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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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die Löhnung und Verköstigung der Soldaten verweigert, derselbe wolle die
Truppen verhungern lassen; auch wolle er nichts für Fuhrwerke zahlen und
deshalb müsse der Soldat den " Assen" und das übrige schwere Gepäck selbst
schleppen. Glaubhafte Personen wollen mit eigenen Ohren gehört haben, wie
die Unteroffiziere die Soldaten aufforderten, die Führer der liberalen Landtags¬
majorität, die Herren Braun und Lang, umzubringen; "es sei," fügten die
Unteroffiziere hinzu, "zwar kein directer Befehl, aber es werde gern gesehen,
jedenfalls werde dem, welcher es thue, kein Haar gekrümmt werden, -- im
Gegentheil." Daß die Soldaten trotzdem keine Excesse verübten, beweist, daß
sie besser waren als ihre Vorgesetzten. -- In Bad Schwalbach, wo die Eltern
und Geschwister des Abgeordneten Lang wohnen, schrie ein nassauischer Major,
Namens Otto Schwab, in Gegenwart von Verwandten Längs: "Alles, was den
Namen Lang führt, muß gehängt werden! " -- Ein Wiesbadener Kaufmann
Fritz Lugenbühl wollte, mit einem ordnungsmäßigen Passirschcin der Militär¬
behörde in Wiesbaden versehen, durch die Truppenaufstellung durckfahrcn, um
seine Frau abzuholen, die in Bad Schwalbach Brunnen trank und ihren
Aufenthalt wegen der drohenden Knegsereignisse abzukürzen gedachte. Der
dienstthuende Offizier wies ihn zurück. Lugenbühl berief sich auf seinen Passir¬
schein. Die Antwort lautete: "Für einen andern wäre dieser Schein aller¬
dings giltig, aber für Sie nicht; denn Sie haben bei den Landtagswahlen für
den Fortschritt gestimmt, alle Fortschrittsleute sind Verräther." (Dazu verdient
in Klammern bemerkt zu werden, daß bei den letzten Wahlen, Juli 186S, vier
Fünftel des ganzen Landes ebenso gestimmt hatten, also nach jener militärischen
Theorie alle Verräther und somit von dem Gebrauche der mit ihrem eigenen
Gelde gebauten Landstraßen ausgeschlossen waren.) Herr Lugenbühl mußte
umkehren. Glücklicherweise kannte der Postillon, der ihn fuhr, das Terrain
besser als die Herren Offiziere. Nachdem er aus ihrem Gesichtskreis war, bog
er in den Wald ein und brachte auf einem Holzwege, den man zu besetzen ver¬
gessen hatte, Herrn Lugenbühl glücklich nach Bad Schwalbach.

Dort kam derselbe noch grade zurecht zu einem Scharmützel. Vier preu¬
ßische Husaren waren recognoscircnd nach Schwalbach gekommen. In dem
"Russischen Hof", dessen Eigenthümer, Herr Wilhelm Lang, ein Bruder des
Abgeordneten Lang ist, hatten sie ein Glas Bier getrunken und waren dann
weiter nach Schlangenbad geritten. Ein nassauischer Polizeigensdarm verrieth
das nassauischen Truppen. Zwei Abtheilungen der letzteren stellten sich an dem
obern Ende von Schwalbach auf. Die wieder zurückreitenden preußischen Husaren
hatten kaum die Bajonnete blinken sehen, als sie ihren Pferden die Sporen
einsetzten und mit gespanntem Pistol und gezogenem Säbel in gestrecktem Car¬
riere durch die nassauischc Infanterie mitten hindnrchsausten. Die letztere feuerte
zahllose Schüsse ab. Die Kugeln schlugen in die Häuser, einem Badegast wurde


die Löhnung und Verköstigung der Soldaten verweigert, derselbe wolle die
Truppen verhungern lassen; auch wolle er nichts für Fuhrwerke zahlen und
deshalb müsse der Soldat den „ Assen" und das übrige schwere Gepäck selbst
schleppen. Glaubhafte Personen wollen mit eigenen Ohren gehört haben, wie
die Unteroffiziere die Soldaten aufforderten, die Führer der liberalen Landtags¬
majorität, die Herren Braun und Lang, umzubringen; „es sei," fügten die
Unteroffiziere hinzu, „zwar kein directer Befehl, aber es werde gern gesehen,
jedenfalls werde dem, welcher es thue, kein Haar gekrümmt werden, — im
Gegentheil." Daß die Soldaten trotzdem keine Excesse verübten, beweist, daß
sie besser waren als ihre Vorgesetzten. — In Bad Schwalbach, wo die Eltern
und Geschwister des Abgeordneten Lang wohnen, schrie ein nassauischer Major,
Namens Otto Schwab, in Gegenwart von Verwandten Längs: „Alles, was den
Namen Lang führt, muß gehängt werden! " — Ein Wiesbadener Kaufmann
Fritz Lugenbühl wollte, mit einem ordnungsmäßigen Passirschcin der Militär¬
behörde in Wiesbaden versehen, durch die Truppenaufstellung durckfahrcn, um
seine Frau abzuholen, die in Bad Schwalbach Brunnen trank und ihren
Aufenthalt wegen der drohenden Knegsereignisse abzukürzen gedachte. Der
dienstthuende Offizier wies ihn zurück. Lugenbühl berief sich auf seinen Passir¬
schein. Die Antwort lautete: „Für einen andern wäre dieser Schein aller¬
dings giltig, aber für Sie nicht; denn Sie haben bei den Landtagswahlen für
den Fortschritt gestimmt, alle Fortschrittsleute sind Verräther." (Dazu verdient
in Klammern bemerkt zu werden, daß bei den letzten Wahlen, Juli 186S, vier
Fünftel des ganzen Landes ebenso gestimmt hatten, also nach jener militärischen
Theorie alle Verräther und somit von dem Gebrauche der mit ihrem eigenen
Gelde gebauten Landstraßen ausgeschlossen waren.) Herr Lugenbühl mußte
umkehren. Glücklicherweise kannte der Postillon, der ihn fuhr, das Terrain
besser als die Herren Offiziere. Nachdem er aus ihrem Gesichtskreis war, bog
er in den Wald ein und brachte auf einem Holzwege, den man zu besetzen ver¬
gessen hatte, Herrn Lugenbühl glücklich nach Bad Schwalbach.

Dort kam derselbe noch grade zurecht zu einem Scharmützel. Vier preu¬
ßische Husaren waren recognoscircnd nach Schwalbach gekommen. In dem
„Russischen Hof", dessen Eigenthümer, Herr Wilhelm Lang, ein Bruder des
Abgeordneten Lang ist, hatten sie ein Glas Bier getrunken und waren dann
weiter nach Schlangenbad geritten. Ein nassauischer Polizeigensdarm verrieth
das nassauischen Truppen. Zwei Abtheilungen der letzteren stellten sich an dem
obern Ende von Schwalbach auf. Die wieder zurückreitenden preußischen Husaren
hatten kaum die Bajonnete blinken sehen, als sie ihren Pferden die Sporen
einsetzten und mit gespanntem Pistol und gezogenem Säbel in gestrecktem Car¬
riere durch die nassauischc Infanterie mitten hindnrchsausten. Die letztere feuerte
zahllose Schüsse ab. Die Kugeln schlugen in die Häuser, einem Badegast wurde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/440>, abgerufen am 22.05.2024.