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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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mit gesattelten Brustlätzen (eollerüs oaueellÄtis) oder andern ungehörigen Klei¬
dungsstücken betreffen läßt, wird um einen halben Gulden gestraft. Wer zwei¬
mal wegen nächtlichen Excesses bestraft worden, wird, wenn er sich wieder der¬
artiges zu Schulden kommen läßt, als unverbesserlich den Eltern heimgesendet.

Ein Statut von 1466 verordnet: wer einen Todtschlag (oder Mord, das
Wort des Originals ist uoiuieiäium) begeht, wird dem Bischof (von Merse-
burg, dem Oberinspector der leipziger Hochschule) zu ewigem Gefängniß über¬
antwortet, wer stiehlt, excludirt, oder, wenn der Gegenstand von Bedeutung
ist, dem Bischof zur Bestrafung zugeschickt.

Sehr oft kommen in den letzten dreißig Jahren des in Rede stehenden Jahr-
Hunderts die Studenten mit der städtischen Polizei in Conflict, und daraus ent¬
wickelt sich wiederholt scharfer Streit zwischen der ganzen Universität und dem
leipziger Rath. In den I^iori (üouelusorum lesen wir, wie 1474 im August
die Insassen der Sachsenburse sich vor dem Vicerector Johann v. Regensburg
durch Eid reinigen mußten, die Nachtwächter mit Steinen geworfen zu haben.
Um dieselbe Zeit war ein Student Heinrich Scheßlitz bei Gelegenheit eines
nächtlichen Zusammenstoßes tumultuirender Musensöhne mit den Stadtknechten
eingesperrt worden. Die Freunde desselben fanden das unbillig, traten zusam¬
men und beschlossen, der Universität förmlich Fehde anzusagen. Das Ergebniß
ihrer Berathung war zunächst ein Fehde- und Brandbrief, den sie in den fol¬
genden Tagen, natürlich nicht unterzeichnet, dem Rector vor die Thür warfen,
und der als Beispiel für das Latein der jungen Herren hier im Original folgt.
Dieselben schrieben:

"Dximü ävmilli, senis, Mgliter aeturn est terig. seeuuäg 6e hero ante
collegium vrineivis, quomoäo trivols et kuriose eiroulgtvres iuvaseruut.
stuäelltes idiäerll eultellis et dg-Iistis in illos sggitauÄo. Igitur si von rs-
siststis et vraeeixue iuog.reerg.tum stuäelltem non äimiseritis, lune usitata
vestra egregitas u periculis tuturis eveuieutidus stuäsat se praeea.og.re,
guomg.rü nos in bonis vestris et totius eivitg-dis eum strg.minis iuesnüio in
brevi viäeditis. (Zuouigm alpina, testaute va^wa: uullq.ug.ni viäi Iiomiuem
Mstum äerelietum."

Der Vicerector berief hierauf die Nationen zur Beschlußfassung über dieses
jedenfalls vollkommen ernst gemeinte Actenstück. Man entschied sich für An¬
stellung einer Untersuchung, die endlich auf die Spur der Missethäter führte.
Die Insassen zweier Kollegien reinigten sich durch Eid von dem auf ihnen lasten¬
den Verdacht, dann aber ergab sich, daß die Verschwörung, aus welcher der
Drohbrief hervorgegangen war, im Hause Trauppitz in der Stube des Studen¬
ten Friedrich Scbleitz stattgefunden, die übrigen Theilnehmer an derselben wur¬
den gleichfalls ermittelt, und das Ende der Sache war. daß man die gefähr¬
lichen Gesellen Urfehde schwören ließ und hieraus relegirte.


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mit gesattelten Brustlätzen (eollerüs oaueellÄtis) oder andern ungehörigen Klei¬
dungsstücken betreffen läßt, wird um einen halben Gulden gestraft. Wer zwei¬
mal wegen nächtlichen Excesses bestraft worden, wird, wenn er sich wieder der¬
artiges zu Schulden kommen läßt, als unverbesserlich den Eltern heimgesendet.

Ein Statut von 1466 verordnet: wer einen Todtschlag (oder Mord, das
Wort des Originals ist uoiuieiäium) begeht, wird dem Bischof (von Merse-
burg, dem Oberinspector der leipziger Hochschule) zu ewigem Gefängniß über¬
antwortet, wer stiehlt, excludirt, oder, wenn der Gegenstand von Bedeutung
ist, dem Bischof zur Bestrafung zugeschickt.

Sehr oft kommen in den letzten dreißig Jahren des in Rede stehenden Jahr-
Hunderts die Studenten mit der städtischen Polizei in Conflict, und daraus ent¬
wickelt sich wiederholt scharfer Streit zwischen der ganzen Universität und dem
leipziger Rath. In den I^iori (üouelusorum lesen wir, wie 1474 im August
die Insassen der Sachsenburse sich vor dem Vicerector Johann v. Regensburg
durch Eid reinigen mußten, die Nachtwächter mit Steinen geworfen zu haben.
Um dieselbe Zeit war ein Student Heinrich Scheßlitz bei Gelegenheit eines
nächtlichen Zusammenstoßes tumultuirender Musensöhne mit den Stadtknechten
eingesperrt worden. Die Freunde desselben fanden das unbillig, traten zusam¬
men und beschlossen, der Universität förmlich Fehde anzusagen. Das Ergebniß
ihrer Berathung war zunächst ein Fehde- und Brandbrief, den sie in den fol¬
genden Tagen, natürlich nicht unterzeichnet, dem Rector vor die Thür warfen,
und der als Beispiel für das Latein der jungen Herren hier im Original folgt.
Dieselben schrieben:

