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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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den Gegner der neuen Zustände aber sind noch mehr als zu viel. Wir gehören
zwar nicht zu denen, welche darum bereits Gefahren fürchten, wir glauben nicht
an irgend nennenswerthe Betheiligung bei einer welfischen Legion im Bünd-
niß mit dem Landesfemde, wir glauben noch weniger an Aufstände in Hannover
für den Fall eines Krieges und haben die feste Zuversicht, daß die neue Re¬
gierung an dem einsichtigen und patriotischen TheUe der Bevölkerung eine viel
zu feste Stütze hat, um nicht die mißgestimmten Elemente auch ohne alle
militärische Hilfe im Zaume halten zu können: aber wir wissen auch, daß
Befangenheit und Kurzsichtigkeit des politischen Urtheils einen beträchtlichen
Theil der Bevölkerung daran verhindern, ihre Kräfte dem Wohl des Ganzen,
wie der heimischen Provinz zu widmen und zur Ehrung der Schwierigkeiten,
die mit jedem Uebergangsstadium verbunden sind, an ihrem Theile beizutragen,
wir wissen, daß manche brauchbare Kräfte sich in unfruchtbarem Groll über
das Nothwendige verzehren.

Schauen wir uns diese ungefährlichen Mißvergnügten etwas näher an!
" Abgesehen von den starr doctrinären Demokraten, die an ihrer selbstgemachten
Schablone festhalten, ob auch die Welt darüber untergeht, giebt es in Hannover
hauptsächlich drei Classen von Unzufriedenen.

Einmal die entschiedenen Legitimisten, die die Person des Fürsten von dem
Staat und dem Lande nicht zu trennen vermögen, für die es noch fortwährend
ein selbständiges Königreich Hannover giebt, die von Hietzing ihre Befehle er¬
halten, und die mit äußerster Schroffheit jede Beziehung zu der neuen Regie¬
rung ablehnen und diese für eine verabscheuungswürdige Usurpation erklären.
Solcher sonderbarer Schwärmer giebt es gottlob nicht viele; es gehören dazu
ein Theil des Adels, wenige vereinzelte Geistliche und einige frühere Offiziere.
Vor solchen Leuten, die einen wenn auch falschen Standpunkt mit einer an
Starrsinn grenzenden Consequenz festhalten, kann man wenigstens Achtung haben,
zumal wenn sie, was allerdings nur Ausnahme, persönliche Opfer für Festhaltung
ihres Princips zu bringen im Stande sind. Diese Gesinnung, meist mit reli¬
giöser Schwärmerei und Intoleranz verbunden, macht sich namentlich auch bei
den Frauen vielfach geltend und wird oft zur Caricaiur. Nun, die kleine Zahl
dieser Schwärmer wird nie gefährlich werden; dafür sorgt schon der Geist des
neunzehnten Jahrhunderts.

Die zweite, namentlich in der Stadt Hannover stark vertretene Classe der
Mißvergnügten bilden die eigentlichen Particularisten vom reinen Wasser; die
nicht so sehr sür die Dynastie, als für daS Land Hannover schwärmen, die für
nichts in der Welt Sinn haben, als für ihr Vaterländchen und ihre Vaterstadt,
die gegen Preußen einen tief gewurzelten Haß haben, die beim Anblick der
deutschen oder gar preußischen Farbe Krämpfe bekommen, die Hannover recht
eigentlich für das Reich der Mitte ansehen, die es für unpatriotisch halten, Berlin


den Gegner der neuen Zustände aber sind noch mehr als zu viel. Wir gehören
zwar nicht zu denen, welche darum bereits Gefahren fürchten, wir glauben nicht
an irgend nennenswerthe Betheiligung bei einer welfischen Legion im Bünd-
niß mit dem Landesfemde, wir glauben noch weniger an Aufstände in Hannover
für den Fall eines Krieges und haben die feste Zuversicht, daß die neue Re¬
gierung an dem einsichtigen und patriotischen TheUe der Bevölkerung eine viel
zu feste Stütze hat, um nicht die mißgestimmten Elemente auch ohne alle
militärische Hilfe im Zaume halten zu können: aber wir wissen auch, daß
Befangenheit und Kurzsichtigkeit des politischen Urtheils einen beträchtlichen
Theil der Bevölkerung daran verhindern, ihre Kräfte dem Wohl des Ganzen,
wie der heimischen Provinz zu widmen und zur Ehrung der Schwierigkeiten,
die mit jedem Uebergangsstadium verbunden sind, an ihrem Theile beizutragen,
wir wissen, daß manche brauchbare Kräfte sich in unfruchtbarem Groll über
das Nothwendige verzehren.

Schauen wir uns diese ungefährlichen Mißvergnügten etwas näher an!
» Abgesehen von den starr doctrinären Demokraten, die an ihrer selbstgemachten
Schablone festhalten, ob auch die Welt darüber untergeht, giebt es in Hannover
hauptsächlich drei Classen von Unzufriedenen.

