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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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die Geschicht" der römischen Poesie und ihren genialsten, wenn auch ungezogensten
Liebling hervorgebracht hat, anzusehen. Aus seinen losen und zerstreuten Gedichten,
welchen zugleich eine vollkommene kritische Musterung und Bearbeitung zu theil
wird, ist die Biographie des Dichters entwickelt; sehr anmuthige und angenehm zu
lesende Uebersetzungen sind eingewoben, die aber freilich mehr den Eindruck von Be¬
arbeitungen machen, da das antike Metrum aufgegeben ist und an seine Stelle
moderne Rcimformcn getreten sind, deren Wahl der Verfasser im Vorwort S. VI
zu rechtfertigen sucht.

Auf einzelnes einzugehen müssen wir uns hier versagen, wir begnügen uns auf
die meisterhafte Rcconstruction der Seiten- und Zeilcnverhältnisse in der unsrer Ueber¬
lieferung zu Grunde liegenden UrHandschrift und aus den in vielen Gedichten voll¬
kommen glücklichen Nachweis strophischer Gliederung aufmerksam zu machen. Auf¬
gefallen ist uns die Bemerkung S. 45: "Catull... ist bekannt mit dem Historiker Cor¬
nelius Nepos, der schon früh den jungen Dichter anerkennt und lange vor der
Herausgabe seiner Gedichte die hohe Bedeutung desselben in seinen Geschichtsbüchern
hervorhebt. -- Auch nicht streng philologische Freunde der Antike und ihrer Poesie
dürfen sich von dem Buche Freude und Belehrung versprechen. Leider ist die Cor-
rectur nicht genügend sorgfältig; wem dies zur Last fällt, wissen wir nicht. --




Plutarch über die Musik von Rudolf Westphal. Breslau, Leuckart, 1866.

Von der Schrift des Plutarch, welche vor kaum 10 Jahren durch N. Volk¬
mann eine ausführliche Bearbeitung erfahren hatte, bringt Westphal, ohne Zweifel
einer der scharfsinnigsten und gelehrtesten Philologen und der unbestrittene Meister
antiker Rhythmik und Musik, eine neue Ausgabe, welche zum erstenmale die Schätze
hebt, die bisher unerkannt in dem Schachte plutarchischer Compilirungsschriftstellcrei
geschlummert hatten. Die Schrift wendet sich natürlich vorzüglich an Philologen
und Kenner der antiken Musik und zeichnet sich aus durch alle Vorzüge, die man
an den Arbeiten des Verfassers zu finden gewöhnt ist. Durch mehrere Anstellungen,
Auslassungen und Zusätze wird der Zusammenhang glänzend restituirt, zahlreiche
treffliche Emendationen machen den Text lesbar, und eine scharfsinnige Untersuchung
weist nach, daß das Ganze fast ausschließlich aus Excerpten besteht, die der Viel¬
schreiber Plutarch den Schriften des AristoxenoS, Heraklcides von Pvntos und an¬
deren entnommen hat. Dieses Resultat ist von doppeltem Interesse; einmal für die
Beurtheilung und Würdigung des Inhalts von Plutarchs Werk, sodann aber gibt
es einen wichtigen Beitrag zur Beurtheilung von Plutarchs schriftstellerischer Me¬
thode, über welche die neuere Zeit allmählich Anschauungen gewinnt, die sehr erheb¬
lich zu Ungunsten des berühmten Mannes von den bisherigen abweichen.

Der Druck des griechischen Textes wie der deutschen Anmerkungen ist von Feh¬
lern nicht frei.




die Geschicht« der römischen Poesie und ihren genialsten, wenn auch ungezogensten
Liebling hervorgebracht hat, anzusehen. Aus seinen losen und zerstreuten Gedichten,
welchen zugleich eine vollkommene kritische Musterung und Bearbeitung zu theil
wird, ist die Biographie des Dichters entwickelt; sehr anmuthige und angenehm zu
lesende Uebersetzungen sind eingewoben, die aber freilich mehr den Eindruck von Be¬
arbeitungen machen, da das antike Metrum aufgegeben ist und an seine Stelle
moderne Rcimformcn getreten sind, deren Wahl der Verfasser im Vorwort S. VI
zu rechtfertigen sucht.

Auf einzelnes einzugehen müssen wir uns hier versagen, wir begnügen uns auf
die meisterhafte Rcconstruction der Seiten- und Zeilcnverhältnisse in der unsrer Ueber¬
lieferung zu Grunde liegenden UrHandschrift und aus den in vielen Gedichten voll¬
kommen glücklichen Nachweis strophischer Gliederung aufmerksam zu machen. Auf¬
gefallen ist uns die Bemerkung S. 45: „Catull... ist bekannt mit dem Historiker Cor¬
nelius Nepos, der schon früh den jungen Dichter anerkennt und lange vor der
Herausgabe seiner Gedichte die hohe Bedeutung desselben in seinen Geschichtsbüchern
hervorhebt. — Auch nicht streng philologische Freunde der Antike und ihrer Poesie
dürfen sich von dem Buche Freude und Belehrung versprechen. Leider ist die Cor-
rectur nicht genügend sorgfältig; wem dies zur Last fällt, wissen wir nicht. —




Plutarch über die Musik von Rudolf Westphal. Breslau, Leuckart, 1866.

