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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Erkennung der Leistungen der Garnison und Bürgerschaft von Kolberg. Diese
letztere Ordre schloß folgendermaßen: "Dagegen will ich Euch für Euere Person
schon jetzt ein öffentliches Merkmal Meiner besondern Zufriedenheit mit Eurem
rastlosen Eifer in der bisherigen Vertheidigung der Euch anvertrauten Festung
und mit Euren sämmtlichen diesfälligen Anordnungen dadurch gewähren, daß
ich Euch hiermit zum Oberstlieutenant ernenne." Beim Lesen dieser Depeschen
und dem plötzlichen Uebergange von der höchsten kriegerischen Kraftanstrengung
und Gefahr zu dem Gefühl der so unerwartet eingetretenen Rettung und Sicher¬
heit und der königlichen Anerkennung seiner Leistungen stürzten Gneisenau die
Thränen aus den Augen! -- 2S,910 Kugeln hatten die Franzosen nach eigenen
Angaben gegen die Stadt geschleudert. Gneisenau hatte ihnen 1632 Gefangene
abgenommen und zu Schiffe nach Preußen geschickt. Die Besatzung von Kolberg
verlor 681 Todte. 1693 Verwundete und 304 Gefangene, die Bürgerschaft
82 Todte und Verwundete jedes Alters und Geschlechts. Der Verlust der
Franzosen wird auf das Dreifache angeschlagen. Die Vertheidigung von Kolberg
war der einzige glorreiche Sieg der preußischen Waffen in dem ganzen Kriege,
und darin lag die Bedeutung desselben, sowie der Person, der er allein zu
danken war. Volk und Heer sahen auf Gneisenau.

Die nächste Sorge Gneisenaus war dem Wiederaufbau Kolbergs geweiht,
zum Nachtheil der Stadt verblieb er nicht lange dieser stillen Thätigkeit. Der
König berief ihn Anfang August in die zur Reorganisation der Armee gebildete
Commission. Blücher schreibt ihm deshalb:

"Gehen Sie hin, von meinen besten Wünschen begleitet. Ich ahnde, wo¬
zu Sie bestimmt sind, und freue mich darüber; grüßen Sie meinen Freund
Scharnhorst und sagen ihm. daß ich es ihm ans Hertz legte, vor eine Ncitional-
Armee zu sorgen. Dieses ist nicht so schwierig wie man denkt; vom Zollmaß
muß man abgehen, niemand in der Welt muß ex.imirt sein, und es muß zur
Schande gereichen, wer nicht gedient hat, es sey denn, daß ihn körperliche
Gebrechen daran hindern. Die einmahl voll dressirten Soldaten müssen 2 Jahr
zu Hause bleiben und nur das dritte eintreten, dann ist das Land soulagirt
und es fehlt uns nicht an Leuten. Es ist auch eine Einbildung, daß ein fertiger
Soldat in 2 Jahren so Alles vergessen soll, daß er nicht in 8 Tagen wieder
brauchbar wäre. Die Franzosen haben uns dieses änderst bewiesen, unsere
unnützen Pedanterien mag der Soldat ganz vergessen. Die Armee muß in
Divisions getheilt werden, die Division von allen Sorten Truppen componirt
sein, und im Herbst mit einander manövriren. Die alljährigen Revues müssen
wegfallen. Da haben Sie mein Glaubensbekenntniß, geben Sie es an Scharn¬
horst und schreiben Sie mich beide ihre Meinung."




Erkennung der Leistungen der Garnison und Bürgerschaft von Kolberg. Diese
letztere Ordre schloß folgendermaßen: „Dagegen will ich Euch für Euere Person
schon jetzt ein öffentliches Merkmal Meiner besondern Zufriedenheit mit Eurem
rastlosen Eifer in der bisherigen Vertheidigung der Euch anvertrauten Festung
und mit Euren sämmtlichen diesfälligen Anordnungen dadurch gewähren, daß
ich Euch hiermit zum Oberstlieutenant ernenne." Beim Lesen dieser Depeschen
und dem plötzlichen Uebergange von der höchsten kriegerischen Kraftanstrengung
und Gefahr zu dem Gefühl der so unerwartet eingetretenen Rettung und Sicher¬
heit und der königlichen Anerkennung seiner Leistungen stürzten Gneisenau die
Thränen aus den Augen! — 2S,910 Kugeln hatten die Franzosen nach eigenen
Angaben gegen die Stadt geschleudert. Gneisenau hatte ihnen 1632 Gefangene
abgenommen und zu Schiffe nach Preußen geschickt. Die Besatzung von Kolberg
verlor 681 Todte. 1693 Verwundete und 304 Gefangene, die Bürgerschaft
82 Todte und Verwundete jedes Alters und Geschlechts. Der Verlust der
Franzosen wird auf das Dreifache angeschlagen. Die Vertheidigung von Kolberg
war der einzige glorreiche Sieg der preußischen Waffen in dem ganzen Kriege,
und darin lag die Bedeutung desselben, sowie der Person, der er allein zu
danken war. Volk und Heer sahen auf Gneisenau.

Die nächste Sorge Gneisenaus war dem Wiederaufbau Kolbergs geweiht,
zum Nachtheil der Stadt verblieb er nicht lange dieser stillen Thätigkeit. Der
König berief ihn Anfang August in die zur Reorganisation der Armee gebildete
Commission. Blücher schreibt ihm deshalb:

„Gehen Sie hin, von meinen besten Wünschen begleitet. Ich ahnde, wo¬
zu Sie bestimmt sind, und freue mich darüber; grüßen Sie meinen Freund
Scharnhorst und sagen ihm. daß ich es ihm ans Hertz legte, vor eine Ncitional-
Armee zu sorgen. Dieses ist nicht so schwierig wie man denkt; vom Zollmaß
muß man abgehen, niemand in der Welt muß ex.imirt sein, und es muß zur
Schande gereichen, wer nicht gedient hat, es sey denn, daß ihn körperliche
Gebrechen daran hindern. Die einmahl voll dressirten Soldaten müssen 2 Jahr
zu Hause bleiben und nur das dritte eintreten, dann ist das Land soulagirt
und es fehlt uns nicht an Leuten. Es ist auch eine Einbildung, daß ein fertiger
Soldat in 2 Jahren so Alles vergessen soll, daß er nicht in 8 Tagen wieder
brauchbar wäre. Die Franzosen haben uns dieses änderst bewiesen, unsere
unnützen Pedanterien mag der Soldat ganz vergessen. Die Armee muß in
Divisions getheilt werden, die Division von allen Sorten Truppen componirt
sein, und im Herbst mit einander manövriren. Die alljährigen Revues müssen
wegfallen. Da haben Sie mein Glaubensbekenntniß, geben Sie es an Scharn¬
horst und schreiben Sie mich beide ihre Meinung."




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/165>, abgerufen am 15.05.2024.