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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Was von Hindeutungen auf seine übrigen Verhältnisse vorkommt, das hat
Köchel in der Einleitung zusammengestellt; es sind namentlich seine eigenen
Gehaltsverhältnisse, sowie die Verwicklungen wegen seines Neffen, welche viel¬
fach erwähnt werden, und worin des Erzherzogs Vermittlung angerufen wird;
dann aber treten mancherlei Verhältnisse zu andern Künstlern, für die er sich
verwendet, hervor, man hört von seinen Absichten. Concerte zu geben, von
Aufführungen des Fidelio u. ".; aber wenn es auch nur das Verhältniß zum
Erzherzoge, die Stellung und Gesinnung Beethovens zu demselben wäre, wor¬
über wir wirklich neuen und reichen Aufschluß erhalten, so wäre der Ge¬
winn des Bekanntwerdens dieser Briefe ein unschätzbarer.

Köchel hat die Briefe mit Anmerkungen versehen, worin man über
die in denselben erwähnten Persönlichkeiten und Verhältnisse die nöthige
Aufklärung erhält. Dieselben enthalten manches aus eigener Kenntniß Ge¬
schöpfte, was die Biographien nicht haben; überall aber zeigt er sich in- emsiger Aus¬
nutzung der literarischen Hilfsmittel (Biographien und Zeitschriften) sowohl wie
mündlicher Nachfrage, zuweilen auch durch glückliche Vermuthungen thätig,
Dunkelheiten aufzuhellen, was natürlich stellenweise nicht möglich war. Ent¬
gangen ist ihm. bezüglich der Anm. 2 über Beethovens und Goethes Zu¬
sammentreffen, daß Goethe, wenn auch nicht in den von ihm citirten Tags¬
und Jahresheften, so doch in den Briefen an Zelter über dies Zusammentreffen
spricht. In Ur. 7, bei den Vermuthungen über die in Pvlledros Concert ge-
spieAe Sonate, konnte er die 3 0x. 12 auch noch nennen. Bezüglich des
L-<iur-Trios 0p. 97 hat er den Widerspruck nicht gelöst, daß dasselbe 1811 com-
ponirt ist und doch in einem ins Jahr 1814 gesetzten Briefe als neue Arbeit
erwähnt ist.

Sollen wir nun auch noch, um aus früher Gesagtem die Consequenz zu ziehen,
die Frage auswerfen, inwieweit eine selbständige Edition dieser Briefe am Orte
war, so müssen wir gestehen, daß uns die Bereicherung des Wissens, die darin ge¬
boten wird, in der That etwas befangen macht. Denn ganz streng genommen war
es auch hier wohl mehr ein wichtiges biographisches Material, was geboten wurde,
als etwas selbständig Bedeutsames, und auch diesen Briefen, so sehr sie von andern
durch Sorgfalt abstechen, wird als solchen durch die selbständige Edition
zu hoher Werth beigelegt. Köchel fühlte das selbst, wenn er bezüglich der
letzten 20, fast ganz übereinstimmenden Briefe sagt, nur die Rücksicht auf die
Verehrer Beethovens, welche keine Zeile umkommen lassen wollten, bestimme
ihn dazu. Man darf also fragen, ob nicht auch diese Briefe vielleicht erst zur
Verwerthung in einer umfassenden Biographie wären aufzuheben gewesen. Aber
wir hätten dann vielleicht noch länger warten müssen, und die Freude über
das schon jetzt Gebotene mag die schroffe Ziehung der Consequenz zurückdrängen-
Indem Köchel den biographischen Gewinn aus den Briefen selbst in der Ein-


Was von Hindeutungen auf seine übrigen Verhältnisse vorkommt, das hat
Köchel in der Einleitung zusammengestellt; es sind namentlich seine eigenen
Gehaltsverhältnisse, sowie die Verwicklungen wegen seines Neffen, welche viel¬
fach erwähnt werden, und worin des Erzherzogs Vermittlung angerufen wird;
dann aber treten mancherlei Verhältnisse zu andern Künstlern, für die er sich
verwendet, hervor, man hört von seinen Absichten. Concerte zu geben, von
Aufführungen des Fidelio u. «.; aber wenn es auch nur das Verhältniß zum
Erzherzoge, die Stellung und Gesinnung Beethovens zu demselben wäre, wor¬
über wir wirklich neuen und reichen Aufschluß erhalten, so wäre der Ge¬
winn des Bekanntwerdens dieser Briefe ein unschätzbarer.

Köchel hat die Briefe mit Anmerkungen versehen, worin man über
die in denselben erwähnten Persönlichkeiten und Verhältnisse die nöthige
Aufklärung erhält. Dieselben enthalten manches aus eigener Kenntniß Ge¬
schöpfte, was die Biographien nicht haben; überall aber zeigt er sich in- emsiger Aus¬
nutzung der literarischen Hilfsmittel (Biographien und Zeitschriften) sowohl wie
mündlicher Nachfrage, zuweilen auch durch glückliche Vermuthungen thätig,
Dunkelheiten aufzuhellen, was natürlich stellenweise nicht möglich war. Ent¬
gangen ist ihm. bezüglich der Anm. 2 über Beethovens und Goethes Zu¬
sammentreffen, daß Goethe, wenn auch nicht in den von ihm citirten Tags¬
und Jahresheften, so doch in den Briefen an Zelter über dies Zusammentreffen
spricht. In Ur. 7, bei den Vermuthungen über die in Pvlledros Concert ge-
spieAe Sonate, konnte er die 3 0x. 12 auch noch nennen. Bezüglich des
L-<iur-Trios 0p. 97 hat er den Widerspruck nicht gelöst, daß dasselbe 1811 com-
ponirt ist und doch in einem ins Jahr 1814 gesetzten Briefe als neue Arbeit
erwähnt ist.