Einmal die entschiedenen Legitimisten, die die Person des Fürsten von dem
Staat und dem Lande nicht zu trennen vermögen, für die es noch fortwährend
ein selbständiges Königreich Hannover giebt, die von Hietzing ihre Befehle er¬
halten, und die mit äußerster Schroffheit jede Beziehung zu der neuen Regie¬
rung ablehnen und diese für eine verabscheuungswürdige Usurpation erklären.
Solcher sonderbarer Schwärmer giebt es gottlob nicht viele; es gehören dazu
ein Theil des Adels, wenige vereinzelte Geistliche und einige frühere Offiziere.
Vor solchen Leuten, die einen wenn auch falschen Standpunkt mit einer an
Starrsinn grenzenden Consequenz festhalten, kann man wenigstens Achtung haben,
zumal wenn sie, was allerdings nur Ausnahme, persönliche Opfer für Festhaltung
ihres Princips zu bringen im Stande sind. Diese Gesinnung, meist mit reli¬
giöser Schwärmerei und Intoleranz verbunden, macht sich namentlich auch bei
den Frauen vielfach geltend und wird oft zur Caricaiur. Nun, die kleine Zahl
dieser Schwärmer wird nie gefährlich werden; dafür sorgt schon der Geist des
neunzehnten Jahrhunderts.

Die zweite, namentlich in der Stadt Hannover stark vertretene Classe der
Mißvergnügten bilden die eigentlichen Particularisten vom reinen Wasser; die
nicht so sehr sür die Dynastie, als für daS Land Hannover schwärmen, die für
nichts in der Welt Sinn haben, als für ihr Vaterländchen und ihre Vaterstadt,
die gegen Preußen einen tief gewurzelten Haß haben, die beim Anblick der
deutschen oder gar preußischen Farbe Krämpfe bekommen, die Hannover recht
eigentlich für das Reich der Mitte ansehen, die es für unpatriotisch halten, Berlin


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[0359] den Gegner der neuen Zustände aber sind noch mehr als zu viel. Wir gehören zwar nicht zu denen, welche darum bereits Gefahren fürchten, wir glauben nicht an irgend nennenswerthe Betheiligung bei einer welfischen Legion im Bünd- niß mit dem Landesfemde, wir glauben noch weniger an Aufstände in Hannover für den Fall eines Krieges und haben die feste Zuversicht, daß die neue Re¬ gierung an dem einsichtigen und patriotischen TheUe der Bevölkerung eine viel zu feste Stütze hat, um nicht die mißgestimmten Elemente auch ohne alle militärische Hilfe im Zaume halten zu können: aber wir wissen auch, daß Befangenheit und Kurzsichtigkeit des politischen Urtheils einen beträchtlichen Theil der Bevölkerung daran verhindern, ihre Kräfte dem Wohl des Ganzen, wie der heimischen Provinz zu widmen und zur Ehrung der Schwierigkeiten, die mit jedem Uebergangsstadium verbunden sind, an ihrem Theile beizutragen, wir wissen, daß manche brauchbare Kräfte sich in unfruchtbarem Groll über das Nothwendige verzehren. Schauen wir uns diese ungefährlichen Mißvergnügten etwas näher an! » Abgesehen von den starr doctrinären Demokraten, die an ihrer selbstgemachten Schablone festhalten, ob auch die Welt darüber untergeht, giebt es in Hannover hauptsächlich drei Classen von Unzufriedenen. Einmal die entschiedenen Legitimisten, die die Person des Fürsten von dem Staat und dem Lande nicht zu trennen vermögen, für die es noch fortwährend ein selbständiges Königreich Hannover giebt, die von Hietzing ihre Befehle er¬ halten, und die mit äußerster Schroffheit jede Beziehung zu der neuen Regie¬ rung ablehnen und diese für eine verabscheuungswürdige Usurpation erklären. Solcher sonderbarer Schwärmer giebt es gottlob nicht viele; es gehören dazu ein Theil des Adels, wenige vereinzelte Geistliche und einige frühere Offiziere. Vor solchen Leuten, die einen wenn auch falschen Standpunkt mit einer an Starrsinn grenzenden Consequenz festhalten, kann man wenigstens Achtung haben, zumal wenn sie, was allerdings nur Ausnahme, persönliche Opfer für Festhaltung ihres Princips zu bringen im Stande sind. Diese Gesinnung, meist mit reli¬ giöser Schwärmerei und Intoleranz verbunden, macht sich namentlich auch bei den Frauen vielfach geltend und wird oft zur Caricaiur. Nun, die kleine Zahl dieser Schwärmer wird nie gefährlich werden; dafür sorgt schon der Geist des neunzehnten Jahrhunderts. Die zweite, namentlich in der Stadt Hannover stark vertretene Classe der Mißvergnügten bilden die eigentlichen Particularisten vom reinen Wasser; die nicht so sehr sür die Dynastie, als für daS Land Hannover schwärmen, die für nichts in der Welt Sinn haben, als für ihr Vaterländchen und ihre Vaterstadt, die gegen Preußen einen tief gewurzelten Haß haben, die beim Anblick der deutschen oder gar preußischen Farbe Krämpfe bekommen, die Hannover recht eigentlich für das Reich der Mitte ansehen, die es für unpatriotisch halten, Berlin

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/359>, abgerufen am 30.05.2024.