Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

erhobenem Arm und gezücktem Säbel, in mächtig vorschreitender Bewegung
giebt doch bei aller idealistischen Steigerung seiner wirkluten Erscheinung'ein
Bild des stürmischen und gewaltigen Marschall Vorwärts von ganz anders
packender und überzeugender innerer Wahrhaftigkeit, als. bei aller Porträt¬
ähnlichkeit des herrlichen Kopfs, -- der auf die Kanone tretende, ruhig da¬
stehende des berliner Monuments. Die Flach-Reliefs, welche den obern, hoch¬
gestreckten Theil des überhoben Postaments schmücken, sprechen ihren Sinn
weder so klar aus, noch können sie sich gleicher künstlerischer Einheit und
Wirkung der Composition rühmen, wie die an Bülows und Scharnhorsts Denk¬
mal. In beider Hinsicht haben sie etwas Hieroglyphenähnliches. Im Gegensatz
dazu sind die friesartigen, runder herausgearbeiteten Reliefcomvositionen des
unterhalb derselben das Postament umgebenden schmaleren Bildstreifens reali¬
stisch in einem Grade gehalten, welcher Rauch bis dahin völlig fern gelegen
hatte. Diese Bildwerke schildern bekanntlich in fast genremäßig die Wirklichkeit
nachbildender Weise den ganzen Siegeszug vom breslauer Aufruf an das Volt
bis zum Einrücken in Paris, fast ohne jede zu Hilfenahme der Allegorie. Sie
sind sehr reich an geistvollen Zügen, gut erfundnen. naiven und zugleich be¬
deutsamen Episoden. Schade nur, daß das bei alledem immer noch ziemlich
akademisch antikisirend zwangsweis behandelte Costüm der Freiheitskriege bei
einer solchen Behandlung oft wahrhaft komische Erscheinungen ergiebt. Die
Mützen der Jäger, die Czackos und Helme, und besonders die ungeheuerlichen
Federhute der Offiziere bringen ungewollt eine Wirkung hervor, welche dem
Ernst der Darstellung nicht grade günstig wird. Von höchster und unbedingter
Schönheit sind dagegen die beiden Löwen, der schreitende und der schlafende,
auf den beiden Seitenflächen des untersten Postamenttheils. Von der modernen
Plastik ist die prachtvolle königliche Gestalt des Thieres nie und nirgend in
größerem, man möchte sagen erhabenerem Sinne und zugleich schärferer, präg¬
nanterer Charakteristik ihres natürlichen Wesens aufgefaßt und gebildet worden,
als in diesen Reliefs.

Während der letzten zwanziger und ersten dreißiger Jahre des Jahrhunderts
wurde Rauchs Hauptthätigkeit von zwei andern großen Mvnumcntalwerken in
Anspruch genommen, dem Denkmal des Königs Max Joseph von Bayern und
dem Albrecht Dürers für Nürnberg. Bon beiden enthält das Museum die
Skizzen, von einzelnen Reliefs am Postament des erster" die congruentem Abgüsse.
Das Postament der Dürerstatue ist nicht, wie es hier erscheint, zur wirklichen
Ausführung gekommen. Die gothische architektonische Consiruction und Orna-
mentirung desselben, welche die Skizze zeigt, rührt von Professor Heideloff her.
Sie ist an Ort und Stelle durch ein einfaches Steinpostament ersetzt worden.
Bei der Statue selbst hatte der Bildhauer gewissermaßen leichte Arbeit. Hier
war nichts zu ergänze", nichts hinzuzudichk" zu dem herrlichsten Menschenbilde,


erhobenem Arm und gezücktem Säbel, in mächtig vorschreitender Bewegung
giebt doch bei aller idealistischen Steigerung seiner wirkluten Erscheinung'ein
Bild des stürmischen und gewaltigen Marschall Vorwärts von ganz anders
packender und überzeugender innerer Wahrhaftigkeit, als. bei aller Porträt¬
ähnlichkeit des herrlichen Kopfs, — der auf die Kanone tretende, ruhig da¬
stehende des berliner Monuments. Die Flach-Reliefs, welche den obern, hoch¬
gestreckten Theil des überhoben Postaments schmücken, sprechen ihren Sinn
weder so klar aus, noch können sie sich gleicher künstlerischer Einheit und
Wirkung der Composition rühmen, wie die an Bülows und Scharnhorsts Denk¬
mal. In beider Hinsicht haben sie etwas Hieroglyphenähnliches. Im Gegensatz
dazu sind die friesartigen, runder herausgearbeiteten Reliefcomvositionen des
unterhalb derselben das Postament umgebenden schmaleren Bildstreifens reali¬
stisch in einem Grade gehalten, welcher Rauch bis dahin völlig fern gelegen
hatte. Diese Bildwerke schildern bekanntlich in fast genremäßig die Wirklichkeit
nachbildender Weise den ganzen Siegeszug vom breslauer Aufruf an das Volt
bis zum Einrücken in Paris, fast ohne jede zu Hilfenahme der Allegorie. Sie
sind sehr reich an geistvollen Zügen, gut erfundnen. naiven und zugleich be¬
deutsamen Episoden. Schade nur, daß das bei alledem immer noch ziemlich
akademisch antikisirend zwangsweis behandelte Costüm der Freiheitskriege bei
einer solchen Behandlung oft wahrhaft komische Erscheinungen ergiebt. Die
Mützen der Jäger, die Czackos und Helme, und besonders die ungeheuerlichen
Federhute der Offiziere bringen ungewollt eine Wirkung hervor, welche dem
Ernst der Darstellung nicht grade günstig wird. Von höchster und unbedingter
Schönheit sind dagegen die beiden Löwen, der schreitende und der schlafende,
auf den beiden Seitenflächen des untersten Postamenttheils. Von der modernen
Plastik ist die prachtvolle königliche Gestalt des Thieres nie und nirgend in
größerem, man möchte sagen erhabenerem Sinne und zugleich schärferer, präg¬
nanterer Charakteristik ihres natürlichen Wesens aufgefaßt und gebildet worden,
als in diesen Reliefs.