Sollen wir nun auch noch, um aus früher Gesagtem die Consequenz zu ziehen,
die Frage auswerfen, inwieweit eine selbständige Edition dieser Briefe am Orte
war, so müssen wir gestehen, daß uns die Bereicherung des Wissens, die darin ge¬
boten wird, in der That etwas befangen macht. Denn ganz streng genommen war
es auch hier wohl mehr ein wichtiges biographisches Material, was geboten wurde,
als etwas selbständig Bedeutsames, und auch diesen Briefen, so sehr sie von andern
durch Sorgfalt abstechen, wird als solchen durch die selbständige Edition
zu hoher Werth beigelegt. Köchel fühlte das selbst, wenn er bezüglich der
letzten 20, fast ganz übereinstimmenden Briefe sagt, nur die Rücksicht auf die
Verehrer Beethovens, welche keine Zeile umkommen lassen wollten, bestimme
ihn dazu. Man darf also fragen, ob nicht auch diese Briefe vielleicht erst zur
Verwerthung in einer umfassenden Biographie wären aufzuheben gewesen. Aber
wir hätten dann vielleicht noch länger warten müssen, und die Freude über
das schon jetzt Gebotene mag die schroffe Ziehung der Consequenz zurückdrängen-
Indem Köchel den biographischen Gewinn aus den Briefen selbst in der Ein-


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[0398] Was von Hindeutungen auf seine übrigen Verhältnisse vorkommt, das hat Köchel in der Einleitung zusammengestellt; es sind namentlich seine eigenen Gehaltsverhältnisse, sowie die Verwicklungen wegen seines Neffen, welche viel¬ fach erwähnt werden, und worin des Erzherzogs Vermittlung angerufen wird; dann aber treten mancherlei Verhältnisse zu andern Künstlern, für die er sich verwendet, hervor, man hört von seinen Absichten. Concerte zu geben, von Aufführungen des Fidelio u. «.; aber wenn es auch nur das Verhältniß zum Erzherzoge, die Stellung und Gesinnung Beethovens zu demselben wäre, wor¬ über wir wirklich neuen und reichen Aufschluß erhalten, so wäre der Ge¬ winn des Bekanntwerdens dieser Briefe ein unschätzbarer. Köchel hat die Briefe mit Anmerkungen versehen, worin man über die in denselben erwähnten Persönlichkeiten und Verhältnisse die nöthige Aufklärung erhält. Dieselben enthalten manches aus eigener Kenntniß Ge¬ schöpfte, was die Biographien nicht haben; überall aber zeigt er sich in- emsiger Aus¬ nutzung der literarischen Hilfsmittel (Biographien und Zeitschriften) sowohl wie mündlicher Nachfrage, zuweilen auch durch glückliche Vermuthungen thätig, Dunkelheiten aufzuhellen, was natürlich stellenweise nicht möglich war. Ent¬ gangen ist ihm. bezüglich der Anm. 2 über Beethovens und Goethes Zu¬ sammentreffen, daß Goethe, wenn auch nicht in den von ihm citirten Tags¬ und Jahresheften, so doch in den Briefen an Zelter über dies Zusammentreffen spricht. In Ur. 7, bei den Vermuthungen über die in Pvlledros Concert ge- spieAe Sonate, konnte er die 3 0x. 12 auch noch nennen. Bezüglich des L-<iur-Trios 0p. 97 hat er den Widerspruck nicht gelöst, daß dasselbe 1811 com- ponirt ist und doch in einem ins Jahr 1814 gesetzten Briefe als neue Arbeit erwähnt ist. Sollen wir nun auch noch, um aus früher Gesagtem die Consequenz zu ziehen, die Frage auswerfen, inwieweit eine selbständige Edition dieser Briefe am Orte war, so müssen wir gestehen, daß uns die Bereicherung des Wissens, die darin ge¬ boten wird, in der That etwas befangen macht. Denn ganz streng genommen war es auch hier wohl mehr ein wichtiges biographisches Material, was geboten wurde, als etwas selbständig Bedeutsames, und auch diesen Briefen, so sehr sie von andern durch Sorgfalt abstechen, wird als solchen durch die selbständige Edition zu hoher Werth beigelegt. Köchel fühlte das selbst, wenn er bezüglich der letzten 20, fast ganz übereinstimmenden Briefe sagt, nur die Rücksicht auf die Verehrer Beethovens, welche keine Zeile umkommen lassen wollten, bestimme ihn dazu. Man darf also fragen, ob nicht auch diese Briefe vielleicht erst zur Verwerthung in einer umfassenden Biographie wären aufzuheben gewesen. Aber wir hätten dann vielleicht noch länger warten müssen, und die Freude über das schon jetzt Gebotene mag die schroffe Ziehung der Consequenz zurückdrängen- Indem Köchel den biographischen Gewinn aus den Briefen selbst in der Ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/398>, abgerufen am 16.06.2024.