Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Nach dem Muster Platos hatte er in einem ausführlichen Werk über die Gesetz¬
gebung einen vollständigen Organismus des Staats- und Familienlebens con-
struirt, welcher auf ein religiöses System begründet war. Im Anschluß an die
Dämonenlehre der Platoniker entwickelt er eine lange Kette göttlicher Wesen
verschiedener Grade, welche mit den bekannten heidnischen Namen von Zeus
bis Hekate auftreten, aber freilich als Repräsentanten seltsamer allegorisch¬
mystischer Vorstellungen. Allen diesen Gottheiten kommt ein nach einem detail-
lirten Ritual bestimmter Cultus zu und das Ganze schließt mit einer Samm¬
lung von prosaischen Gebeten und hexametrischen Hymnen an alle einzelnen
Gottheiten in ganz heidnischer Färbung -- ein merkwürdiges Beispiel von Ver-
irrung des Geistes und Geschmacks.

In ähnlichen Verdacht heidnischen Glaubens und heidnischen Cultus ge-
rieth bekanntlich Pomponius Lätus (geht. 1497) und seine Akademie,
der drohend wurde, weil Paul der Zweite, selbst ein Verehrer antiker
Kunst, ein gefährliches politisches Complot ihrer Mitglieder entdeckt zu haben
glaubte. Indessen ergab die streng geführte Untersuchung, welche auch die
Folter nicht sparte, nach keinerlei Seite bestimmte Jndicien. und die Akademie
bestand auch fernerhin fort. Pomponius Lätus, der berühmteste Grammatiker
seiner Zeit, ein Mann von untadeligem Lebenswandel, der um sich alle ver¬
sammelte, welche für classische Studien Sinn hatten, war ein solcher Verehrer
des römischen Alterthums, daß alles Gegenwärtige ihm als nichtig erschien
und er um sich nur classische Formen duldete. Seinen Garten baute er streng
nach den Vorschriften Varros und Columellas. Bei Festen, wie am Gründungs¬
tage Roms, wurden Stücke des Plautus und Terenz aufgeführt, die Mahlzeiten
wurden nach antiker Weise gefeiert, alle Mitglieder der Akademie mußten sich
einen volltönenden classischen Namen beilegen. Das wurde ihnen schon als heid¬
nisches Verleugnen ihres Namensheiligen vorgeworfen und man wollte wissen, daß
sie auch sonst Heidnische Götter zu Schutzheiligen hätten und bei diesen schwuren.
Das konnte leicht sein, denn die mythologische Nomenklatur war in der Lite¬
ratur gäng und gebe und mußte solchen Klassikern auf der Zunge liegen. Selt¬
sam genug haben die Katakomben verrathen, daß die Akadenue ihre sacrale
Organisation hatte. Diese Gesellschaft von Alterthumsforschern oder Alter-
thumsfreunden. wie sie sich nennen, besuchte im antiquarischen Interesse auch
die Katakomben und sie verewigte dort, auch darin dem Beispiel ihrer classischen
Vorfahren getreu, durch Mauerinschriften ihre Besuche. Da liest man denn,
daß die bekannten Akademiker dort gewesen sind 147S XV 1(^1.. unter
der Regierung des Pontifex Maximus der Akademie Pomponius Lätus und
deren Priester (saoei'äos) Octavius Panthagathus. Nun begreift man, daß
Platina darauf inquirirt wurde, ob er nicht zum Pontifex Maximus designirt
Worden sei, was Paul der Zweite vom Nachfolger auf dem Päpstlichen Stuhl


Nach dem Muster Platos hatte er in einem ausführlichen Werk über die Gesetz¬
gebung einen vollständigen Organismus des Staats- und Familienlebens con-
struirt, welcher auf ein religiöses System begründet war. Im Anschluß an die
Dämonenlehre der Platoniker entwickelt er eine lange Kette göttlicher Wesen
verschiedener Grade, welche mit den bekannten heidnischen Namen von Zeus
bis Hekate auftreten, aber freilich als Repräsentanten seltsamer allegorisch¬
mystischer Vorstellungen. Allen diesen Gottheiten kommt ein nach einem detail-
lirten Ritual bestimmter Cultus zu und das Ganze schließt mit einer Samm¬
lung von prosaischen Gebeten und hexametrischen Hymnen an alle einzelnen
Gottheiten in ganz heidnischer Färbung — ein merkwürdiges Beispiel von Ver-
irrung des Geistes und Geschmacks.

