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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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es wesentliche Grundlagen seiner staatlichen Existenz auch nur der Berathung
eines Parlaments unterbreitete. Weder durch den Vorbehalt der freien Be>
schlußnahme über die aus der Berathung hervorgehende Verfassung, noch durch
sonstige Cautelen lasse sich die Zuversicht begründen, daß es gelingen werde,
das Land bei seinem Rechte zu erhalten. Die Frage, ob die der Oberaufsicht und Ge¬
setzgebung der Bundesgewalt zu überweisenden Gegenstände nach beendigter Be¬
rathung mit dem Reichstage noch zu verfassungsmäßiger Erledigung auf dem mecklen¬
burgischen Landtage mit Effect gebracht werden könnten, würde später in noch
höherem Maße eine Frage der Macht, nicht des Rechtes sein.

Die große Mehrzahl der Ständemitglieder scheute sich zwar vor einem so
entschiedenen Auftreten und glaubte die Zustimmung zu dem Bündnisse unter
den obwaltenden Umständen nicht wohl versagen zu können. Aber sie umgab
diese Zustimmung mit einer Menge von Bedenken, Wünschen und Bitten, die,
falls sie unberücksichtigt blieben, bei der schließlichen Berathung leicht das Mo¬
tiv für eine ablehnende Erklärung hätten bilden können. Die Führer dieser
Partei waren die Landräthe v. Rieden-Galenbeck, Graf v. Basse Witz.
Schwiessel und v. Stralendorff-Gamehl, serner die Herren v. Flotow-
Kogel. v. Bost-Cramonshagen und v. Oertzen-Brunn.

Ihrem wesentlichen Inhalte nach liefen die vom Landtage zum Beschluß
erhobenen Anträge dieser Partei auf Folgendes hinaus:

Es ward zunächst eine Bestimmung der Bundesverfassung gewünscht, wo¬
nach die in den "Grundzügen" vom 10. Juni v. I. der Kompetenz der Bun¬
desgewalt überwiesenen Gegenstände das Maximum dieser Kompetenz für im¬
mer bilden sollten. Die Frage ob und unter welchen Bedingungen der An¬
schluß Mecklenburgs an den deutschen Zollverein stattzufinden habe, sollte
von der freien Zustimmung der Stände abhängig bleiben, und ebenso wurde
gegen die Unterordnung Mecklenburgs unter die Zoll- und Handelsgesetzgebung
der Bundesgewalt Widerspruch erhoben. Die Bestimmung, daß die Wahlen
für das Parlament nach dem Reichswahlgesetze vom 12. April 1849 vorge¬
nommen werden sollten, wurde als "sehr bedenklich" bezeichnet. In Betreff der
allgemeinen directen Wahlen wurde bemerkt, daß sie keine Garantie für
ein dem ernsten und wichtigen Zwecke entsprechendes Ergebniß gewährten, das¬
selbe vielmehr lediglich dem Zufall überlieferten. Für das künftige definitive
Wahlgesetz müsse daher eine diese Bedenken beseitigende Grundlage angenom¬
men werden. Sehr ernste Bedenken wurden ferner gegen die Ausdehnung der
Competenz der Bundesgewalt auf die Gesetzgebung über Freizügigkeit,
Heimaths- und Niederlassungsrecht und Gewerbebetrieb geltend
gemacht. Diese Bestimmung enthalte einen unzulässigen Eingriff in eigenthüm¬
liche einheimische Verhältnisse und werde namentlich für die Städte die drückend¬
sten Uebelstände herbeiführen. Jedenfalls müsse für die einheimischen Verhältnisse


es wesentliche Grundlagen seiner staatlichen Existenz auch nur der Berathung
eines Parlaments unterbreitete. Weder durch den Vorbehalt der freien Be>
schlußnahme über die aus der Berathung hervorgehende Verfassung, noch durch
sonstige Cautelen lasse sich die Zuversicht begründen, daß es gelingen werde,
das Land bei seinem Rechte zu erhalten. Die Frage, ob die der Oberaufsicht und Ge¬
setzgebung der Bundesgewalt zu überweisenden Gegenstände nach beendigter Be¬
rathung mit dem Reichstage noch zu verfassungsmäßiger Erledigung auf dem mecklen¬
burgischen Landtage mit Effect gebracht werden könnten, würde später in noch
höherem Maße eine Frage der Macht, nicht des Rechtes sein.

Die große Mehrzahl der Ständemitglieder scheute sich zwar vor einem so
entschiedenen Auftreten und glaubte die Zustimmung zu dem Bündnisse unter
den obwaltenden Umständen nicht wohl versagen zu können. Aber sie umgab
diese Zustimmung mit einer Menge von Bedenken, Wünschen und Bitten, die,
falls sie unberücksichtigt blieben, bei der schließlichen Berathung leicht das Mo¬
tiv für eine ablehnende Erklärung hätten bilden können. Die Führer dieser
Partei waren die Landräthe v. Rieden-Galenbeck, Graf v. Basse Witz.
Schwiessel und v. Stralendorff-Gamehl, serner die Herren v. Flotow-
Kogel. v. Bost-Cramonshagen und v. Oertzen-Brunn.

Ihrem wesentlichen Inhalte nach liefen die vom Landtage zum Beschluß
erhobenen Anträge dieser Partei auf Folgendes hinaus:

Es ward zunächst eine Bestimmung der Bundesverfassung gewünscht, wo¬
nach die in den „Grundzügen" vom 10. Juni v. I. der Kompetenz der Bun¬
desgewalt überwiesenen Gegenstände das Maximum dieser Kompetenz für im¬
mer bilden sollten. Die Frage ob und unter welchen Bedingungen der An¬
schluß Mecklenburgs an den deutschen Zollverein stattzufinden habe, sollte
von der freien Zustimmung der Stände abhängig bleiben, und ebenso wurde
gegen die Unterordnung Mecklenburgs unter die Zoll- und Handelsgesetzgebung
der Bundesgewalt Widerspruch erhoben. Die Bestimmung, daß die Wahlen
für das Parlament nach dem Reichswahlgesetze vom 12. April 1849 vorge¬
nommen werden sollten, wurde als „sehr bedenklich" bezeichnet. In Betreff der
allgemeinen directen Wahlen wurde bemerkt, daß sie keine Garantie für
ein dem ernsten und wichtigen Zwecke entsprechendes Ergebniß gewährten, das¬
selbe vielmehr lediglich dem Zufall überlieferten. Für das künftige definitive
Wahlgesetz müsse daher eine diese Bedenken beseitigende Grundlage angenom¬
men werden. Sehr ernste Bedenken wurden ferner gegen die Ausdehnung der
Competenz der Bundesgewalt auf die Gesetzgebung über Freizügigkeit,
Heimaths- und Niederlassungsrecht und Gewerbebetrieb geltend
gemacht. Diese Bestimmung enthalte einen unzulässigen Eingriff in eigenthüm¬
liche einheimische Verhältnisse und werde namentlich für die Städte die drückend¬
sten Uebelstände herbeiführen. Jedenfalls müsse für die einheimischen Verhältnisse


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/74>, abgerufen am 19.05.2024.