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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Büchern des Pentateuchs enthaltenen Lieder giebt schon die Abfassungszeit derselben,
weiche jedenfalls zwischen die Jahre 1000 und 800 fallt, eine Zeitgrenze.
Der größte Theil des 5. Buches ist allerdings später und so auch die in ihn
aufgenommenen Gesänge, das aus Jesaias Zeiten stammende prophetische Lied
Cap. 32 und der Segen Moses Cap. 33, welcher das Deboralied und den
Segen Jakobs stark benutzt. Immer haben wir hier aber noch alte Poesie.

Der ins Buch Jesaia aufgenommene geschichtliche Abschnitt bewahrt uns
ein sehr denkwürdiges Lied des Königs Histia (Ich. 38, 9--20), der sich darin
seines Ahnen Davids würdig zeigt. Sehen wir, wie schwer sich noch hier bei
einem Zeitgenossen des Jesaia d.is bilder- und gedankenreiche Lied bewegt,
welches das echt hebräische Grauen vor dem Tode mit großer Naivetät ausdrückt,
so werden wir uns in unsrer Auffassung bestärkt fühlen, daß nur wenige der
durchgängig einen leichteren Fluß der Sprache zeigenden Psalmen .einer älteren
Zeit angehören.

Von Königen sind ohne Zweifel auch einige Psalme. Leider sind unsere
historischen Berichte über die Königszeit nicht genau genug, um uns für diese,
so wie für die an Könige gerichteten Psalme sichere Anhaltspunkte zur Bestimmung
ihrer Veranlassung zu geben. Psalm 12. in welchem ein König seinen Unwillen
über die Empörung fremder, ihm unterworfner Völker ausspricht, welche er als
eine Rebellion gegen sich und den Gott Israels auffaßt, scheint fast nur auf
Salomo zu passen. Es gehört die ganze Paradoxcnsucht Hitzigs dazu, dies
edle, kräftige, durchaus theokratischen Geist athmende Lied dem sehr weltlich
gesinnten, grausamen Alexander Jannäus (10S--78) zuzuschreiben, welcher zuerst
wieder nach einem halben Jahrtausend zum großen Aergerniß der Frommen den
Königstitel annahm. Daß Psalm 101 von einem König ist, haben wir schon
oben gesehen. An Könige gerichtet sind außer Psalm 46 die lebhaften, von
einem frommen Glauben getragenen Lieder Psalm 20 und 21, sowie der Glück¬
wunsch zur Thronbesteigung Psalm 72, welcher vermuthlich der nachjesaianischen
Zeit angehört. Sämmtliche Lieder, in denen ein König oder "Gesalbter" mit
Theilnahme erwähnt wird, können nur aus der vorexiUschen Zeit sein. Zu
diesen Liedern gehört auch das durch Mißverständniß der Hanna in den Mund
gelegte (1. Sam 2. 1 ff.), welches nach seinem kräftigen, bei Aller Frömmigkeit
selbstbewußten Ton von einem hervorragenden Manne herrühren muß.

Auf das Ereigniß, um welches sich ein so wichtiger Theil der jesaianischen
Prophctien dreht, die Errettung Jerusalems aus der assyrischen Gefahr, sind
sehr wahrscheinlich die beiden Psalme 46 und 48 zu beziehen, in denen ich zwar
nicht die Wucht und Hoheit der Rede Jesaias selbst finden kann, so daß ich sie
wie Hi^ ihm zuschreiben möchte, die aber doch seiner Zeit würdig sind. Ob
wir überhaupt im Psalter Lieder von sonst bekannten Propheten haben, ist
Nicht sicher wenn auch immerhin möglich. Hitzig ist mit Recht die große


17*

Büchern des Pentateuchs enthaltenen Lieder giebt schon die Abfassungszeit derselben,
weiche jedenfalls zwischen die Jahre 1000 und 800 fallt, eine Zeitgrenze.
Der größte Theil des 5. Buches ist allerdings später und so auch die in ihn
aufgenommenen Gesänge, das aus Jesaias Zeiten stammende prophetische Lied
Cap. 32 und der Segen Moses Cap. 33, welcher das Deboralied und den
Segen Jakobs stark benutzt. Immer haben wir hier aber noch alte Poesie.

Der ins Buch Jesaia aufgenommene geschichtliche Abschnitt bewahrt uns
ein sehr denkwürdiges Lied des Königs Histia (Ich. 38, 9—20), der sich darin
seines Ahnen Davids würdig zeigt. Sehen wir, wie schwer sich noch hier bei
einem Zeitgenossen des Jesaia d.is bilder- und gedankenreiche Lied bewegt,
welches das echt hebräische Grauen vor dem Tode mit großer Naivetät ausdrückt,
so werden wir uns in unsrer Auffassung bestärkt fühlen, daß nur wenige der
durchgängig einen leichteren Fluß der Sprache zeigenden Psalmen .einer älteren
Zeit angehören.

