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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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eismis brevior, vetug ars, libii priorum, postsrioi-no, elenokorum, pdz^si-
eoruw, dö anima, sptiasra vawralis, die sechs Exercitien: vetus ars, Mrvg.
loZioali^, Kvpkistria, vovg. loZiea, M^sicorum, alö irnimil. An allen Uni¬
versitäten wurde sehr fleißig dioputirt und auf diese Weise eine beträchtliche
Denk-, Sprach- und Schlagfertigkeit ausgebildet. Man sah diese Uebungen
häufig wie Turniere an, und die gewandteren unter den gelehrten Paladinen,
die hier Lanzen brachen, genossen weithin hoher Ehre.

Besonders feierlich war das sogenannte Quodlibet, eine Form der Dis¬
putation, welche schon in den Statuten Wiens von 1389 vorkommt und dort
jährlich einmal, in Leipzig dagegen nur in jedem fünften Jahre stattfinden
sollte. Diese große Action dauerte mehre Tage. Der disputirende Magister
behandelte vor der Versammlung der sämmtlichen Facultätsmitglieder zunächst
zwei Hauptfragen, woraus ihm zwei Baccalaurei kurz zu antworten hatten.
Dann schlug der Vorsitzende jedem der anwesenden Magister eine Frage vor,
auf die er mit Argumenten, und hierauf eine, auf die er ohne Argumente
respondiren mußte.

Wie das Mittelalter den Scherz selbst an den Altar trug, so folgten hier
an einigen Universitäten, z. B. der wiener, der erfurter, der Heidelberger und
der kölner, zum.Schluß auch spaßhafte Fragen, die von einem Baccalaureus
oder einem Studenten ausgestellt und ausführlich verhandelt wurden, ein Ge¬
brauch, der von dem stets gravitätischen Leipzig nicht adoptirt worden zu sein
scheint, anderwärts aber sich bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts erhielt.
Sehr charakteristische Beispiele solcher quodlibetarischer Scherzreden hat Zarncke-)
von Heidelberg (Monopolium des Leichtschiffs, d. h. Schiffs für liederliche Ge¬
sellen, von Jodocus Gallus 1488, Monopolium der Schelmenzunft, von Bartho-
lomäus Gribns, ebenfalls 1488, Os säe eorieudinsrum, von Paul Olearius
um 1S00, I)s dias meretrioum, von Jakob Hartliev 1500 gehalten) und von
Erfurt (Monopolium der Schweinezunft.von Johann Schräm 1494 und of
Zeveribus ebriosoruro, von einem Unbekannten ISIS gehalten) mitgetheilt.

Inzwischen röthete sich der Himmel vor diesen Burgen der Scholastik immer
mehr zum Tagen, und der unruhige Geist, der wie ein Morgenwind durch die
Welt fuhr, fand seinen Weg auch in einige von diesen. Von Prag ging, aus
dem fernen Oxford angeregt, zu Anfang des Jahrhunderts eine religiöse Be¬
wegung aus, die, auf Gemüth und Gewissen basirt, sich mächtig gegen die
Verderbniß der Kirche auflehnte und, vielfach Widerhall findend, nach einer
Reformation hindrängte. Huß, ihr Führer, wurde verbrannt, beiläufig nicht
blos als theologischer, sondern zugleich als philosophischer Ketzer, nicht blos
als Feind des Ablasses, sondern auch als Gegner der jetzt herrschenden Nomina-



") Die deutschen Universitäten im Mittelalter. Leipzig, T. O. Weigel. 18S7.

eismis brevior, vetug ars, libii priorum, postsrioi-no, elenokorum, pdz^si-
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loZioali^, Kvpkistria, vovg. loZiea, M^sicorum, alö irnimil. An allen Uni¬
versitäten wurde sehr fleißig dioputirt und auf diese Weise eine beträchtliche
Denk-, Sprach- und Schlagfertigkeit ausgebildet. Man sah diese Uebungen
häufig wie Turniere an, und die gewandteren unter den gelehrten Paladinen,
die hier Lanzen brachen, genossen weithin hoher Ehre.

Besonders feierlich war das sogenannte Quodlibet, eine Form der Dis¬
putation, welche schon in den Statuten Wiens von 1389 vorkommt und dort
jährlich einmal, in Leipzig dagegen nur in jedem fünften Jahre stattfinden
sollte. Diese große Action dauerte mehre Tage. Der disputirende Magister
behandelte vor der Versammlung der sämmtlichen Facultätsmitglieder zunächst
zwei Hauptfragen, woraus ihm zwei Baccalaurei kurz zu antworten hatten.
Dann schlug der Vorsitzende jedem der anwesenden Magister eine Frage vor,
auf die er mit Argumenten, und hierauf eine, auf die er ohne Argumente
respondiren mußte.

Wie das Mittelalter den Scherz selbst an den Altar trug, so folgten hier
an einigen Universitäten, z. B. der wiener, der erfurter, der Heidelberger und
der kölner, zum.Schluß auch spaßhafte Fragen, die von einem Baccalaureus
oder einem Studenten ausgestellt und ausführlich verhandelt wurden, ein Ge¬
brauch, der von dem stets gravitätischen Leipzig nicht adoptirt worden zu sein
scheint, anderwärts aber sich bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts erhielt.
Sehr charakteristische Beispiele solcher quodlibetarischer Scherzreden hat Zarncke-)
von Heidelberg (Monopolium des Leichtschiffs, d. h. Schiffs für liederliche Ge¬
sellen, von Jodocus Gallus 1488, Monopolium der Schelmenzunft, von Bartho-
lomäus Gribns, ebenfalls 1488, Os säe eorieudinsrum, von Paul Olearius
um 1S00, I)s dias meretrioum, von Jakob Hartliev 1500 gehalten) und von
Erfurt (Monopolium der Schweinezunft.von Johann Schräm 1494 und of
Zeveribus ebriosoruro, von einem Unbekannten ISIS gehalten) mitgetheilt.

Inzwischen röthete sich der Himmel vor diesen Burgen der Scholastik immer
mehr zum Tagen, und der unruhige Geist, der wie ein Morgenwind durch die
Welt fuhr, fand seinen Weg auch in einige von diesen. Von Prag ging, aus
dem fernen Oxford angeregt, zu Anfang des Jahrhunderts eine religiöse Be¬
wegung aus, die, auf Gemüth und Gewissen basirt, sich mächtig gegen die
Verderbniß der Kirche auflehnte und, vielfach Widerhall findend, nach einer
Reformation hindrängte. Huß, ihr Führer, wurde verbrannt, beiläufig nicht
blos als theologischer, sondern zugleich als philosophischer Ketzer, nicht blos
als Feind des Ablasses, sondern auch als Gegner der jetzt herrschenden Nomina-



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/491>, abgerufen am 17.06.2024.