Während der letzten zwanziger und ersten dreißiger Jahre des Jahrhunderts
wurde Rauchs Hauptthätigkeit von zwei andern großen Mvnumcntalwerken in
Anspruch genommen, dem Denkmal des Königs Max Joseph von Bayern und
dem Albrecht Dürers für Nürnberg. Bon beiden enthält das Museum die
Skizzen, von einzelnen Reliefs am Postament des erster» die congruentem Abgüsse.
Das Postament der Dürerstatue ist nicht, wie es hier erscheint, zur wirklichen
Ausführung gekommen. Die gothische architektonische Consiruction und Orna-
mentirung desselben, welche die Skizze zeigt, rührt von Professor Heideloff her.
Sie ist an Ort und Stelle durch ein einfaches Steinpostament ersetzt worden.
Bei der Statue selbst hatte der Bildhauer gewissermaßen leichte Arbeit. Hier
war nichts zu ergänze», nichts hinzuzudichk» zu dem herrlichsten Menschenbilde,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0016" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284486"/>
          <p xml:id="ID_23" prev="#ID_22"> erhobenem Arm und gezücktem Säbel, in mächtig vorschreitender Bewegung<lb/>
giebt doch bei aller idealistischen Steigerung seiner wirkluten Erscheinung'ein<lb/>
Bild des stürmischen und gewaltigen Marschall Vorwärts von ganz anders<lb/>
packender und überzeugender innerer Wahrhaftigkeit, als. bei aller Porträt¬<lb/>
ähnlichkeit des herrlichen Kopfs, &#x2014; der auf die Kanone tretende, ruhig da¬<lb/>
stehende des berliner Monuments. Die Flach-Reliefs, welche den obern, hoch¬<lb/>
gestreckten Theil des überhoben Postaments schmücken, sprechen ihren Sinn<lb/>
weder so klar aus, noch können sie sich gleicher künstlerischer Einheit und<lb/>
Wirkung der Composition rühmen, wie die an Bülows und Scharnhorsts Denk¬<lb/>
mal. In beider Hinsicht haben sie etwas Hieroglyphenähnliches. Im Gegensatz<lb/>
dazu sind die friesartigen, runder herausgearbeiteten Reliefcomvositionen des<lb/>
unterhalb derselben das Postament umgebenden schmaleren Bildstreifens reali¬<lb/>
stisch in einem Grade gehalten, welcher Rauch bis dahin völlig fern gelegen<lb/>
hatte. Diese Bildwerke schildern bekanntlich in fast genremäßig die Wirklichkeit<lb/>
nachbildender Weise den ganzen Siegeszug vom breslauer Aufruf an das Volt<lb/>
bis zum Einrücken in Paris, fast ohne jede zu Hilfenahme der Allegorie. Sie<lb/>
sind sehr reich an geistvollen Zügen, gut erfundnen. naiven und zugleich be¬<lb/>
deutsamen Episoden. Schade nur, daß das bei alledem immer noch ziemlich<lb/>
akademisch antikisirend zwangsweis behandelte Costüm der Freiheitskriege bei<lb/>
einer solchen Behandlung oft wahrhaft komische Erscheinungen ergiebt. Die<lb/>
Mützen der Jäger, die Czackos und Helme, und besonders die ungeheuerlichen<lb/>
Federhute der Offiziere bringen ungewollt eine Wirkung hervor, welche dem<lb/>
Ernst der Darstellung nicht grade günstig wird. Von höchster und unbedingter<lb/>
Schönheit sind dagegen die beiden Löwen, der schreitende und der schlafende,<lb/>
auf den beiden Seitenflächen des untersten Postamenttheils. Von der modernen<lb/>
Plastik ist die prachtvolle königliche Gestalt des Thieres nie und nirgend in<lb/>
größerem, man möchte sagen erhabenerem Sinne und zugleich schärferer, präg¬<lb/>
nanterer Charakteristik ihres natürlichen Wesens aufgefaßt und gebildet worden,<lb/>
als in diesen Reliefs.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_24" next="#ID_25"> Während der letzten zwanziger und ersten dreißiger Jahre des Jahrhunderts<lb/>
wurde Rauchs Hauptthätigkeit von zwei andern großen Mvnumcntalwerken in<lb/>
Anspruch genommen, dem Denkmal des Königs Max Joseph von Bayern und<lb/>
dem Albrecht Dürers für Nürnberg. Bon beiden enthält das Museum die<lb/>
Skizzen, von einzelnen Reliefs am Postament des erster» die congruentem Abgüsse.<lb/>
