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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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eigenthum nichts direct zu thun hatte, der aber die Basis der ganzen Reform
bildete.'war die bekannte Vernichtung der Janitscharen. Als dies Werk gelun¬
gen war. richtete sich Mahmud gegen die Verbündeten Sipahis. Er hob die
alte Wehrverfassung und infolge davon die Lehne sammt und sonders auf und
übertrug die Rechte der Sipahis an das Aerar (bgit, ulwal). Eine andere
Wehrverfassung wurde eingeführt und den früheren Lehnsbesitzern für ihre Ver¬
lornen Rechte nur eine Entschädigung gezahlt, die ungefähr die Hälfte ihrer
früheren Einkünfte betruq. Die Ausführung dieser Bestimmungen erfolgte
allerdings erst unter dem Nachfolger, die Reorganisation wurde aber zu Anfang
der vierziger Jahre vollendet und seit dieser Zeit erinnern an die früheren Zu¬
stände nur noch die oben erwähnten Entschädigungen, die mit der Zeit aller¬
dings gänzlich wegfallen werden, die bisher aber noch ziemlich beträchtlich sind. Im
Jahre 1850 zahlte der Staat noch als Entschädigung an ehemalige Lehns-
bksitzcr und an einige andere Personen, denen früher Einkünfte als Privi¬
legien überlassen waren.40 Millionen Piaster. Im Jahre 1860 hatte sich diese
Summe bis auf 24'/" Millionen ermäßigt.

Bereits am 30. Juni 1826. Is Tage nach der Vernichtung der Janit¬
scharen. hob Sultan Mahmud das Bureau der Confiscationen auf. Dadurch be¬
wirkte er. daß das Hauptmotiv der Errichtung von Wakufs fortfiel. In der
That hat die Erfahrung gelehrt, daß von diesem Augenblicke an das nulle
den Vorzug vor dem Wakusbesitze erhielt^ und daß die Stiftung von Wakufs
sehr abnahm.

Am 30. Mai 1833 sprach Sultan Mahmud endlich den Grundsatz aus.
daß der Staat der oberste Inspektor aller Wakufgüter sei; er ernannte demge¬
mäß einen Director des Wakufs mit dem Range eines Ministers und legte die¬
sem die Befugniß bei, die Mutevellis zu bestellen. Man erzählt, daß Mahmud
schon bereit gewesen sei. die Wakufgüter ganz zu Staatsgütern zu erklären, daß
er dies aber aus Besorgniß vor der Macht der Ulemas unterlassen habe. Der
Sultan Abdul Medschid hat die letzte Reform seines Vaters noch vervoll¬
ständigt, indem er ein förmliches .LvKak-Ministerium eingeführt hat.

Diese Maßregeln waren alle im Princip vortrefflich, verursachten aber dem
Staate viele Kosten. Die Wakufverwaltung war so heruntergekommen, daß sie
nur 20 Millionen einbrachte und daß der Staat 12V- Millionen jährlich zu¬
schießen mußte, um nur die Balance der Einnahmen und Ausgaben herzustellen.
Diese Summe zahlte der Staat allerdings als Entschädigung für gewisse Ein¬
nahmequellen, die er, wie den Hafenzoll in Smyrna, dem Wakuf abgenommen
hatte und die ihm jetzt weit mehr einbringen; trotzdem ist die Beihilfe unver-
hältnißmäßig. wenn man die große Ausdehnung und den innern Werth der
Wakufgüter berücksichtigt. ' Uebertrieben ist zwar, daß der Wakuf V" des ganzen


eigenthum nichts direct zu thun hatte, der aber die Basis der ganzen Reform
bildete.'war die bekannte Vernichtung der Janitscharen. Als dies Werk gelun¬
gen war. richtete sich Mahmud gegen die Verbündeten Sipahis. Er hob die
alte Wehrverfassung und infolge davon die Lehne sammt und sonders auf und
übertrug die Rechte der Sipahis an das Aerar (bgit, ulwal). Eine andere
Wehrverfassung wurde eingeführt und den früheren Lehnsbesitzern für ihre Ver¬
lornen Rechte nur eine Entschädigung gezahlt, die ungefähr die Hälfte ihrer
früheren Einkünfte betruq. Die Ausführung dieser Bestimmungen erfolgte
allerdings erst unter dem Nachfolger, die Reorganisation wurde aber zu Anfang
der vierziger Jahre vollendet und seit dieser Zeit erinnern an die früheren Zu¬
stände nur noch die oben erwähnten Entschädigungen, die mit der Zeit aller¬
dings gänzlich wegfallen werden, die bisher aber noch ziemlich beträchtlich sind. Im
Jahre 1850 zahlte der Staat noch als Entschädigung an ehemalige Lehns-
bksitzcr und an einige andere Personen, denen früher Einkünfte als Privi¬
legien überlassen waren.40 Millionen Piaster. Im Jahre 1860 hatte sich diese
Summe bis auf 24'/« Millionen ermäßigt.

Bereits am 30. Juni 1826. Is Tage nach der Vernichtung der Janit¬
scharen. hob Sultan Mahmud das Bureau der Confiscationen auf. Dadurch be¬
wirkte er. daß das Hauptmotiv der Errichtung von Wakufs fortfiel. In der
That hat die Erfahrung gelehrt, daß von diesem Augenblicke an das nulle
den Vorzug vor dem Wakusbesitze erhielt^ und daß die Stiftung von Wakufs
sehr abnahm.

