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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Cyriacus von Aneom und Albrecht Dürer.

Unter den Männern, welche in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahr¬
hunderts die Kunde des Alterthums zu erneuern eifrig beflissen waren, nimmt
Cyriacus von Ancona durch seinen Wandertrieb, der, aus einer nach
lebendiger Anschauung dürstenden Wißbegierde hervorgegangen, ihn immer
wieder in die durch classische Cultur bezeichneten Länder führte, und eine sel¬
tene Vielseitigkeit seiner philologischen Interessen eine eigenthümliche Stellung
ein. Es ging ihm später, wie es so manchem Reisenden seit Herodot gegangen
ist, er kam in den Ruf eines unzuverlässigen Fabelcrs und prästhaften Auf¬
schneiders, ja eines Fälschers und Betrügers; die Gelehrten, welche die massen¬
haften Täuschungen des Erzbetrügers Pirrv Ligorio gläubig hinnahmen,
brachten Cyriacus ihrer Kritik zum Opfer. Bei seinen Zeitgenossen stand er in
hohem Ansehen, bedeutende Männer wie Giordano Bruno, Carlo Mar-
suppini, Ambrogio Traversari, Flavio Biondo, Francesco Fi-
lelso sprachen von ihm mit Auszeichnung; rühmende Zeugnisse angesehener
Zeitgenossen in Prosa und Versen hat er mit der überhomerischen Naivetät des
Selbstlobes, welches jene Zeit charakterisirt, selbst zusammengestellt. Wenn man
von diesen Lobeserhebungen auch ein gutes Theil abziehen muß, so hat es
dagegen auch nicht viel zu bedeuten, wenn Poggio, der Cyriacus früher als
einen gelehrten, den besten Studien eifrig ergebenen Mann empfohlen hatte,
später, als dieser in dem erbitterten Streit, ob Cäsar oder Scipio größer sei,
auf Guarinos Seite getreten war, ihn einen anmaßenden, unwissenden, ein¬
fältigen Schwätzer, zudringlich wie eine Fliege, einen hungrigen Bettler, der
nur von seinen Schulden lebe, einen zweibeinigen Esel nannte, und wie die
Ehrentitel weiter lauten, mit denen Poggio so freigebig war. Manches vom
renommirenden Abenteurer scheint er allerdings mit heimgebracht zu haben.
Wie das ja den meisten, auch weniger gereisten Humanisten der Renaissance


Grenzboten III. 1867. 1
Cyriacus von Aneom und Albrecht Dürer.

Unter den Männern, welche in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahr¬
hunderts die Kunde des Alterthums zu erneuern eifrig beflissen waren, nimmt
Cyriacus von Ancona durch seinen Wandertrieb, der, aus einer nach
lebendiger Anschauung dürstenden Wißbegierde hervorgegangen, ihn immer
wieder in die durch classische Cultur bezeichneten Länder führte, und eine sel¬
tene Vielseitigkeit seiner philologischen Interessen eine eigenthümliche Stellung
ein. Es ging ihm später, wie es so manchem Reisenden seit Herodot gegangen
ist, er kam in den Ruf eines unzuverlässigen Fabelcrs und prästhaften Auf¬
schneiders, ja eines Fälschers und Betrügers; die Gelehrten, welche die massen¬
haften Täuschungen des Erzbetrügers Pirrv Ligorio gläubig hinnahmen,
brachten Cyriacus ihrer Kritik zum Opfer. Bei seinen Zeitgenossen stand er in
hohem Ansehen, bedeutende Männer wie Giordano Bruno, Carlo Mar-
suppini, Ambrogio Traversari, Flavio Biondo, Francesco Fi-
lelso sprachen von ihm mit Auszeichnung; rühmende Zeugnisse angesehener
Zeitgenossen in Prosa und Versen hat er mit der überhomerischen Naivetät des
Selbstlobes, welches jene Zeit charakterisirt, selbst zusammengestellt. Wenn man
von diesen Lobeserhebungen auch ein gutes Theil abziehen muß, so hat es
dagegen auch nicht viel zu bedeuten, wenn Poggio, der Cyriacus früher als
einen gelehrten, den besten Studien eifrig ergebenen Mann empfohlen hatte,
später, als dieser in dem erbitterten Streit, ob Cäsar oder Scipio größer sei,
auf Guarinos Seite getreten war, ihn einen anmaßenden, unwissenden, ein¬
fältigen Schwätzer, zudringlich wie eine Fliege, einen hungrigen Bettler, der
nur von seinen Schulden lebe, einen zweibeinigen Esel nannte, und wie die
Ehrentitel weiter lauten, mit denen Poggio so freigebig war. Manches vom
renommirenden Abenteurer scheint er allerdings mit heimgebracht zu haben.
Wie das ja den meisten, auch weniger gereisten Humanisten der Renaissance


Grenzboten III. 1867. 1
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[0011] Cyriacus von Aneom und Albrecht Dürer. Unter den Männern, welche in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahr¬ hunderts die Kunde des Alterthums zu erneuern eifrig beflissen waren, nimmt Cyriacus von Ancona durch seinen Wandertrieb, der, aus einer nach lebendiger Anschauung dürstenden Wißbegierde hervorgegangen, ihn immer wieder in die durch classische Cultur bezeichneten Länder führte, und eine sel¬ tene Vielseitigkeit seiner philologischen Interessen eine eigenthümliche Stellung ein. Es ging ihm später, wie es so manchem Reisenden seit Herodot gegangen ist, er kam in den Ruf eines unzuverlässigen Fabelcrs und prästhaften Auf¬ schneiders, ja eines Fälschers und Betrügers; die Gelehrten, welche die massen¬ haften Täuschungen des Erzbetrügers Pirrv Ligorio gläubig hinnahmen, brachten Cyriacus ihrer Kritik zum Opfer. Bei seinen Zeitgenossen stand er in hohem Ansehen, bedeutende Männer wie Giordano Bruno, Carlo Mar- suppini, Ambrogio Traversari, Flavio Biondo, Francesco Fi- lelso sprachen von ihm mit Auszeichnung; rühmende Zeugnisse angesehener Zeitgenossen in Prosa und Versen hat er mit der überhomerischen Naivetät des Selbstlobes, welches jene Zeit charakterisirt, selbst zusammengestellt. Wenn man von diesen Lobeserhebungen auch ein gutes Theil abziehen muß, so hat es dagegen auch nicht viel zu bedeuten, wenn Poggio, der Cyriacus früher als einen gelehrten, den besten Studien eifrig ergebenen Mann empfohlen hatte, später, als dieser in dem erbitterten Streit, ob Cäsar oder Scipio größer sei, auf Guarinos Seite getreten war, ihn einen anmaßenden, unwissenden, ein¬ fältigen Schwätzer, zudringlich wie eine Fliege, einen hungrigen Bettler, der nur von seinen Schulden lebe, einen zweibeinigen Esel nannte, und wie die Ehrentitel weiter lauten, mit denen Poggio so freigebig war. Manches vom renommirenden Abenteurer scheint er allerdings mit heimgebracht zu haben. Wie das ja den meisten, auch weniger gereisten Humanisten der Renaissance Grenzboten III. 1867. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/11>, abgerufen am 19.05.2024.