie die Wahlen vom
30. Mai ergeben, ist an eine Abschüttlung des naturgemäßen Uebergewichts
einer Hauptstadt, welche fast ein Zehntel der gesammten Bevölkerung des Lan¬
des in sich faßt und die einzige größere Stadt desselben ist, noch weniger zu
denken als zu der Zeit, da Schleswig und Holstein noch unter demselben
Scepter lebten. Die Neuwahlen haben auf keinen Fall eine Verstärkung der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/512>, abgerufen am 17.06.2024.