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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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(vor Knirims "Harzmalerei der Alten") nicht zum Beste" ausgefallen, ein
Kupferstich MechelS verschollen oder vielleicht nie fertig geworden, ein neuecer
großer Stich Rud. Rahns Hort und metallen gerathen, ein kleinerer desselben
Künstlers (vor Justis "Winckelmann" Band I) vollends ganz mißlungen ist,
wäre es in der That verdienstlich gewesen, auf jenen Wunsch Winckelmanns
zurückzukommen und dieses prächtige, überdies der Entstehung der "Allegorie"
gleichzeitige Bild, von dem es sehr wohl gelungene Photographien giebt, in
einer treuen, wenn auch kleinen und anspruchslosen Nachbildung zu verbreiten.

Unser zweites Erstaunen gilt der Person des Vorredners. Wie kommt
Sau! unter die Propheten? Was hat der Entdecker der Sinaihandschrift mit
Winckelmanns Versuch einer Allegorie zu thun? Was mag den unermüdlichen
Abschreiber und Herausgeber immer neuer Bibelhandschriften bewogen haben
seine Bemühungen nun auch der Archäologie zu Gute kommen zu lassen? Auch
dieses Räthsel müssen wir ungelöst lassen, denn vergebens haben wir uns in
der drei Seiten langen Vorbemerkung nach irgenbetmas umgesehen, was nicht
ebensogut und natürlicher der Herausgeber Dressel selbst seinen Lesern mitge¬
theilt hätte. Wollte Tischendorf seinen Freund dem großen Publikum (denn
den Gelehrten ist er längst bekannt und vielleicht auch jenem als langjähriger
römischer Korrespondent der Allgemeinen Zntung) mit dem ganzen Gewicht
seiner berühmten Persönlichkeit empfehlen? Das war unnöthig, da Dressel hier
nur als Herausgeber eines fremden Buches auftritt; und wozu dann alle die
anderen Worte der Vorbemerkung? Oder sollte vielleicht irgendjemand es
schicklich gefunden haben, gleichwie Winckelmann selbst seinem Buche die Wid¬
mung an die göttinger Akademie nach pindarischen Worte als "weithin strah¬
lende Säulenhalle" vorsetzte, so auch dem Werke des einfachen Privatgelehrten
Johann Winckelmann durch den reichbesternten Namen Konstantin Tischendorss
einigen Glanz zu verleihen? Nun wir sind allerdings sehr daran gewöhnt
worden, diesen Namen in zahllosen Artikeln wissenschaftlicher wie unwissenschaft¬
licher Blätter, in selbstverfaßten und fremden Anzeigen, Recensionen, Correspon-
denzen, Nciseschildcrungcn u. s. w. uns immer wieder vorführen zu lassen;
sollte aber Winckelmann wirtlich eines solchen auf seine Brust gehefteten Schmuckes
bedürfen?

Indessen scheint es fast, als ob die vorliegende Ausgabe in der That eine
entschuldigende Einführung gebrauchen könnte. "Es ist bekannt," berichtet der
Vorredner, "daß dieser Versuch einer Allegorie nicht zu den gelungensten Ar¬
beiten Winckelmanns gezählt wird; seine Erklärungen finden viele allzu gesucht,
um Annahme zu verdienen." Letztere Bemerkung wird man wohl nicht ohne
einiges Lächeln ob der tiefen Sachkenntniß lesen; sollte es wirklich nur dieser
Grund sein? Und wie stellt sich denn Konstantin Tischendorf zu diesem Ur¬
theil, das er als Vorredner eines neuen Abdrucks doch zu widerlegen oder


(vor Knirims „Harzmalerei der Alten") nicht zum Beste» ausgefallen, ein
Kupferstich MechelS verschollen oder vielleicht nie fertig geworden, ein neuecer
großer Stich Rud. Rahns Hort und metallen gerathen, ein kleinerer desselben
Künstlers (vor Justis „Winckelmann" Band I) vollends ganz mißlungen ist,
wäre es in der That verdienstlich gewesen, auf jenen Wunsch Winckelmanns
zurückzukommen und dieses prächtige, überdies der Entstehung der „Allegorie"
gleichzeitige Bild, von dem es sehr wohl gelungene Photographien giebt, in
einer treuen, wenn auch kleinen und anspruchslosen Nachbildung zu verbreiten.

