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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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und die Venetianer. die ihn lange ihren Proconsul nannten, erzählten von ihm
grade das Gegentheil. Während der concordatlichen Zeit Bachs war er Handels¬
minister und zur Annahme des Portefeuilles von Tirol, das er anfänglich aus¬
schlug, soll ihn namentlich sein viel verkannter Landsmann Bernhard Ritter
v. Meyer beredet haben.

Dem Grafen Belcredi, der. in seinem uneigennützigen Amtseifer drei
Ministergehalte in die Tasche schob, ahnte nichts Gutes von dem am 2. Jänner
d. I. unternommenen Experimente einer außerordentlichen Reichsversammlung.
Die Deutschen in Oestreich beschuldigten ihn eines offenbaren Verfassungsbruchs
und der immer klarer hervortretenden Umkehr zum Absolutismus. Kam die
neue Reichsversammlung zu Stande, so war das Februarpatent aufgehoben,
und da sie über die Verfassungsfrage nur berathen durfte, stand es der Krone
frei, was sie noch gewähren wollte. Diesem Schalten des bloßen Beliebens
bot das große Beamtenheer in Oestreich, wovon alle, die 630 Gulden ö. W.
mindestens an jährlichem Gehalt beziehen, wahlberechtigt sind, eine bequeme
Handhabe, der czechische Minister erklärte somit allen denen, die ein so dankens-
werthes Brod des Staates aßen, es sei bei den Wahlen "ihr Beruf, die In¬
tentionen der Regierung zu unterstützen und auszuführen und nicht feindselig
gegen dieselben aufzutreten". Dem neuen Statthalter von Tirol schien aber
dieser Befehl noch lange nicht klar und eindringlich genug, er glaubte ihn daher
durch einen geheimen Erlaß vom 22. Jänner noch näher intimiren und ins
Tirolische übersetzen zu müssen.

Die Beseitigung der Februarverfassung war auch der sehnlichste Wunsch
der schwarzen Cohorte, denn der dann nach ihrer Meinung wieder an die Reihe
kommende Föderalismus verbürgte ihr unbedingte Herrschaft. Sie hißte daher
wieder, wie bei jedem Umschwung der Dinge, die Fahne des Propheten auf
und belehrte das unmündige Volk von der Kanzel und im Beichtstuhle, es gelte
bei der neuen Reichsverfassung nur die Wahrung der Glaubenseinheit und des
ewigen Seelenheiles; ihre Sendlinge hielten Wahlversammlungen und Trink¬
gelage, wie z. B. der ReUgionslehrer Greuter, und an vielen Orten wußten es
die frommen Hirten so einzurichten, daß die zahme Heerde sie selbst zu Wahl¬
männern erkor. Die Leute, die sie zu Abgeordneten vorschlugen, durften auch
auf den Beifall der innsbrucker Präsidialkanzlei rechnen. Zu diesen gehörte
unter andern der Hofhistoriograph Pater Albert Jäger, zu dessen Gunsten die
Klerikalen in schwatz mit Abänderung der gesetzlichen Wahlart die Zahl der
Wähler auf weniger als die Hälfte der wirklich berechtigten zu beschränken
wußten, und die Behörde, welche "die Legalität des Wahlactes der Wahlmänner
zu constatiren" berufen war, nahm daran nicht den geringsten Anstoß. Am
entschiedensten schritt der Statthalter selbst bei der Wahl der Abgeordneten für
den adeligen großen Grundbesitz ein. Aus Wälschtirol waren nur sieben Wähler


und die Venetianer. die ihn lange ihren Proconsul nannten, erzählten von ihm
grade das Gegentheil. Während der concordatlichen Zeit Bachs war er Handels¬
minister und zur Annahme des Portefeuilles von Tirol, das er anfänglich aus¬
schlug, soll ihn namentlich sein viel verkannter Landsmann Bernhard Ritter
v. Meyer beredet haben.

Dem Grafen Belcredi, der. in seinem uneigennützigen Amtseifer drei
Ministergehalte in die Tasche schob, ahnte nichts Gutes von dem am 2. Jänner
d. I. unternommenen Experimente einer außerordentlichen Reichsversammlung.
Die Deutschen in Oestreich beschuldigten ihn eines offenbaren Verfassungsbruchs
und der immer klarer hervortretenden Umkehr zum Absolutismus. Kam die
neue Reichsversammlung zu Stande, so war das Februarpatent aufgehoben,
und da sie über die Verfassungsfrage nur berathen durfte, stand es der Krone
frei, was sie noch gewähren wollte. Diesem Schalten des bloßen Beliebens
bot das große Beamtenheer in Oestreich, wovon alle, die 630 Gulden ö. W.
mindestens an jährlichem Gehalt beziehen, wahlberechtigt sind, eine bequeme
Handhabe, der czechische Minister erklärte somit allen denen, die ein so dankens-
werthes Brod des Staates aßen, es sei bei den Wahlen „ihr Beruf, die In¬
tentionen der Regierung zu unterstützen und auszuführen und nicht feindselig
gegen dieselben aufzutreten". Dem neuen Statthalter von Tirol schien aber
dieser Befehl noch lange nicht klar und eindringlich genug, er glaubte ihn daher
durch einen geheimen Erlaß vom 22. Jänner noch näher intimiren und ins
Tirolische übersetzen zu müssen.

Die Beseitigung der Februarverfassung war auch der sehnlichste Wunsch
der schwarzen Cohorte, denn der dann nach ihrer Meinung wieder an die Reihe
kommende Föderalismus verbürgte ihr unbedingte Herrschaft. Sie hißte daher
wieder, wie bei jedem Umschwung der Dinge, die Fahne des Propheten auf
und belehrte das unmündige Volk von der Kanzel und im Beichtstuhle, es gelte
bei der neuen Reichsverfassung nur die Wahrung der Glaubenseinheit und des
ewigen Seelenheiles; ihre Sendlinge hielten Wahlversammlungen und Trink¬
gelage, wie z. B. der ReUgionslehrer Greuter, und an vielen Orten wußten es
die frommen Hirten so einzurichten, daß die zahme Heerde sie selbst zu Wahl¬
männern erkor. Die Leute, die sie zu Abgeordneten vorschlugen, durften auch
auf den Beifall der innsbrucker Präsidialkanzlei rechnen. Zu diesen gehörte
unter andern der Hofhistoriograph Pater Albert Jäger, zu dessen Gunsten die
Klerikalen in schwatz mit Abänderung der gesetzlichen Wahlart die Zahl der
Wähler auf weniger als die Hälfte der wirklich berechtigten zu beschränken
wußten, und die Behörde, welche „die Legalität des Wahlactes der Wahlmänner
zu constatiren" berufen war, nahm daran nicht den geringsten Anstoß. Am
entschiedensten schritt der Statthalter selbst bei der Wahl der Abgeordneten für
den adeligen großen Grundbesitz ein. Aus Wälschtirol waren nur sieben Wähler


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/139>, abgerufen am 18.05.2024.