In ähnlichen Verdacht heidnischen Glaubens und heidnischen Cultus ge-
rieth bekanntlich Pomponius Lätus (geht. 1497) und seine Akademie,
der drohend wurde, weil Paul der Zweite, selbst ein Verehrer antiker
Kunst, ein gefährliches politisches Complot ihrer Mitglieder entdeckt zu haben
glaubte. Indessen ergab die streng geführte Untersuchung, welche auch die
Folter nicht sparte, nach keinerlei Seite bestimmte Jndicien. und die Akademie
bestand auch fernerhin fort. Pomponius Lätus, der berühmteste Grammatiker
seiner Zeit, ein Mann von untadeligem Lebenswandel, der um sich alle ver¬
sammelte, welche für classische Studien Sinn hatten, war ein solcher Verehrer
des römischen Alterthums, daß alles Gegenwärtige ihm als nichtig erschien
und er um sich nur classische Formen duldete. Seinen Garten baute er streng
nach den Vorschriften Varros und Columellas. Bei Festen, wie am Gründungs¬
tage Roms, wurden Stücke des Plautus und Terenz aufgeführt, die Mahlzeiten
wurden nach antiker Weise gefeiert, alle Mitglieder der Akademie mußten sich
einen volltönenden classischen Namen beilegen. Das wurde ihnen schon als heid¬
nisches Verleugnen ihres Namensheiligen vorgeworfen und man wollte wissen, daß
sie auch sonst Heidnische Götter zu Schutzheiligen hätten und bei diesen schwuren.
Das konnte leicht sein, denn die mythologische Nomenklatur war in der Lite¬
ratur gäng und gebe und mußte solchen Klassikern auf der Zunge liegen. Selt¬
sam genug haben die Katakomben verrathen, daß die Akadenue ihre sacrale
Organisation hatte. Diese Gesellschaft von Alterthumsforschern oder Alter-
thumsfreunden. wie sie sich nennen, besuchte im antiquarischen Interesse auch
die Katakomben und sie verewigte dort, auch darin dem Beispiel ihrer classischen
Vorfahren getreu, durch Mauerinschriften ihre Besuche. Da liest man denn,
daß die bekannten Akademiker dort gewesen sind 147S XV 1(^1.. unter
der Regierung des Pontifex Maximus der Akademie Pomponius Lätus und
deren Priester (saoei'äos) Octavius Panthagathus. Nun begreift man, daß
Platina darauf inquirirt wurde, ob er nicht zum Pontifex Maximus designirt
Worden sei, was Paul der Zweite vom Nachfolger auf dem Päpstlichen Stuhl