Am 30. Mai 1833 sprach Sultan Mahmud endlich den Grundsatz aus.
daß der Staat der oberste Inspektor aller Wakufgüter sei; er ernannte demge¬
mäß einen Director des Wakufs mit dem Range eines Ministers und legte die¬
sem die Befugniß bei, die Mutevellis zu bestellen. Man erzählt, daß Mahmud
schon bereit gewesen sei. die Wakufgüter ganz zu Staatsgütern zu erklären, daß
er dies aber aus Besorgniß vor der Macht der Ulemas unterlassen habe. Der
Sultan Abdul Medschid hat die letzte Reform seines Vaters noch vervoll¬
ständigt, indem er ein förmliches .LvKak-Ministerium eingeführt hat.

Diese Maßregeln waren alle im Princip vortrefflich, verursachten aber dem
Staate viele Kosten. Die Wakufverwaltung war so heruntergekommen, daß sie
nur 20 Millionen einbrachte und daß der Staat 12V- Millionen jährlich zu¬
schießen mußte, um nur die Balance der Einnahmen und Ausgaben herzustellen.
Diese Summe zahlte der Staat allerdings als Entschädigung für gewisse Ein¬
nahmequellen, die er, wie den Hafenzoll in Smyrna, dem Wakuf abgenommen
hatte und die ihm jetzt weit mehr einbringen; trotzdem ist die Beihilfe unver-
hältnißmäßig. wenn man die große Ausdehnung und den innern Werth der
Wakufgüter berücksichtigt. ' Uebertrieben ist zwar, daß der Wakuf V« des ganzen


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[0130] eigenthum nichts direct zu thun hatte, der aber die Basis der ganzen Reform bildete.'war die bekannte Vernichtung der Janitscharen. Als dies Werk gelun¬ gen war. richtete sich Mahmud gegen die Verbündeten Sipahis. Er hob die alte Wehrverfassung und infolge davon die Lehne sammt und sonders auf und übertrug die Rechte der Sipahis an das Aerar (bgit, ulwal). Eine andere Wehrverfassung wurde eingeführt und den früheren Lehnsbesitzern für ihre Ver¬ lornen Rechte nur eine Entschädigung gezahlt, die ungefähr die Hälfte ihrer früheren Einkünfte betruq. Die Ausführung dieser Bestimmungen erfolgte allerdings erst unter dem Nachfolger, die Reorganisation wurde aber zu Anfang der vierziger Jahre vollendet und seit dieser Zeit erinnern an die früheren Zu¬ stände nur noch die oben erwähnten Entschädigungen, die mit der Zeit aller¬ dings gänzlich wegfallen werden, die bisher aber noch ziemlich beträchtlich sind. Im Jahre 1850 zahlte der Staat noch als Entschädigung an ehemalige Lehns- bksitzcr und an einige andere Personen, denen früher Einkünfte als Privi¬ legien überlassen waren.40 Millionen Piaster. Im Jahre 1860 hatte sich diese Summe bis auf 24'/« Millionen ermäßigt. Bereits am 30. Juni 1826. Is Tage nach der Vernichtung der Janit¬ scharen. hob Sultan Mahmud das Bureau der Confiscationen auf. Dadurch be¬ wirkte er. daß das Hauptmotiv der Errichtung von Wakufs fortfiel. In der That hat die Erfahrung gelehrt, daß von diesem Augenblicke an das nulle den Vorzug vor dem Wakusbesitze erhielt^ und daß die Stiftung von Wakufs sehr abnahm. Am 30. Mai 1833 sprach Sultan Mahmud endlich den Grundsatz aus. daß der Staat der oberste Inspektor aller Wakufgüter sei; er ernannte demge¬ mäß einen Director des Wakufs mit dem Range eines Ministers und legte die¬ sem die Befugniß bei, die Mutevellis zu bestellen. Man erzählt, daß Mahmud schon bereit gewesen sei. die Wakufgüter ganz zu Staatsgütern zu erklären, daß er dies aber aus Besorgniß vor der Macht der Ulemas unterlassen habe. Der Sultan Abdul Medschid hat die letzte Reform seines Vaters noch vervoll¬ ständigt, indem er ein förmliches .LvKak-Ministerium eingeführt hat. Diese Maßregeln waren alle im Princip vortrefflich, verursachten aber dem Staate viele Kosten. Die Wakufverwaltung war so heruntergekommen, daß sie nur 20 Millionen einbrachte und daß der Staat 12V- Millionen jährlich zu¬ schießen mußte, um nur die Balance der Einnahmen und Ausgaben herzustellen. Diese Summe zahlte der Staat allerdings als Entschädigung für gewisse Ein¬ nahmequellen, die er, wie den Hafenzoll in Smyrna, dem Wakuf abgenommen hatte und die ihm jetzt weit mehr einbringen; trotzdem ist die Beihilfe unver- hältnißmäßig. wenn man die große Ausdehnung und den innern Werth der Wakufgüter berücksichtigt. ' Uebertrieben ist zwar, daß der Wakuf V« des ganzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/130>, abgerufen am 29.04.2024.