Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

war sie gradezu epochemachend für die Entwicklung der Kirche. Die Idee der
kirchlichen Einheit und Centralisation, einer organischen Kirchenverfassung und
Kirchenregierung, die Idee des Episcopats tritt uns in den Homilien zum ersten
Male in Fern einer Doctrin entgegen, und dies ist nun noch das letzte Interesse,
das sich an' die Petrussagen überhaupt knüpft.




Der deutsche Buchhandel der letzten Monate.

Nicht immer ist Ihres Berichterstatters Aufgabe eine leichte. Denn von
dem, was auf den Wogen der Literatur obenauf schwimmt, vermag er manches
nicht als Schaum zu erkennen und vielerlei, das unter der Sonde des Kritikers
nicht Probe halten wird, nennt er. Mehr noch müßte er aber nennen, glaubte
er den Versicherungen vieler Verleger. Ihnen ist nicht selten nur das allein trefflich
und preiswürdig, bei dem sie selbst die literarischen Hebammendienste verrichteten.
Hätten sie recht, so lebten wir in einem goldenen Zeitalter der Literatur, voll
großartiger Erscheinungen vornehmlich auf dem Gebiete der Belletristik und so¬
genannter "populärer" Werke. Dürften wir ihnen stets trauen, so wäre jede
Flaume. die unser Federvieh -- wie Friedrich Perthes scherzweise die Schrift-
steller nennt -- von sich schüttelt, ein Wunder der Schöpfung, so wären
nur diejenigen wirkliche Menschen, die der stereotypen Phrase, daß dieses oder
jenes Buch "für jeden Gebildeten unentbehrlich- sei, aufs Wort glauben. Mit
jedem Buche mehr, welches das geneigte Publikum dem Verleger abkauft, klimmt
es eine Stufe höher hinauf an der Himmelsleiter menschlicher Vollkommenheit,
deren Spitze es nie erreichen soll und kaufte es noch so viele unserer modernsten
" Klassiker".

So hat von den literarischen Erscheinungen, die täglich die Spalten des
Börsenblattes füllen, nur weniges die Aussicht auf ein längeres Leben und viele
Schriftsteller, die stark auf die Gerechtigkeit der Nachwelt hoffen, nachdem sie
der Mitwelt keinen Spaß gemacht, hoffen umsonst. Aber auch viele unsrer
modernen Helden auf dem Gebiete der Belletristik, die mit ängstlicher Sorge
das ewige Autorrecht in Trümmer gehen sehen, dürfen ruhig sein. Wenige
Jahre nur, und die Mode huldigt andern Götzen. Wie viele wird das beginnende
zweite Jahrtausend nachzudrucken der Mühe werth halten? Habe ich doch


war sie gradezu epochemachend für die Entwicklung der Kirche. Die Idee der
kirchlichen Einheit und Centralisation, einer organischen Kirchenverfassung und
Kirchenregierung, die Idee des Episcopats tritt uns in den Homilien zum ersten
Male in Fern einer Doctrin entgegen, und dies ist nun noch das letzte Interesse,
das sich an' die Petrussagen überhaupt knüpft.




Der deutsche Buchhandel der letzten Monate.

Nicht immer ist Ihres Berichterstatters Aufgabe eine leichte. Denn von
dem, was auf den Wogen der Literatur obenauf schwimmt, vermag er manches
nicht als Schaum zu erkennen und vielerlei, das unter der Sonde des Kritikers
nicht Probe halten wird, nennt er. Mehr noch müßte er aber nennen, glaubte
er den Versicherungen vieler Verleger. Ihnen ist nicht selten nur das allein trefflich
und preiswürdig, bei dem sie selbst die literarischen Hebammendienste verrichteten.
Hätten sie recht, so lebten wir in einem goldenen Zeitalter der Literatur, voll
großartiger Erscheinungen vornehmlich auf dem Gebiete der Belletristik und so¬
genannter „populärer" Werke. Dürften wir ihnen stets trauen, so wäre jede
Flaume. die unser Federvieh — wie Friedrich Perthes scherzweise die Schrift-
steller nennt — von sich schüttelt, ein Wunder der Schöpfung, so wären
nur diejenigen wirkliche Menschen, die der stereotypen Phrase, daß dieses oder
jenes Buch „für jeden Gebildeten unentbehrlich- sei, aufs Wort glauben. Mit
jedem Buche mehr, welches das geneigte Publikum dem Verleger abkauft, klimmt
es eine Stufe höher hinauf an der Himmelsleiter menschlicher Vollkommenheit,
deren Spitze es nie erreichen soll und kaufte es noch so viele unserer modernsten
„ Klassiker".