Von der Schrift des Plutarch, welche vor kaum 10 Jahren durch N. Volk¬
mann eine ausführliche Bearbeitung erfahren hatte, bringt Westphal, ohne Zweifel
einer der scharfsinnigsten und gelehrtesten Philologen und der unbestrittene Meister
antiker Rhythmik und Musik, eine neue Ausgabe, welche zum erstenmale die Schätze
hebt, die bisher unerkannt in dem Schachte plutarchischer Compilirungsschriftstellcrei
geschlummert hatten. Die Schrift wendet sich natürlich vorzüglich an Philologen
und Kenner der antiken Musik und zeichnet sich aus durch alle Vorzüge, die man
an den Arbeiten des Verfassers zu finden gewöhnt ist. Durch mehrere Anstellungen,
Auslassungen und Zusätze wird der Zusammenhang glänzend restituirt, zahlreiche
treffliche Emendationen machen den Text lesbar, und eine scharfsinnige Untersuchung
weist nach, daß das Ganze fast ausschließlich aus Excerpten besteht, die der Viel¬
schreiber Plutarch den Schriften des AristoxenoS, Heraklcides von Pvntos und an¬
deren entnommen hat. Dieses Resultat ist von doppeltem Interesse; einmal für die
Beurtheilung und Würdigung des Inhalts von Plutarchs Werk, sodann aber gibt
es einen wichtigen Beitrag zur Beurtheilung von Plutarchs schriftstellerischer Me¬
thode, über welche die neuere Zeit allmählich Anschauungen gewinnt, die sehr erheb¬
lich zu Ungunsten des berühmten Mannes von den bisherigen abweichen.

Der Druck des griechischen Textes wie der deutschen Anmerkungen ist von Feh¬
lern nicht frei.




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[0247] die Geschicht« der römischen Poesie und ihren genialsten, wenn auch ungezogensten Liebling hervorgebracht hat, anzusehen. Aus seinen losen und zerstreuten Gedichten, welchen zugleich eine vollkommene kritische Musterung und Bearbeitung zu theil wird, ist die Biographie des Dichters entwickelt; sehr anmuthige und angenehm zu lesende Uebersetzungen sind eingewoben, die aber freilich mehr den Eindruck von Be¬ arbeitungen machen, da das antike Metrum aufgegeben ist und an seine Stelle moderne Rcimformcn getreten sind, deren Wahl der Verfasser im Vorwort S. VI zu rechtfertigen sucht. Auf einzelnes einzugehen müssen wir uns hier versagen, wir begnügen uns auf die meisterhafte Rcconstruction der Seiten- und Zeilcnverhältnisse in der unsrer Ueber¬ lieferung zu Grunde liegenden UrHandschrift und aus den in vielen Gedichten voll¬ kommen glücklichen Nachweis strophischer Gliederung aufmerksam zu machen. Auf¬ gefallen ist uns die Bemerkung S. 45: „Catull... ist bekannt mit dem Historiker Cor¬ nelius Nepos, der schon früh den jungen Dichter anerkennt und lange vor der Herausgabe seiner Gedichte die hohe Bedeutung desselben in seinen Geschichtsbüchern hervorhebt. — Auch nicht streng philologische Freunde der Antike und ihrer Poesie dürfen sich von dem Buche Freude und Belehrung versprechen. Leider ist die Cor- rectur nicht genügend sorgfältig; wem dies zur Last fällt, wissen wir nicht. — Plutarch über die Musik von Rudolf Westphal. Breslau, Leuckart, 1866. Von der Schrift des Plutarch, welche vor kaum 10 Jahren durch N. Volk¬ mann eine ausführliche Bearbeitung erfahren hatte, bringt Westphal, ohne Zweifel einer der scharfsinnigsten und gelehrtesten Philologen und der unbestrittene Meister antiker Rhythmik und Musik, eine neue Ausgabe, welche zum erstenmale die Schätze hebt, die bisher unerkannt in dem Schachte plutarchischer Compilirungsschriftstellcrei geschlummert hatten. Die Schrift wendet sich natürlich vorzüglich an Philologen und Kenner der antiken Musik und zeichnet sich aus durch alle Vorzüge, die man an den Arbeiten des Verfassers zu finden gewöhnt ist. Durch mehrere Anstellungen, Auslassungen und Zusätze wird der Zusammenhang glänzend restituirt, zahlreiche treffliche Emendationen machen den Text lesbar, und eine scharfsinnige Untersuchung weist nach, daß das Ganze fast ausschließlich aus Excerpten besteht, die der Viel¬ schreiber Plutarch den Schriften des AristoxenoS, Heraklcides von Pvntos und an¬ deren entnommen hat. Dieses Resultat ist von doppeltem Interesse; einmal für die Beurtheilung und Würdigung des Inhalts von Plutarchs Werk, sodann aber gibt es einen wichtigen Beitrag zur Beurtheilung von Plutarchs schriftstellerischer Me¬ thode, über welche die neuere Zeit allmählich Anschauungen gewinnt, die sehr erheb¬ lich zu Ungunsten des berühmten Mannes von den bisherigen abweichen. Der Druck des griechischen Textes wie der deutschen Anmerkungen ist von Feh¬ lern nicht frei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/247>, abgerufen am 03.05.2024.