Von Königen sind ohne Zweifel auch einige Psalme. Leider sind unsere
historischen Berichte über die Königszeit nicht genau genug, um uns für diese,
so wie für die an Könige gerichteten Psalme sichere Anhaltspunkte zur Bestimmung
ihrer Veranlassung zu geben. Psalm 12. in welchem ein König seinen Unwillen
über die Empörung fremder, ihm unterworfner Völker ausspricht, welche er als
eine Rebellion gegen sich und den Gott Israels auffaßt, scheint fast nur auf
Salomo zu passen. Es gehört die ganze Paradoxcnsucht Hitzigs dazu, dies
edle, kräftige, durchaus theokratischen Geist athmende Lied dem sehr weltlich
gesinnten, grausamen Alexander Jannäus (10S—78) zuzuschreiben, welcher zuerst
wieder nach einem halben Jahrtausend zum großen Aergerniß der Frommen den
Königstitel annahm. Daß Psalm 101 von einem König ist, haben wir schon
oben gesehen. An Könige gerichtet sind außer Psalm 46 die lebhaften, von
einem frommen Glauben getragenen Lieder Psalm 20 und 21, sowie der Glück¬
wunsch zur Thronbesteigung Psalm 72, welcher vermuthlich der nachjesaianischen
Zeit angehört. Sämmtliche Lieder, in denen ein König oder „Gesalbter" mit
Theilnahme erwähnt wird, können nur aus der vorexiUschen Zeit sein. Zu
diesen Liedern gehört auch das durch Mißverständniß der Hanna in den Mund
gelegte (1. Sam 2. 1 ff.), welches nach seinem kräftigen, bei Aller Frömmigkeit
selbstbewußten Ton von einem hervorragenden Manne herrühren muß.

Auf das Ereigniß, um welches sich ein so wichtiger Theil der jesaianischen
Prophctien dreht, die Errettung Jerusalems aus der assyrischen Gefahr, sind
sehr wahrscheinlich die beiden Psalme 46 und 48 zu beziehen, in denen ich zwar
nicht die Wucht und Hoheit der Rede Jesaias selbst finden kann, so daß ich sie
wie Hi^ ihm zuschreiben möchte, die aber doch seiner Zeit würdig sind. Ob
wir überhaupt im Psalter Lieder von sonst bekannten Propheten haben, ist
Nicht sicher wenn auch immerhin möglich. Hitzig ist mit Recht die große


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[0147] Büchern des Pentateuchs enthaltenen Lieder giebt schon die Abfassungszeit derselben, weiche jedenfalls zwischen die Jahre 1000 und 800 fallt, eine Zeitgrenze. Der größte Theil des 5. Buches ist allerdings später und so auch die in ihn aufgenommenen Gesänge, das aus Jesaias Zeiten stammende prophetische Lied Cap. 32 und der Segen Moses Cap. 33, welcher das Deboralied und den Segen Jakobs stark benutzt. Immer haben wir hier aber noch alte Poesie. Der ins Buch Jesaia aufgenommene geschichtliche Abschnitt bewahrt uns ein sehr denkwürdiges Lied des Königs Histia (Ich. 38, 9—20), der sich darin seines Ahnen Davids würdig zeigt. Sehen wir, wie schwer sich noch hier bei einem Zeitgenossen des Jesaia d.is bilder- und gedankenreiche Lied bewegt, welches das echt hebräische Grauen vor dem Tode mit großer Naivetät ausdrückt, so werden wir uns in unsrer Auffassung bestärkt fühlen, daß nur wenige der durchgängig einen leichteren Fluß der Sprache zeigenden Psalmen .einer älteren Zeit angehören. Von Königen sind ohne Zweifel auch einige Psalme. Leider sind unsere historischen Berichte über die Königszeit nicht genau genug, um uns für diese, so wie für die an Könige gerichteten Psalme sichere Anhaltspunkte zur Bestimmung ihrer Veranlassung zu geben. Psalm 12. in welchem ein König seinen Unwillen über die Empörung fremder, ihm unterworfner Völker ausspricht, welche er als eine Rebellion gegen sich und den Gott Israels auffaßt, scheint fast nur auf Salomo zu passen. Es gehört die ganze Paradoxcnsucht Hitzigs dazu, dies edle, kräftige, durchaus theokratischen Geist athmende Lied dem sehr weltlich gesinnten, grausamen Alexander Jannäus (10S—78) zuzuschreiben, welcher zuerst wieder nach einem halben Jahrtausend zum großen Aergerniß der Frommen den Königstitel annahm. Daß Psalm 101 von einem König ist, haben wir schon oben gesehen. An Könige gerichtet sind außer Psalm 46 die lebhaften, von einem frommen Glauben getragenen Lieder Psalm 20 und 21, sowie der Glück¬ wunsch zur Thronbesteigung Psalm 72, welcher vermuthlich der nachjesaianischen Zeit angehört. Sämmtliche Lieder, in denen ein König oder „Gesalbter" mit Theilnahme erwähnt wird, können nur aus der vorexiUschen Zeit sein. Zu diesen Liedern gehört auch das durch Mißverständniß der Hanna in den Mund gelegte (1. Sam 2. 1 ff.), welches nach seinem kräftigen, bei Aller Frömmigkeit selbstbewußten Ton von einem hervorragenden Manne herrühren muß. Auf das Ereigniß, um welches sich ein so wichtiger Theil der jesaianischen Prophctien dreht, die Errettung Jerusalems aus der assyrischen Gefahr, sind sehr wahrscheinlich die beiden Psalme 46 und 48 zu beziehen, in denen ich zwar nicht die Wucht und Hoheit der Rede Jesaias selbst finden kann, so daß ich sie wie Hi^ ihm zuschreiben möchte, die aber doch seiner Zeit würdig sind. Ob wir überhaupt im Psalter Lieder von sonst bekannten Propheten haben, ist Nicht sicher wenn auch immerhin möglich. Hitzig ist mit Recht die große 17*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/147>, abgerufen am 29.05.2024.