Das Postament der Dürerstatue ist nicht, wie es hier erscheint, zur wirklichen<lb/>
Ausführung gekommen. Die gothische architektonische Consiruction und Orna-<lb/>
mentirung desselben, welche die Skizze zeigt, rührt von Professor Heideloff her.<lb/>
Sie ist an Ort und Stelle durch ein einfaches Steinpostament ersetzt worden.<lb/>
Bei der Statue selbst hatte der Bildhauer gewissermaßen leichte Arbeit. Hier<lb/>
war nichts zu ergänze», nichts hinzuzudichk» zu dem herrlichsten Menschenbilde,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0016] erhobenem Arm und gezücktem Säbel, in mächtig vorschreitender Bewegung giebt doch bei aller idealistischen Steigerung seiner wirkluten Erscheinung'ein Bild des stürmischen und gewaltigen Marschall Vorwärts von ganz anders packender und überzeugender innerer Wahrhaftigkeit, als. bei aller Porträt¬ ähnlichkeit des herrlichen Kopfs, — der auf die Kanone tretende, ruhig da¬ stehende des berliner Monuments. Die Flach-Reliefs, welche den obern, hoch¬ gestreckten Theil des überhoben Postaments schmücken, sprechen ihren Sinn weder so klar aus, noch können sie sich gleicher künstlerischer Einheit und Wirkung der Composition rühmen, wie die an Bülows und Scharnhorsts Denk¬ mal. In beider Hinsicht haben sie etwas Hieroglyphenähnliches. Im Gegensatz dazu sind die friesartigen, runder herausgearbeiteten Reliefcomvositionen des unterhalb derselben das Postament umgebenden schmaleren Bildstreifens reali¬ stisch in einem Grade gehalten, welcher Rauch bis dahin völlig fern gelegen hatte. Diese Bildwerke schildern bekanntlich in fast genremäßig die Wirklichkeit nachbildender Weise den ganzen Siegeszug vom breslauer Aufruf an das Volt bis zum Einrücken in Paris, fast ohne jede zu Hilfenahme der Allegorie. Sie sind sehr reich an geistvollen Zügen, gut erfundnen. naiven und zugleich be¬ deutsamen Episoden. Schade nur, daß das bei alledem immer noch ziemlich akademisch antikisirend zwangsweis behandelte Costüm der Freiheitskriege bei einer solchen Behandlung oft wahrhaft komische Erscheinungen ergiebt. Die Mützen der Jäger, die Czackos und Helme, und besonders die ungeheuerlichen Federhute der Offiziere bringen ungewollt eine Wirkung hervor, welche dem Ernst der Darstellung nicht grade günstig wird. Von höchster und unbedingter Schönheit sind dagegen die beiden Löwen, der schreitende und der schlafende, auf den beiden Seitenflächen des untersten Postamenttheils. Von der modernen Plastik ist die prachtvolle königliche Gestalt des Thieres nie und nirgend in größerem, man möchte sagen erhabenerem Sinne und zugleich schärferer, präg¬ nanterer Charakteristik ihres natürlichen Wesens aufgefaßt und gebildet worden, als in diesen Reliefs. Während der letzten zwanziger und ersten dreißiger Jahre des Jahrhunderts wurde Rauchs Hauptthätigkeit von zwei andern großen Mvnumcntalwerken in Anspruch genommen, dem Denkmal des Königs Max Joseph von Bayern und dem Albrecht Dürers für Nürnberg. Bon beiden enthält das Museum die Skizzen, von einzelnen Reliefs am Postament des erster» die congruentem Abgüsse. Das Postament der Dürerstatue ist nicht, wie es hier erscheint, zur wirklichen Ausführung gekommen. Die gothische architektonische Consiruction und Orna- mentirung desselben, welche die Skizze zeigt, rührt von Professor Heideloff her. Sie ist an Ort und Stelle durch ein einfaches Steinpostament ersetzt worden. Bei der Statue selbst hatte der Bildhauer gewissermaßen leichte Arbeit. Hier war nichts zu ergänze», nichts hinzuzudichk» zu dem herrlichsten Menschenbilde,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/16
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/16>, abgerufen am 18.06.2024.