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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Flamme. Ich lief vor in das Gouvernementshaus, (hier war es eben, wo ich die
Frau Mama und Ihre Babel antraf), und sah diesem Greuel der Verwüstung
zu. Ich blieb einige Zeit dort, und gegen fünf Uhr kam mein ehrlicher Be¬
dienter mit der Nachricht, daß mein Haus niedergebrannt, das Gewölbe von
den Bomben eingeschmissen und darinnen alles verbrannt, der ganz unbe¬
schädigte Keller aber von denen zum Löschen commandirtcn Soldaten rein aus¬
geplündert sey. Das that weh, mein lieber Ferber, sehr weh; alle mein Haus¬
rath, meine Kleider, Wäsche, Vorräthe, alle meine Bücher und Manuscripte,
alle Briefe die ich von Ihnen und andern guten Freunden so sorgfältig
gesammelt hatte, alles war verloren; von Sachen die ich wohl auf dreitausend
Thaler rechnen kann, habe ich nicht zehn Thaler werth gerettet. Der ältste Zeng-
rock, den ich anzog, um desto bequemer zu löschen, eine alte abgelebte Perücke,
die ich in eben der Absicht aufgesetzt, ein paar alte Hemden, die ich schon sür
meinen Bedienten bestimmt hatte, und ein Schlafrock: das war meine ganze
Garderobbe. Die witzigen Manuscripte, welche nach meinem Tode sollten ge¬
druckt werden, sind zum kräftigen Troste der Narren künftiger Zeit, alle, alle
mit verbrannt. Nun verlohnt es beynahe die Mühe nicht, daß ich sterbe, weil
nach meinem Tode weiter nichts gedruckt werden kann. Dieser Gedanke hatte
mich bisher noch beruhigt, wenn ich als Autor an den Tod dachte; aber nun
will ich immer leben bleiben und mich in die Welt schicken, so gut ich kann.
Meine schönen Bücher dauern mich sehr, aber mannichmal dauern mich meine
Hemden noch mehr, und meine Kleider und meine Betten, und -- -- kurz, Ferber,
ich bin so nackigt wie ein Gratulant! Ein Glück für mich, daß ich noch meine
Wechsel und Documente gerettet habe. An baarem Gelde habe ich nicht viel
über vierzig Thaler verloren; aber wie viel baares Geld hat denn ein Stcuer-
secretär, der ein Jahr in preußischem Depot und zwei Jahr unter der Vor¬
mundschaft der Landesdeputation gestanden? Das schmerzt mich am meisten,
was ich durch die Plünderung verloren habe. Einige von unsern Freunden,
unsern Hülfsgenossen, unsern Errettern, Leute die sich das größte Gewissen machen
würden, am Charfreytage Schweinebraten zu essen, die plündern uns selbst in
der größten Beängstigung, und brechen die Keller aus, in welchen man vielleicht
Vor der Wuth der Feinde noch etwas hätte retten können. Sagen Sie es auf
mein Wort in Warschau nach, daß uns die Feinde zwei Drittel verbrannt, und
diese Freunde ein Drittel gestohlen haben; aber sagen Sie auch, daß alle ehr¬
liebende von der Garnison, Officiers sowohl als Gemeine, einen Abscheu vor
diesen Gewaltthätigkeiten gehabt, und sagen Sie auch zum Ruhme unseres
tapfern Commandanten, daß er die strengste Ordre gestellt habe, diesem Un¬
wesen zu steuern: doch hat es nichts geholfen, denn einen Räuber macht kein
Galgen ehrlich!

Den Sonntag früh ward in Neustadt angesagt, daß wer sich aus der


Grenzboten II. 18L6. 49

Flamme. Ich lief vor in das Gouvernementshaus, (hier war es eben, wo ich die
Frau Mama und Ihre Babel antraf), und sah diesem Greuel der Verwüstung
zu. Ich blieb einige Zeit dort, und gegen fünf Uhr kam mein ehrlicher Be¬
dienter mit der Nachricht, daß mein Haus niedergebrannt, das Gewölbe von
den Bomben eingeschmissen und darinnen alles verbrannt, der ganz unbe¬
schädigte Keller aber von denen zum Löschen commandirtcn Soldaten rein aus¬
geplündert sey. Das that weh, mein lieber Ferber, sehr weh; alle mein Haus¬
rath, meine Kleider, Wäsche, Vorräthe, alle meine Bücher und Manuscripte,
alle Briefe die ich von Ihnen und andern guten Freunden so sorgfältig
gesammelt hatte, alles war verloren; von Sachen die ich wohl auf dreitausend
Thaler rechnen kann, habe ich nicht zehn Thaler werth gerettet. Der ältste Zeng-
rock, den ich anzog, um desto bequemer zu löschen, eine alte abgelebte Perücke,
die ich in eben der Absicht aufgesetzt, ein paar alte Hemden, die ich schon sür
meinen Bedienten bestimmt hatte, und ein Schlafrock: das war meine ganze
Garderobbe. Die witzigen Manuscripte, welche nach meinem Tode sollten ge¬
druckt werden, sind zum kräftigen Troste der Narren künftiger Zeit, alle, alle
mit verbrannt. Nun verlohnt es beynahe die Mühe nicht, daß ich sterbe, weil
nach meinem Tode weiter nichts gedruckt werden kann. Dieser Gedanke hatte
mich bisher noch beruhigt, wenn ich als Autor an den Tod dachte; aber nun
will ich immer leben bleiben und mich in die Welt schicken, so gut ich kann.
Meine schönen Bücher dauern mich sehr, aber mannichmal dauern mich meine
Hemden noch mehr, und meine Kleider und meine Betten, und — — kurz, Ferber,
ich bin so nackigt wie ein Gratulant! Ein Glück für mich, daß ich noch meine
Wechsel und Documente gerettet habe. An baarem Gelde habe ich nicht viel
über vierzig Thaler verloren; aber wie viel baares Geld hat denn ein Stcuer-
secretär, der ein Jahr in preußischem Depot und zwei Jahr unter der Vor¬
mundschaft der Landesdeputation gestanden? Das schmerzt mich am meisten,
was ich durch die Plünderung verloren habe. Einige von unsern Freunden,
unsern Hülfsgenossen, unsern Errettern, Leute die sich das größte Gewissen machen
würden, am Charfreytage Schweinebraten zu essen, die plündern uns selbst in
der größten Beängstigung, und brechen die Keller aus, in welchen man vielleicht
Vor der Wuth der Feinde noch etwas hätte retten können. Sagen Sie es auf
mein Wort in Warschau nach, daß uns die Feinde zwei Drittel verbrannt, und
diese Freunde ein Drittel gestohlen haben; aber sagen Sie auch, daß alle ehr¬
liebende von der Garnison, Officiers sowohl als Gemeine, einen Abscheu vor
diesen Gewaltthätigkeiten gehabt, und sagen Sie auch zum Ruhme unseres
tapfern Commandanten, daß er die strengste Ordre gestellt habe, diesem Un¬
wesen zu steuern: doch hat es nichts geholfen, denn einen Räuber macht kein
Galgen ehrlich!