„Dximü ävmilli, senis, Mgliter aeturn est terig. seeuuäg 6e hero ante
collegium vrineivis, quomoäo trivols et kuriose eiroulgtvres iuvaseruut.
stuäelltes idiäerll eultellis et dg-Iistis in illos sggitauÄo. Igitur si von rs-
siststis et vraeeixue iuog.reerg.tum stuäelltem non äimiseritis, lune usitata
vestra egregitas u periculis tuturis eveuieutidus stuäsat se praeea.og.re,
guomg.rü nos in bonis vestris et totius eivitg-dis eum strg.minis iuesnüio in
brevi viäeditis. (Zuouigm alpina, testaute va^wa: uullq.ug.ni viäi Iiomiuem
Mstum äerelietum."

Der Vicerector berief hierauf die Nationen zur Beschlußfassung über dieses
jedenfalls vollkommen ernst gemeinte Actenstück. Man entschied sich für An¬
stellung einer Untersuchung, die endlich auf die Spur der Missethäter führte.
Die Insassen zweier Kollegien reinigten sich durch Eid von dem auf ihnen lasten¬
den Verdacht, dann aber ergab sich, daß die Verschwörung, aus welcher der
Drohbrief hervorgegangen war, im Hause Trauppitz in der Stube des Studen¬
ten Friedrich Scbleitz stattgefunden, die übrigen Theilnehmer an derselben wur¬
den gleichfalls ermittelt, und das Ende der Sache war. daß man die gefähr¬
lichen Gesellen Urfehde schwören ließ und hieraus relegirte.


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[0239] mit gesattelten Brustlätzen (eollerüs oaueellÄtis) oder andern ungehörigen Klei¬ dungsstücken betreffen läßt, wird um einen halben Gulden gestraft. Wer zwei¬ mal wegen nächtlichen Excesses bestraft worden, wird, wenn er sich wieder der¬ artiges zu Schulden kommen läßt, als unverbesserlich den Eltern heimgesendet. Ein Statut von 1466 verordnet: wer einen Todtschlag (oder Mord, das Wort des Originals ist uoiuieiäium) begeht, wird dem Bischof (von Merse- burg, dem Oberinspector der leipziger Hochschule) zu ewigem Gefängniß über¬ antwortet, wer stiehlt, excludirt, oder, wenn der Gegenstand von Bedeutung ist, dem Bischof zur Bestrafung zugeschickt. Sehr oft kommen in den letzten dreißig Jahren des in Rede stehenden Jahr- Hunderts die Studenten mit der städtischen Polizei in Conflict, und daraus ent¬ wickelt sich wiederholt scharfer Streit zwischen der ganzen Universität und dem leipziger Rath. In den I^iori (üouelusorum lesen wir, wie 1474 im August die Insassen der Sachsenburse sich vor dem Vicerector Johann v. Regensburg durch Eid reinigen mußten, die Nachtwächter mit Steinen geworfen zu haben. Um dieselbe Zeit war ein Student Heinrich Scheßlitz bei Gelegenheit eines nächtlichen Zusammenstoßes tumultuirender Musensöhne mit den Stadtknechten eingesperrt worden. Die Freunde desselben fanden das unbillig, traten zusam¬ men und beschlossen, der Universität förmlich Fehde anzusagen. Das Ergebniß ihrer Berathung war zunächst ein Fehde- und Brandbrief, den sie in den fol¬ genden Tagen, natürlich nicht unterzeichnet, dem Rector vor die Thür warfen, und der als Beispiel für das Latein der jungen Herren hier im Original folgt. Dieselben schrieben: „Dximü ävmilli, senis, Mgliter aeturn est terig. seeuuäg 6e hero ante collegium vrineivis, quomoäo trivols et kuriose eiroulgtvres iuvaseruut. stuäelltes idiäerll eultellis et dg-Iistis in illos sggitauÄo. Igitur si von rs- siststis et vraeeixue iuog.reerg.tum stuäelltem non äimiseritis, lune usitata vestra egregitas u periculis tuturis eveuieutidus stuäsat se praeea.og.re, guomg.rü nos in bonis vestris et totius eivitg-dis eum strg.minis iuesnüio in brevi viäeditis. (Zuouigm alpina, testaute va^wa: uullq.ug.ni viäi Iiomiuem Mstum äerelietum." Der Vicerector berief hierauf die Nationen zur Beschlußfassung über dieses jedenfalls vollkommen ernst gemeinte Actenstück. Man entschied sich für An¬ stellung einer Untersuchung, die endlich auf die Spur der Missethäter führte. Die Insassen zweier Kollegien reinigten sich durch Eid von dem auf ihnen lasten¬ den Verdacht, dann aber ergab sich, daß die Verschwörung, aus welcher der Drohbrief hervorgegangen war, im Hause Trauppitz in der Stube des Studen¬ ten Friedrich Scbleitz stattgefunden, die übrigen Theilnehmer an derselben wur¬ den gleichfalls ermittelt, und das Ende der Sache war. daß man die gefähr¬ lichen Gesellen Urfehde schwören ließ und hieraus relegirte. 28*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/239>, abgerufen am 29.05.2024.