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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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schlagenden Gegenständen zu nehmen. Als Commandant von Kolberg habe
ich mit der dortigen Festung und den Truppen einen sehr weitläufigen Brief¬
wechsel."

Gneisenau war nämlich Commandant der Festung geblieben, als er zur
Neorganisationscommisfion und dann auch zur Untersuchungscommission com-
mandirt wurde, war dann noch zum Mitglied des Artillerie- und Jngenieur-
departements, zum Inspecteur der Festungen und endlich auch zum Chef des
Jngcnieurcorps ernannt worden. Sein Avancement zum Obersten erfolgte
1809. Die bedeutendste Thätigkeit war die bei der Neorganisationscommisfion.
wo er, wie seine hinterlassenen Papiere beweisen, die wichtigsten Gegenstände
bearbeitete. Was diese Commission im großen Ganzen geleistet, führt Gneisenau
in einem am S. Juni 1809 dem Könige eingereichten Memoire an, aus dem
wir hier einiges mittheilen wollen, weil der lange Frieden jetzt zum Theil
wiedergeschaffen hat, was man damals auf Grund der Erfahrung verworfen hatte.

"Ehedem gab es in der preußischen Militärverfassung mehre nicht sub-
ordinirte, sondern coordinirte Gewalten; eine Einrichtung, die durchaus fehler¬
haft ist. Diese Gewalten waren:

a) der Generaladjutant,
b) das Oberkriegscollegium,
o) die Generalinspecteurs der Truppen,
Z) die Gouverneure u. s. w.

Dieser Verfassung fehlte es also an Concentricität, und nirgends liefen
die Zügel der Armeeregieruug in eine Hand zusammen. Die Generaladjutanten
-- man darf sich hier auf eine lange Erfahrung berufen -- waren nicht Leute,
die höhere tactische und strategische Kenntnisse besaßen, konnten folglich nicht
beurtheilen, wie weit die Armee gegen andere zurück war. -- Sollte eine stra¬
tegische Maßregel genommen werden, so versammelte man die Häupter des
Generalstabs. Trat hier eine Verschiedenheit der Meinungen ein, so war unter
den Dienern Seiner Majestät niemand vorhanden, der mit der Autorität des
Ranges und Verstandes den Ausschlag geben konnte. Wenn nun der General¬
adjutant, der eigentlich nicht für die Geschäfte der höhern Armeeführung, sondern
nur für die Wahrnehmung der persönlichen Verhältnisse der Armee aufgestellt
war, zufällig keine Meinung hatte, so blieb die Sache unentschieden und
Se. Majestät ohne Rath."

Dann wird der Vorzug der neuen Einrichtung aufgeführt, die Truppen
im Frieden schon so zu formiren, wie sie im Kriege gebraucht werden, d. h.
in gemischten Waffen u. s. w. Neben diesen formellen Dingen richtete die
Commission ihre Aufmerksamkeit und zumal Gneisenau auf den Geist des
Heeres; in dieser Hinsicht entwarf Gneisenau Ordres für die der Ehre und
Gesittung entsprechende Behandlung und Bestrafung der Offiziere und Leute,


schlagenden Gegenständen zu nehmen. Als Commandant von Kolberg habe
ich mit der dortigen Festung und den Truppen einen sehr weitläufigen Brief¬
wechsel."

Gneisenau war nämlich Commandant der Festung geblieben, als er zur
Neorganisationscommisfion und dann auch zur Untersuchungscommission com-
mandirt wurde, war dann noch zum Mitglied des Artillerie- und Jngenieur-
departements, zum Inspecteur der Festungen und endlich auch zum Chef des
Jngcnieurcorps ernannt worden. Sein Avancement zum Obersten erfolgte
1809. Die bedeutendste Thätigkeit war die bei der Neorganisationscommisfion.
wo er, wie seine hinterlassenen Papiere beweisen, die wichtigsten Gegenstände
bearbeitete. Was diese Commission im großen Ganzen geleistet, führt Gneisenau
in einem am S. Juni 1809 dem Könige eingereichten Memoire an, aus dem
wir hier einiges mittheilen wollen, weil der lange Frieden jetzt zum Theil
wiedergeschaffen hat, was man damals auf Grund der Erfahrung verworfen hatte.

„Ehedem gab es in der preußischen Militärverfassung mehre nicht sub-
ordinirte, sondern coordinirte Gewalten; eine Einrichtung, die durchaus fehler¬
haft ist. Diese Gewalten waren:

a) der Generaladjutant,
b) das Oberkriegscollegium,
o) die Generalinspecteurs der Truppen,
Z) die Gouverneure u. s. w.