Den Sonntag früh ward in Neustadt angesagt, daß wer sich aus der


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[0413] Flamme. Ich lief vor in das Gouvernementshaus, (hier war es eben, wo ich die Frau Mama und Ihre Babel antraf), und sah diesem Greuel der Verwüstung zu. Ich blieb einige Zeit dort, und gegen fünf Uhr kam mein ehrlicher Be¬ dienter mit der Nachricht, daß mein Haus niedergebrannt, das Gewölbe von den Bomben eingeschmissen und darinnen alles verbrannt, der ganz unbe¬ schädigte Keller aber von denen zum Löschen commandirtcn Soldaten rein aus¬ geplündert sey. Das that weh, mein lieber Ferber, sehr weh; alle mein Haus¬ rath, meine Kleider, Wäsche, Vorräthe, alle meine Bücher und Manuscripte, alle Briefe die ich von Ihnen und andern guten Freunden so sorgfältig gesammelt hatte, alles war verloren; von Sachen die ich wohl auf dreitausend Thaler rechnen kann, habe ich nicht zehn Thaler werth gerettet. Der ältste Zeng- rock, den ich anzog, um desto bequemer zu löschen, eine alte abgelebte Perücke, die ich in eben der Absicht aufgesetzt, ein paar alte Hemden, die ich schon sür meinen Bedienten bestimmt hatte, und ein Schlafrock: das war meine ganze Garderobbe. Die witzigen Manuscripte, welche nach meinem Tode sollten ge¬ druckt werden, sind zum kräftigen Troste der Narren künftiger Zeit, alle, alle mit verbrannt. Nun verlohnt es beynahe die Mühe nicht, daß ich sterbe, weil nach meinem Tode weiter nichts gedruckt werden kann. Dieser Gedanke hatte mich bisher noch beruhigt, wenn ich als Autor an den Tod dachte; aber nun will ich immer leben bleiben und mich in die Welt schicken, so gut ich kann. Meine schönen Bücher dauern mich sehr, aber mannichmal dauern mich meine Hemden noch mehr, und meine Kleider und meine Betten, und — — kurz, Ferber, ich bin so nackigt wie ein Gratulant! Ein Glück für mich, daß ich noch meine Wechsel und Documente gerettet habe. An baarem Gelde habe ich nicht viel über vierzig Thaler verloren; aber wie viel baares Geld hat denn ein Stcuer- secretär, der ein Jahr in preußischem Depot und zwei Jahr unter der Vor¬ mundschaft der Landesdeputation gestanden? Das schmerzt mich am meisten, was ich durch die Plünderung verloren habe. Einige von unsern Freunden, unsern Hülfsgenossen, unsern Errettern, Leute die sich das größte Gewissen machen würden, am Charfreytage Schweinebraten zu essen, die plündern uns selbst in der größten Beängstigung, und brechen die Keller aus, in welchen man vielleicht Vor der Wuth der Feinde noch etwas hätte retten können. Sagen Sie es auf mein Wort in Warschau nach, daß uns die Feinde zwei Drittel verbrannt, und diese Freunde ein Drittel gestohlen haben; aber sagen Sie auch, daß alle ehr¬ liebende von der Garnison, Officiers sowohl als Gemeine, einen Abscheu vor diesen Gewaltthätigkeiten gehabt, und sagen Sie auch zum Ruhme unseres tapfern Commandanten, daß er die strengste Ordre gestellt habe, diesem Un¬ wesen zu steuern: doch hat es nichts geholfen, denn einen Räuber macht kein Galgen ehrlich! Den Sonntag früh ward in Neustadt angesagt, daß wer sich aus der Grenzboten II. 18L6. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/413>, abgerufen am 15.05.2024.