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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Zuständen, gegen welche eben Friedrich der Große mit seiner Weise und mit
seinem Eindruck auf die Zeitgenossen den stärksten Contrast ausmachte. Als
hochbejahrter Greis hat Wachsmuth, in seiner Geschichte von Hochstift und
Stadt Hildesheim, sowie in einem 1856 zu Hildesheim gehaltenen Vortrage,
anziehende Rückblicke auf diese Verhältnisse gethan; wie er als Knabe in den¬
selben heranwuchs, bei schlechten Schulanstalten und mangelhaften Hilfsmitteln
zum Selbstunterricht, schien kaum etwas in seiner Lage auf den künftigen Ge¬
lehrten hinzuweisen. Mit dem Emporsteigen in diejenige Classe der städtischen
Schule, die dem Gymnasialunterricht gewidmet war, begann sich indeß ein
höheres geistiges Bedürfniß in ihm zu regen. Noch in späten Jahren erinnerte
er sich gern, mit welchen Empfindungen er zum ersten Mal die Thürme der
Stadt, unter deren Botmäßigkeit sich Hildesheim in allen wissenschaftlichen
Dingen fühlte -- Göttingens --, vor sich emporsteigen sah. Diese Universität
schien denn auch bestimmt, den vom Gymnasium Abgegangenen aufzunehmen;
daß der berufene Neichsdeputationshauptschluß von 1803 Hildesheim an Preußen
brachte, bewirkte eine Aenderung und entschied für Halle. Wie damals die
meisten Söhne unbemittelter Eltern, sah auch er fürs Erste die Theologie als
sein Fach an; freie, aus innerstem Triebe hervorgegangene Wahl ist dies jeden¬
falls nie gewesen. Die Philologie, durch Fr. Aug. Wolf in ausgezeichnetster
Weise vertreten, zog an; die schöne Literatur der Zeit aus sich einwirken zu
lassen, lag in der Nähe des lauchstädter Theaters eine bedeutende Anregung;
Ergänzungen seiner historischen Kenntnisse dagegen empfing Wachsmuth fast
nur insofern ihm dieselben durch antiquarische, kirchengeschichtliche oder philo¬
sophische Vorlesungen zugeführt wurden. Am folgenreichsten schien es zunächst
werden zu wollen, daß der Einfluß eines ihm befreundeten Professors, des
Philosophen Eberhard, ihn besonders auf das Studium neuerer Sprachen hin¬
wies. Den stärksten Nachdruck erhielt diese Aufforderung, nachdem Wachsmuth
eine Lehrerstelle im grauen Kloster zu Magdeburg angenommen, durch die
französische Besitznahme dieser Stadt. Wie überhaupt sein beweglicher Geist
während seiner Entwickelungsperiode eine seltene Bereitschaft gezeigt hat. das¬
jenige, was die Zeit an ihn heranbrachte, für seinen Bildungsgang zu ver¬
werthen und den letzteren durch jenes beeinflussen zu lassen, so trat jetzt, wo
man allenthalben eine Gelegenheit, sich in der französischen Sprache zu vervoll¬
kommnen, und allenthalben ein Bedürfniß nach Unterricht in derselben vorfand,
das Studium des Französischen, mit dem des Italienischen und Englischen ver¬
bunden, in den Vordergrund. Aehnlich blieb es auch in Zerbst. an dessen
Gymnasium Wachsmuth im Jahre 1811 eine Anstellung erhielt; und noch, als
er 1815 an das Pädagogium in Halle berufen wurde, richtete sich seine mit
dem .dortigen Lehreramte verknüpfte Thätigkeit an der Universität ganz auf
sprachliches. Hatte seine erste Druckschrift von den Hauptpunkten gehandelt.


Zuständen, gegen welche eben Friedrich der Große mit seiner Weise und mit
seinem Eindruck auf die Zeitgenossen den stärksten Contrast ausmachte. Als
hochbejahrter Greis hat Wachsmuth, in seiner Geschichte von Hochstift und
Stadt Hildesheim, sowie in einem 1856 zu Hildesheim gehaltenen Vortrage,
anziehende Rückblicke auf diese Verhältnisse gethan; wie er als Knabe in den¬
selben heranwuchs, bei schlechten Schulanstalten und mangelhaften Hilfsmitteln
zum Selbstunterricht, schien kaum etwas in seiner Lage auf den künftigen Ge¬
lehrten hinzuweisen. Mit dem Emporsteigen in diejenige Classe der städtischen
Schule, die dem Gymnasialunterricht gewidmet war, begann sich indeß ein
höheres geistiges Bedürfniß in ihm zu regen. Noch in späten Jahren erinnerte
er sich gern, mit welchen Empfindungen er zum ersten Mal die Thürme der
Stadt, unter deren Botmäßigkeit sich Hildesheim in allen wissenschaftlichen
Dingen fühlte — Göttingens —, vor sich emporsteigen sah. Diese Universität
schien denn auch bestimmt, den vom Gymnasium Abgegangenen aufzunehmen;
daß der berufene Neichsdeputationshauptschluß von 1803 Hildesheim an Preußen
brachte, bewirkte eine Aenderung und entschied für Halle. Wie damals die
meisten Söhne unbemittelter Eltern, sah auch er fürs Erste die Theologie als
sein Fach an; freie, aus innerstem Triebe hervorgegangene Wahl ist dies jeden¬
falls nie gewesen. Die Philologie, durch Fr. Aug. Wolf in ausgezeichnetster
Weise vertreten, zog an; die schöne Literatur der Zeit aus sich einwirken zu