So hat von den literarischen Erscheinungen, die täglich die Spalten des
Börsenblattes füllen, nur weniges die Aussicht auf ein längeres Leben und viele
Schriftsteller, die stark auf die Gerechtigkeit der Nachwelt hoffen, nachdem sie
der Mitwelt keinen Spaß gemacht, hoffen umsonst. Aber auch viele unsrer
modernen Helden auf dem Gebiete der Belletristik, die mit ängstlicher Sorge
das ewige Autorrecht in Trümmer gehen sehen, dürfen ruhig sein. Wenige
Jahre nur, und die Mode huldigt andern Götzen. Wie viele wird das beginnende
zweite Jahrtausend nachzudrucken der Mühe werth halten? Habe ich doch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191422"/>
            <p xml:id="ID_534" prev="#ID_533"> war sie gradezu epochemachend für die Entwicklung der Kirche. Die Idee der<lb/>
kirchlichen Einheit und Centralisation, einer organischen Kirchenverfassung und<lb/>
Kirchenregierung, die Idee des Episcopats tritt uns in den Homilien zum ersten<lb/>
Male in Fern einer Doctrin entgegen, und dies ist nun noch das letzte Interesse,<lb/>
das sich an' die Petrussagen überhaupt knüpft.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der deutsche Buchhandel der letzten Monate.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_535"> Nicht immer ist Ihres Berichterstatters Aufgabe eine leichte. Denn von<lb/>
dem, was auf den Wogen der Literatur obenauf schwimmt, vermag er manches<lb/>
nicht als Schaum zu erkennen und vielerlei, das unter der Sonde des Kritikers<lb/>
nicht Probe halten wird, nennt er. Mehr noch müßte er aber nennen, glaubte<lb/>
er den Versicherungen vieler Verleger. Ihnen ist nicht selten nur das allein trefflich<lb/>
und preiswürdig, bei dem sie selbst die literarischen Hebammendienste verrichteten.<lb/>
Hätten sie recht, so lebten wir in einem goldenen Zeitalter der Literatur, voll<lb/>
großartiger Erscheinungen vornehmlich auf dem Gebiete der Belletristik und so¬<lb/>
genannter &#x201E;populärer" Werke. Dürften wir ihnen stets trauen, so wäre jede<lb/>
Flaume. die unser Federvieh &#x2014; wie Friedrich Perthes scherzweise die Schrift-<lb/>
steller nennt &#x2014; von sich schüttelt, ein Wunder der Schöpfung, so wären<lb/>
nur diejenigen wirkliche Menschen, die der stereotypen Phrase, daß dieses oder<lb/>
jenes Buch &#x201E;für jeden Gebildeten unentbehrlich- sei, aufs Wort glauben. Mit<lb/>
jedem Buche mehr, welches das geneigte Publikum dem Verleger abkauft, klimmt<lb/>
es eine Stufe höher hinauf an der Himmelsleiter menschlicher Vollkommenheit,<lb/>
deren Spitze es nie erreichen soll und kaufte es noch so viele unserer modernsten<lb/>
&#x201E; Klassiker".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_536" next="#ID_537"> So hat von den literarischen Erscheinungen, die täglich die Spalten des<lb/>
Börsenblattes füllen, nur weniges die Aussicht auf ein längeres Leben und viele<lb/>
Schriftsteller, die stark auf die Gerechtigkeit der Nachwelt hoffen, nachdem sie<lb/>
der Mitwelt keinen Spaß gemacht, hoffen umsonst. Aber auch viele unsrer<lb/>
modernen Helden auf dem Gebiete der Belletristik, die mit ängstlicher Sorge<lb/>
das ewige Autorrecht in Trümmer gehen sehen, dürfen ruhig sein. Wenige<lb/>
Jahre nur, und die Mode huldigt andern Götzen. Wie viele wird das beginnende<lb/>
zweite Jahrtausend nachzudrucken der Mühe werth halten? Habe ich doch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0192] war sie gradezu epochemachend für die Entwicklung der Kirche. Die Idee der kirchlichen Einheit und Centralisation, einer organischen Kirchenverfassung und Kirchenregierung, die Idee des Episcopats tritt uns in den Homilien zum ersten Male in Fern einer Doctrin entgegen, und dies ist nun noch das letzte Interesse, das sich an' die Petrussagen überhaupt knüpft. Der deutsche Buchhandel der letzten Monate. Nicht immer ist Ihres Berichterstatters Aufgabe eine leichte. Denn von dem, was auf den Wogen der Literatur obenauf schwimmt, vermag er manches nicht als Schaum zu erkennen und vielerlei, das unter der Sonde des Kritikers nicht Probe halten wird, nennt er. Mehr noch müßte er aber nennen, glaubte er den Versicherungen vieler Verleger. Ihnen ist nicht selten nur das allein trefflich und preiswürdig, bei dem sie selbst die literarischen Hebammendienste verrichteten. Hätten sie recht, so lebten wir in einem goldenen Zeitalter der Literatur, voll großartiger Erscheinungen vornehmlich auf dem Gebiete der Belletristik und so¬ genannter „populärer" Werke. Dürften wir ihnen stets trauen, so wäre jede Flaume. die unser Federvieh — wie Friedrich Perthes scherzweise die Schrift- steller nennt — von sich schüttelt, ein Wunder der Schöpfung, so wären nur diejenigen wirkliche Menschen, die der stereotypen Phrase, daß dieses oder jenes Buch „für jeden Gebildeten unentbehrlich- sei, aufs Wort glauben. Mit jedem Buche mehr, welches das geneigte Publikum dem Verleger abkauft, klimmt es eine Stufe höher hinauf an der Himmelsleiter menschlicher Vollkommenheit, deren Spitze es nie erreichen soll und kaufte es noch so viele unserer modernsten „ Klassiker". So hat von den literarischen Erscheinungen, die täglich die Spalten des Börsenblattes füllen, nur weniges die Aussicht auf ein längeres Leben und viele Schriftsteller, die stark auf die Gerechtigkeit der Nachwelt hoffen, nachdem sie der Mitwelt keinen Spaß gemacht, hoffen umsonst. Aber auch viele unsrer modernen Helden auf dem Gebiete der Belletristik, die mit ängstlicher Sorge das ewige Autorrecht in Trümmer gehen sehen, dürfen ruhig sein. Wenige Jahre nur, und die Mode huldigt andern Götzen. Wie viele wird das beginnende zweite Jahrtausend nachzudrucken der Mühe werth halten? Habe ich doch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/192
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/192>, abgerufen am 12.06.2024.