Unser zweites Erstaunen gilt der Person des Vorredners. Wie kommt
Sau! unter die Propheten? Was hat der Entdecker der Sinaihandschrift mit
Winckelmanns Versuch einer Allegorie zu thun? Was mag den unermüdlichen
Abschreiber und Herausgeber immer neuer Bibelhandschriften bewogen haben
seine Bemühungen nun auch der Archäologie zu Gute kommen zu lassen? Auch
dieses Räthsel müssen wir ungelöst lassen, denn vergebens haben wir uns in
der drei Seiten langen Vorbemerkung nach irgenbetmas umgesehen, was nicht
ebensogut und natürlicher der Herausgeber Dressel selbst seinen Lesern mitge¬
theilt hätte. Wollte Tischendorf seinen Freund dem großen Publikum (denn
den Gelehrten ist er längst bekannt und vielleicht auch jenem als langjähriger
römischer Korrespondent der Allgemeinen Zntung) mit dem ganzen Gewicht
seiner berühmten Persönlichkeit empfehlen? Das war unnöthig, da Dressel hier
nur als Herausgeber eines fremden Buches auftritt; und wozu dann alle die
anderen Worte der Vorbemerkung? Oder sollte vielleicht irgendjemand es
schicklich gefunden haben, gleichwie Winckelmann selbst seinem Buche die Wid¬
mung an die göttinger Akademie nach pindarischen Worte als „weithin strah¬
lende Säulenhalle" vorsetzte, so auch dem Werke des einfachen Privatgelehrten
Johann Winckelmann durch den reichbesternten Namen Konstantin Tischendorss
einigen Glanz zu verleihen? Nun wir sind allerdings sehr daran gewöhnt
worden, diesen Namen in zahllosen Artikeln wissenschaftlicher wie unwissenschaft¬
licher Blätter, in selbstverfaßten und fremden Anzeigen, Recensionen, Correspon-
denzen, Nciseschildcrungcn u. s. w. uns immer wieder vorführen zu lassen;
sollte aber Winckelmann wirtlich eines solchen auf seine Brust gehefteten Schmuckes
bedürfen?

Indessen scheint es fast, als ob die vorliegende Ausgabe in der That eine
entschuldigende Einführung gebrauchen könnte. „Es ist bekannt," berichtet der
Vorredner, „daß dieser Versuch einer Allegorie nicht zu den gelungensten Ar¬
beiten Winckelmanns gezählt wird; seine Erklärungen finden viele allzu gesucht,
um Annahme zu verdienen." Letztere Bemerkung wird man wohl nicht ohne
einiges Lächeln ob der tiefen Sachkenntniß lesen; sollte es wirklich nur dieser
Grund sein? Und wie stellt sich denn Konstantin Tischendorf zu diesem Ur¬
theil, das er als Vorredner eines neuen Abdrucks doch zu widerlegen oder


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[0504] (vor Knirims „Harzmalerei der Alten") nicht zum Beste» ausgefallen, ein Kupferstich MechelS verschollen oder vielleicht nie fertig geworden, ein neuecer großer Stich Rud. Rahns Hort und metallen gerathen, ein kleinerer desselben Künstlers (vor Justis „Winckelmann" Band I) vollends ganz mißlungen ist, wäre es in der That verdienstlich gewesen, auf jenen Wunsch Winckelmanns zurückzukommen und dieses prächtige, überdies der Entstehung der „Allegorie" gleichzeitige Bild, von dem es sehr wohl gelungene Photographien giebt, in einer treuen, wenn auch kleinen und anspruchslosen Nachbildung zu verbreiten. Unser zweites Erstaunen gilt der Person des Vorredners. Wie kommt Sau! unter die Propheten? Was hat der Entdecker der Sinaihandschrift mit Winckelmanns Versuch einer Allegorie zu thun? Was mag den unermüdlichen Abschreiber und Herausgeber immer neuer Bibelhandschriften bewogen haben seine Bemühungen nun auch der Archäologie zu Gute kommen zu lassen? Auch dieses Räthsel müssen wir ungelöst lassen, denn vergebens haben wir uns in der drei Seiten langen Vorbemerkung nach irgenbetmas umgesehen, was nicht ebensogut und natürlicher der Herausgeber Dressel selbst seinen Lesern mitge¬ theilt hätte. Wollte Tischendorf seinen Freund dem großen Publikum (denn den Gelehrten ist er längst bekannt und vielleicht auch jenem als langjähriger römischer Korrespondent der Allgemeinen Zntung) mit dem ganzen Gewicht seiner berühmten Persönlichkeit empfehlen? Das war unnöthig, da Dressel hier nur als Herausgeber eines fremden Buches auftritt; und wozu dann alle die anderen Worte der Vorbemerkung? Oder sollte vielleicht irgendjemand es schicklich gefunden haben, gleichwie Winckelmann selbst seinem Buche die Wid¬ mung an die göttinger Akademie nach pindarischen Worte als „weithin strah¬ lende Säulenhalle" vorsetzte, so auch dem Werke des einfachen Privatgelehrten Johann Winckelmann durch den reichbesternten Namen Konstantin Tischendorss einigen Glanz zu verleihen? Nun wir sind allerdings sehr daran gewöhnt worden, diesen Namen in zahllosen Artikeln wissenschaftlicher wie unwissenschaft¬ licher Blätter, in selbstverfaßten und fremden Anzeigen, Recensionen, Correspon- denzen, Nciseschildcrungcn u. s. w. uns immer wieder vorführen zu lassen; sollte aber Winckelmann wirtlich eines solchen auf seine Brust gehefteten Schmuckes bedürfen? Indessen scheint es fast, als ob die vorliegende Ausgabe in der That eine entschuldigende Einführung gebrauchen könnte. „Es ist bekannt," berichtet der Vorredner, „daß dieser Versuch einer Allegorie nicht zu den gelungensten Ar¬ beiten Winckelmanns gezählt wird; seine Erklärungen finden viele allzu gesucht, um Annahme zu verdienen." Letztere Bemerkung wird man wohl nicht ohne einiges Lächeln ob der tiefen Sachkenntniß lesen; sollte es wirklich nur dieser Grund sein? Und wie stellt sich denn Konstantin Tischendorf zu diesem Ur¬ theil, das er als Vorredner eines neuen Abdrucks doch zu widerlegen oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/504>, abgerufen am 19.05.2024.