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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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war ein einfacher Rückzug; denn an die Möglichkeit jener Verständigung mit
den badischen und bayrischen Abgeordneten denkt natürlich Niemand. Die Re¬
solution enthält das Eingeständniß, daß man zwar gegen die Verträge agitire,
daß dies aber weiter keinen Zweck hat.

Sonst war aus den Verhandlungen der Particularisten nur noch die Offen¬
heit bemerkenswerth, mit welcher jetzt in der nationalen Sache vollends jede
Maske verschmäht wird. Wiederholt war von dem Schlupfloch die Rede, das
den freien Schwaben noch nach der Schweiz hin offen stehe, und Herr Oesterlen
wies den Gedanken an einen republikanischen Südbund im Anschluß an die
Schweiz blos mit der allerdings triftigen Erwägung ab, daß der Wille und
die Energie, diesen Weg zu betreten, nicht vorhanden sei. "von den Gefahren
einer preußischen Intervention ganz abgesehen". Das Höchste aber leistete Herr
Mayer, indem er auf den Hoffnungsstern hinwies, der seit Salzburg für die
süddeutsche Freiheit aufgegangen sei. Sie hätten, sagte er, die französische Ein¬
mischung nicht verlangt, vielmehr trage Preußen die Schuld daran, aber da
einmal der französische Einfluß für ihre Sache thätig sei. seien sie nicht so blöde
.Narren, von dieser günstigen Position keinen Gebrauch zu,machen; die franzö¬
sische Unterstützung lassen sie sich gefallen, und die östreichische seien sie sogar
berechtigt zu verlangen.

Ueberhaupt setzt die Partei etwas darein, nicht eben wählerisch in ihren
Mitteln und Bundesgenossenschaften zu sein. Wie das Organ des Herrn Mayer
legitimistischen Korrespondenzen aus Hannover oder Hietzing seine gastlichen
Spalten zur Verfügung stellt, so macht es auch zuweilen Versuche, königlicher
zu sein als unser König, und am Geburtstag des verstorbenen König Wilhelm
am 27. Sept. citirte es den Geist des "alten Herrn" und legte ihm nach der
Melodie: "wenn heut ein Geist herniederstiege" eine bewegliche Jeremiade in
den Mund über das "vom nationalen Raubgesindel verrathene und verkaufte
Land". Natürlich ist man auch der ultramontanen Freundschaft gegenüber kein
Kostverächter. Mit Wohlgefallen wird die Pfäfsische Agitation in Bayern gegen
die dortige zweite Kammer begrüßt: "wir sind nicht so zimperlich, daß wir an
einer guten Salve, die aus den gemeinschaftlichen Gegner abgeschossen wird,
nicht unsere Freude hätten, weil der Schuß mit anderm Pulver geladen war
als mit dem unsrigen, und von einem Kanonier abgeschossen wurde, welcher die
demokratische Uniform nicht trägt. Wenn er nur sitzt!"

So findet sich denn auf dem Boden der "Volkepartn" die ganze Gesell
schaft einträchtig zusammen: Radicale, Legitimisten und Ultramontane, mit dem
ehnsüchtigcn Aueblick nach der französisch-östreichischen Einmischung. Daß der¬
selbe Herr Mayer, der in Salzburg das einzige Neltungemittel sieht, am Abend
nach der Landesversammlung seinen Toast der Stadt Berlin brachte, "der


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war ein einfacher Rückzug; denn an die Möglichkeit jener Verständigung mit
den badischen und bayrischen Abgeordneten denkt natürlich Niemand. Die Re¬
solution enthält das Eingeständniß, daß man zwar gegen die Verträge agitire,
daß dies aber weiter keinen Zweck hat.

Sonst war aus den Verhandlungen der Particularisten nur noch die Offen¬
heit bemerkenswerth, mit welcher jetzt in der nationalen Sache vollends jede
Maske verschmäht wird. Wiederholt war von dem Schlupfloch die Rede, das
den freien Schwaben noch nach der Schweiz hin offen stehe, und Herr Oesterlen
wies den Gedanken an einen republikanischen Südbund im Anschluß an die
Schweiz blos mit der allerdings triftigen Erwägung ab, daß der Wille und
die Energie, diesen Weg zu betreten, nicht vorhanden sei. „von den Gefahren
einer preußischen Intervention ganz abgesehen". Das Höchste aber leistete Herr
Mayer, indem er auf den Hoffnungsstern hinwies, der seit Salzburg für die
süddeutsche Freiheit aufgegangen sei. Sie hätten, sagte er, die französische Ein¬
mischung nicht verlangt, vielmehr trage Preußen die Schuld daran, aber da
einmal der französische Einfluß für ihre Sache thätig sei. seien sie nicht so blöde
.Narren, von dieser günstigen Position keinen Gebrauch zu,machen; die franzö¬
sische Unterstützung lassen sie sich gefallen, und die östreichische seien sie sogar
berechtigt zu verlangen.

Ueberhaupt setzt die Partei etwas darein, nicht eben wählerisch in ihren
Mitteln und Bundesgenossenschaften zu sein. Wie das Organ des Herrn Mayer
legitimistischen Korrespondenzen aus Hannover oder Hietzing seine gastlichen
Spalten zur Verfügung stellt, so macht es auch zuweilen Versuche, königlicher
zu sein als unser König, und am Geburtstag des verstorbenen König Wilhelm
am 27. Sept. citirte es den Geist des „alten Herrn" und legte ihm nach der
Melodie: „wenn heut ein Geist herniederstiege" eine bewegliche Jeremiade in
den Mund über das „vom nationalen Raubgesindel verrathene und verkaufte
Land". Natürlich ist man auch der ultramontanen Freundschaft gegenüber kein
Kostverächter. Mit Wohlgefallen wird die Pfäfsische Agitation in Bayern gegen
die dortige zweite Kammer begrüßt: „wir sind nicht so zimperlich, daß wir an
einer guten Salve, die aus den gemeinschaftlichen Gegner abgeschossen wird,
nicht unsere Freude hätten, weil der Schuß mit anderm Pulver geladen war
als mit dem unsrigen, und von einem Kanonier abgeschossen wurde, welcher die
demokratische Uniform nicht trägt. Wenn er nur sitzt!"

So findet sich denn auf dem Boden der „Volkepartn" die ganze Gesell
schaft einträchtig zusammen: Radicale, Legitimisten und Ultramontane, mit dem
ehnsüchtigcn Aueblick nach der französisch-östreichischen Einmischung. Daß der¬
selbe Herr Mayer, der in Salzburg das einzige Neltungemittel sieht, am Abend
nach der Landesversammlung seinen Toast der Stadt Berlin brachte, „der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/119>, abgerufen am 05.05.2024.