lassen, lag in der Nähe des lauchstädter Theaters eine bedeutende Anregung;
Ergänzungen seiner historischen Kenntnisse dagegen empfing Wachsmuth fast
nur insofern ihm dieselben durch antiquarische, kirchengeschichtliche oder philo¬
sophische Vorlesungen zugeführt wurden. Am folgenreichsten schien es zunächst
werden zu wollen, daß der Einfluß eines ihm befreundeten Professors, des
Philosophen Eberhard, ihn besonders auf das Studium neuerer Sprachen hin¬
wies. Den stärksten Nachdruck erhielt diese Aufforderung, nachdem Wachsmuth
eine Lehrerstelle im grauen Kloster zu Magdeburg angenommen, durch die
französische Besitznahme dieser Stadt. Wie überhaupt sein beweglicher Geist
während seiner Entwickelungsperiode eine seltene Bereitschaft gezeigt hat. das¬
jenige, was die Zeit an ihn heranbrachte, für seinen Bildungsgang zu ver¬
werthen und den letzteren durch jenes beeinflussen zu lassen, so trat jetzt, wo
man allenthalben eine Gelegenheit, sich in der französischen Sprache zu vervoll¬
kommnen, und allenthalben ein Bedürfniß nach Unterricht in derselben vorfand,
das Studium des Französischen, mit dem des Italienischen und Englischen ver¬
bunden, in den Vordergrund. Aehnlich blieb es auch in Zerbst. an dessen
Gymnasium Wachsmuth im Jahre 1811 eine Anstellung erhielt; und noch, als
er 1815 an das Pädagogium in Halle berufen wurde, richtete sich seine mit
dem .dortigen Lehreramte verknüpfte Thätigkeit an der Universität ganz auf
sprachliches. Hatte seine erste Druckschrift von den Hauptpunkten gehandelt.


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[0360] Zuständen, gegen welche eben Friedrich der Große mit seiner Weise und mit seinem Eindruck auf die Zeitgenossen den stärksten Contrast ausmachte. Als hochbejahrter Greis hat Wachsmuth, in seiner Geschichte von Hochstift und Stadt Hildesheim, sowie in einem 1856 zu Hildesheim gehaltenen Vortrage, anziehende Rückblicke auf diese Verhältnisse gethan; wie er als Knabe in den¬ selben heranwuchs, bei schlechten Schulanstalten und mangelhaften Hilfsmitteln zum Selbstunterricht, schien kaum etwas in seiner Lage auf den künftigen Ge¬ lehrten hinzuweisen. Mit dem Emporsteigen in diejenige Classe der städtischen Schule, die dem Gymnasialunterricht gewidmet war, begann sich indeß ein höheres geistiges Bedürfniß in ihm zu regen. Noch in späten Jahren erinnerte er sich gern, mit welchen Empfindungen er zum ersten Mal die Thürme der Stadt, unter deren Botmäßigkeit sich Hildesheim in allen wissenschaftlichen Dingen fühlte — Göttingens —, vor sich emporsteigen sah. Diese Universität schien denn auch bestimmt, den vom Gymnasium Abgegangenen aufzunehmen; daß der berufene Neichsdeputationshauptschluß von 1803 Hildesheim an Preußen brachte, bewirkte eine Aenderung und entschied für Halle. Wie damals die meisten Söhne unbemittelter Eltern, sah auch er fürs Erste die Theologie als sein Fach an; freie, aus innerstem Triebe hervorgegangene Wahl ist dies jeden¬ falls nie gewesen. Die Philologie, durch Fr. Aug. Wolf in ausgezeichnetster Weise vertreten, zog an; die schöne Literatur der Zeit aus sich einwirken zu lassen, lag in der Nähe des lauchstädter Theaters eine bedeutende Anregung; Ergänzungen seiner historischen Kenntnisse dagegen empfing Wachsmuth fast nur insofern ihm dieselben durch antiquarische, kirchengeschichtliche oder philo¬ sophische Vorlesungen zugeführt wurden. Am folgenreichsten schien es zunächst werden zu wollen, daß der Einfluß eines ihm befreundeten Professors, des Philosophen Eberhard, ihn besonders auf das Studium neuerer Sprachen hin¬ wies. Den stärksten Nachdruck erhielt diese Aufforderung, nachdem Wachsmuth eine Lehrerstelle im grauen Kloster zu Magdeburg angenommen, durch die französische Besitznahme dieser Stadt. Wie überhaupt sein beweglicher Geist während seiner Entwickelungsperiode eine seltene Bereitschaft gezeigt hat. das¬ jenige, was die Zeit an ihn heranbrachte, für seinen Bildungsgang zu ver¬ werthen und den letzteren durch jenes beeinflussen zu lassen, so trat jetzt, wo man allenthalben eine Gelegenheit, sich in der französischen Sprache zu vervoll¬ kommnen, und allenthalben ein Bedürfniß nach Unterricht in derselben vorfand, das Studium des Französischen, mit dem des Italienischen und Englischen ver¬ bunden, in den Vordergrund. Aehnlich blieb es auch in Zerbst. an dessen Gymnasium Wachsmuth im Jahre 1811 eine Anstellung erhielt; und noch, als er 1815 an das Pädagogium in Halle berufen wurde, richtete sich seine mit dem .dortigen Lehreramte verknüpfte Thätigkeit an der Universität ganz auf sprachliches. Hatte seine erste Druckschrift von den Hauptpunkten gehandelt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/360>, abgerufen am 16.06.2024.