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0018" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191248"/>
          <p xml:id="ID_24" prev="#ID_23"> Nach dem Muster Platos hatte er in einem ausführlichen Werk über die Gesetz¬<lb/>
gebung einen vollständigen Organismus des Staats- und Familienlebens con-<lb/>
struirt, welcher auf ein religiöses System begründet war. Im Anschluß an die<lb/>
Dämonenlehre der Platoniker entwickelt er eine lange Kette göttlicher Wesen<lb/>
verschiedener Grade, welche mit den bekannten heidnischen Namen von Zeus<lb/>
bis Hekate auftreten, aber freilich als Repräsentanten seltsamer allegorisch¬<lb/>
mystischer Vorstellungen. Allen diesen Gottheiten kommt ein nach einem detail-<lb/>
lirten Ritual bestimmter Cultus zu und das Ganze schließt mit einer Samm¬<lb/>
lung von prosaischen Gebeten und hexametrischen Hymnen an alle einzelnen<lb/>
Gottheiten in ganz heidnischer Färbung &#x2014; ein merkwürdiges Beispiel von Ver-<lb/>
irrung des Geistes und Geschmacks.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_25" next="#ID_26"> In ähnlichen Verdacht heidnischen Glaubens und heidnischen Cultus ge-<lb/>
rieth bekanntlich Pomponius Lätus (geht. 1497) und seine Akademie,<lb/>
der drohend wurde, weil Paul der Zweite, selbst ein Verehrer antiker<lb/>
Kunst, ein gefährliches politisches Complot ihrer Mitglieder entdeckt zu haben<lb/>
glaubte. Indessen ergab die streng geführte Untersuchung, welche auch die<lb/>
Folter nicht sparte, nach keinerlei Seite bestimmte Jndicien. und die Akademie<lb/>
bestand auch fernerhin fort. Pomponius Lätus, der berühmteste Grammatiker<lb/>
seiner Zeit, ein Mann von untadeligem Lebenswandel, der um sich alle ver¬<lb/>
sammelte, welche für classische Studien Sinn hatten, war ein solcher Verehrer<lb/>
des römischen Alterthums, daß alles Gegenwärtige ihm als nichtig erschien<lb/>
und er um sich nur classische Formen duldete. Seinen Garten baute er streng<lb/>
nach den Vorschriften Varros und Columellas. Bei Festen, wie am Gründungs¬<lb/>
tage Roms, wurden Stücke des Plautus und Terenz aufgeführt, die Mahlzeiten<lb/>
wurden nach antiker Weise gefeiert, alle Mitglieder der Akademie mußten sich<lb/>
einen volltönenden classischen Namen beilegen. Das wurde ihnen schon als heid¬<lb/>
nisches Verleugnen ihres Namensheiligen vorgeworfen und man wollte wissen, daß<lb/>
sie auch sonst Heidnische Götter zu Schutzheiligen hätten und bei diesen schwuren.<lb/>
Das konnte leicht sein, denn die mythologische Nomenklatur war in der Lite¬<lb/>
ratur gäng und gebe und mußte solchen Klassikern auf der Zunge liegen. Selt¬<lb/>
sam genug haben die Katakomben verrathen, daß die Akadenue ihre sacrale<lb/>
Organisation hatte. Diese Gesellschaft von Alterthumsforschern oder Alter-<lb/>
thumsfreunden. wie sie sich nennen, besuchte im antiquarischen Interesse auch<lb/>
die Katakomben und sie verewigte dort, auch darin dem Beispiel ihrer classischen<lb/>
Vorfahren getreu, durch Mauerinschriften ihre Besuche. Da liest man denn,<lb/>
daß die bekannten Akademiker dort gewesen sind 147S XV 1(^1.. unter<lb/>
der Regierung des Pontifex Maximus der Akademie Pomponius Lätus und<lb/>
deren Priester (saoei'äos) Octavius Panthagathus. Nun begreift man, daß<lb/>
Platina darauf inquirirt wurde, ob er nicht zum Pontifex Maximus designirt<lb/>
Worden sei, was Paul der Zweite vom Nachfolger auf dem Päpstlichen Stuhl</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0018] Nach dem Muster Platos hatte er in einem ausführlichen Werk über die Gesetz¬ gebung einen vollständigen Organismus des Staats- und Familienlebens con- struirt, welcher auf ein religiöses System begründet war. Im Anschluß an die Dämonenlehre der Platoniker entwickelt er eine lange Kette göttlicher Wesen verschiedener Grade, welche mit den bekannten heidnischen Namen von Zeus bis Hekate auftreten, aber freilich als Repräsentanten seltsamer allegorisch¬ mystischer Vorstellungen. Allen diesen Gottheiten kommt ein nach einem detail- lirten Ritual bestimmter Cultus zu und das Ganze schließt mit einer Samm¬ lung von prosaischen Gebeten und hexametrischen Hymnen an alle einzelnen Gottheiten in ganz heidnischer Färbung — ein merkwürdiges Beispiel von Ver- irrung des Geistes und Geschmacks. In ähnlichen Verdacht heidnischen Glaubens und heidnischen Cultus ge- rieth bekanntlich Pomponius Lätus (geht. 1497) und seine Akademie, der drohend wurde, weil Paul der Zweite, selbst ein Verehrer antiker Kunst, ein gefährliches politisches Complot ihrer Mitglieder entdeckt zu haben glaubte. Indessen ergab die streng geführte Untersuchung, welche auch die Folter nicht sparte, nach keinerlei Seite bestimmte Jndicien. und die Akademie bestand auch fernerhin fort. Pomponius Lätus, der berühmteste Grammatiker seiner Zeit, ein Mann von untadeligem Lebenswandel, der um sich alle ver¬ sammelte, welche für classische Studien Sinn hatten, war ein solcher Verehrer des römischen Alterthums, daß alles Gegenwärtige ihm als nichtig erschien und er um sich nur classische Formen duldete. Seinen Garten baute er streng nach den Vorschriften Varros und Columellas. Bei Festen, wie am Gründungs¬ tage Roms, wurden Stücke des Plautus und Terenz aufgeführt, die Mahlzeiten wurden nach antiker Weise gefeiert, alle Mitglieder der Akademie mußten sich einen volltönenden classischen Namen beilegen. Das wurde ihnen schon als heid¬ nisches Verleugnen ihres Namensheiligen vorgeworfen und man wollte wissen, daß sie auch sonst Heidnische Götter zu Schutzheiligen hätten und bei diesen schwuren. Das konnte leicht sein, denn die mythologische Nomenklatur war in der Lite¬ ratur gäng und gebe und mußte solchen Klassikern auf der Zunge liegen. Selt¬ sam genug haben die Katakomben verrathen, daß die Akadenue ihre sacrale Organisation hatte. Diese Gesellschaft von Alterthumsforschern oder Alter- thumsfreunden. wie sie sich nennen, besuchte im antiquarischen Interesse auch die Katakomben und sie verewigte dort, auch darin dem Beispiel ihrer classischen Vorfahren getreu, durch Mauerinschriften ihre Besuche. Da liest man denn, daß die bekannten Akademiker dort gewesen sind 147S XV 1(^1.. unter der Regierung des Pontifex Maximus der Akademie Pomponius Lätus und deren Priester (saoei'äos) Octavius Panthagathus. Nun begreift man, daß Platina darauf inquirirt wurde, ob er nicht zum Pontifex Maximus designirt Worden sei, was Paul der Zweite vom Nachfolger auf dem Päpstlichen Stuhl

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/18
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/18>, abgerufen am 30.05.2024.