Dieser Verfassung fehlte es also an Concentricität, und nirgends liefen
die Zügel der Armeeregieruug in eine Hand zusammen. Die Generaladjutanten
— man darf sich hier auf eine lange Erfahrung berufen — waren nicht Leute,
die höhere tactische und strategische Kenntnisse besaßen, konnten folglich nicht
beurtheilen, wie weit die Armee gegen andere zurück war. — Sollte eine stra¬
tegische Maßregel genommen werden, so versammelte man die Häupter des
Generalstabs. Trat hier eine Verschiedenheit der Meinungen ein, so war unter
den Dienern Seiner Majestät niemand vorhanden, der mit der Autorität des
Ranges und Verstandes den Ausschlag geben konnte. Wenn nun der General¬
adjutant, der eigentlich nicht für die Geschäfte der höhern Armeeführung, sondern
nur für die Wahrnehmung der persönlichen Verhältnisse der Armee aufgestellt
war, zufällig keine Meinung hatte, so blieb die Sache unentschieden und
Se. Majestät ohne Rath."

Dann wird der Vorzug der neuen Einrichtung aufgeführt, die Truppen
im Frieden schon so zu formiren, wie sie im Kriege gebraucht werden, d. h.
in gemischten Waffen u. s. w. Neben diesen formellen Dingen richtete die
Commission ihre Aufmerksamkeit und zumal Gneisenau auf den Geist des
Heeres; in dieser Hinsicht entwarf Gneisenau Ordres für die der Ehre und
Gesittung entsprechende Behandlung und Bestrafung der Offiziere und Leute,


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[0208] schlagenden Gegenständen zu nehmen. Als Commandant von Kolberg habe ich mit der dortigen Festung und den Truppen einen sehr weitläufigen Brief¬ wechsel." Gneisenau war nämlich Commandant der Festung geblieben, als er zur Neorganisationscommisfion und dann auch zur Untersuchungscommission com- mandirt wurde, war dann noch zum Mitglied des Artillerie- und Jngenieur- departements, zum Inspecteur der Festungen und endlich auch zum Chef des Jngcnieurcorps ernannt worden. Sein Avancement zum Obersten erfolgte 1809. Die bedeutendste Thätigkeit war die bei der Neorganisationscommisfion. wo er, wie seine hinterlassenen Papiere beweisen, die wichtigsten Gegenstände bearbeitete. Was diese Commission im großen Ganzen geleistet, führt Gneisenau in einem am S. Juni 1809 dem Könige eingereichten Memoire an, aus dem wir hier einiges mittheilen wollen, weil der lange Frieden jetzt zum Theil wiedergeschaffen hat, was man damals auf Grund der Erfahrung verworfen hatte. „Ehedem gab es in der preußischen Militärverfassung mehre nicht sub- ordinirte, sondern coordinirte Gewalten; eine Einrichtung, die durchaus fehler¬ haft ist. Diese Gewalten waren: a) der Generaladjutant, b) das Oberkriegscollegium, o) die Generalinspecteurs der Truppen, Z) die Gouverneure u. s. w. Dieser Verfassung fehlte es also an Concentricität, und nirgends liefen die Zügel der Armeeregieruug in eine Hand zusammen. Die Generaladjutanten — man darf sich hier auf eine lange Erfahrung berufen — waren nicht Leute, die höhere tactische und strategische Kenntnisse besaßen, konnten folglich nicht beurtheilen, wie weit die Armee gegen andere zurück war. — Sollte eine stra¬ tegische Maßregel genommen werden, so versammelte man die Häupter des Generalstabs. Trat hier eine Verschiedenheit der Meinungen ein, so war unter den Dienern Seiner Majestät niemand vorhanden, der mit der Autorität des Ranges und Verstandes den Ausschlag geben konnte. Wenn nun der General¬ adjutant, der eigentlich nicht für die Geschäfte der höhern Armeeführung, sondern nur für die Wahrnehmung der persönlichen Verhältnisse der Armee aufgestellt war, zufällig keine Meinung hatte, so blieb die Sache unentschieden und Se. Majestät ohne Rath." Dann wird der Vorzug der neuen Einrichtung aufgeführt, die Truppen im Frieden schon so zu formiren, wie sie im Kriege gebraucht werden, d. h. in gemischten Waffen u. s. w. Neben diesen formellen Dingen richtete die Commission ihre Aufmerksamkeit und zumal Gneisenau auf den Geist des Heeres; in dieser Hinsicht entwarf Gneisenau Ordres für die der Ehre und Gesittung entsprechende Behandlung und Bestrafung der Offiziere und Leute,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/208>, abgerufen am 29.05.2024.