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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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und daß jene grünen Steinplatten, welche ich für ein Pflaster hielt, die unterste"
Lagen der Grundmauern waren, so mußte ich doch aus dein Vorhandensein
so vieler großer Architectur- und Sculptursragmente schließen, daß ich mich inner¬
halb des Raumes befand, den das Denkmal einstmals einnahm. Je weiter ich
nach Osten vordrang, desto häufiger fanden sich Fragmente, wir gruben weiter,
bis wir nur noch zwei Fuß von dem erwähnten Hause entfernt waren und
sahen, daß es auf Trümmermassen stand. Es war klar, dieses Haus mußte
angekauft werden, aber wie das zu bewerkstelligen wäre, war weniger klar,
denn ich kannte aus langer Erfahrung die Schwierigkeit, die es hat, solch ein
Geschäft mit einem Orientalen abzuschließen. Ich suchte mir deshalb Beistand
bei meinem alten Freunde Mehemed Chiaoux, welcher mir so freundlich das
Nachgraben i" seinem Felde gestattet hatte und bevollmächtigte ihn, die Ver¬
handlungen zu führen. Seine ersten Versuche waren nicht sehr erfolgreich; der
Türke, dessen Haus mir im Wege stand, hatte eine höchst entschlossene Ehegattin,
welche sich unserm Vordringen mit Entschiedenheit entgegenstellte. Eines Tages,
als wir uns barmt beschädigten, auszuprobiren, wie nahe wir wohl an die
Fundamente herangraben dürfte", ohne das Haus zu unterminircn, kam plötzlich
ein langer dürrer Arm aus dem Fensterladen herausgeschossen und eine wider¬
wärtige Weibcrstimme kreischte einige unliebenswürdige türkische Flüche auf unsere
Häupter hernieder. Unser Mehemed, welcher unglücklicher Weise mit dem Rücken
nach dem Hause zu, nahe am Fenster stand, trat mit einem höchst unbehaglichen
und mißmuthigen Ausdruck im Gesicht schleunigst den Rückzug an. Erst einige
Tage später erfuhr ich, daß die alte Vettel die Gelegenheit wahrgenommen hatte,
ihm einige Stücke brennenden Zunders zwischen Haut und Hemde in den Nacken
zu werfen. Der alte Soliman, der Gatte dieser fürchterlichem Dame, war ein
'hinfälliger, zitternder alter Mann, der zwar in seirur Jugend ein berühmter
Ringer gewesen und noch viele Bravourstücke aus jener Zeit zu erzählen wußte,
nun aber in tödtlicher Angst vor seinem Weibe lebte. In einer schwachen
Stunde erlaubte er uns, in seinem Garten zu graben; wir kamen bald an einen
jungen Feigenbaum, den wir nothwendiger Weise entfernen mußten. Während
wir noch um den Preis des Baumes handelten, kam derselbe plötzlich her-
untcrgefcchren, da ihn meine Arbeiter aus Bosheit unterminirt hatten. Der
arme alte Soliman bekam diesen Tag seine Tracht Prügel und unser biederer
Sappeur Korporal Jenkins, der harmlos an dem Rande einer Grube stand,
mußte schmählich in dieselbe hinabfahren. indem ihm plötzlich vom Fenster der
in wohlgezieltem Flug ein Hackcblock gegen den Kopf wirbelte."

"Derartige kleine Unterbrechungen beachteten wir aber weiter nicht und
fuhren fort zu graben, bis wir zuletzt altes um Solimans Haus so ausgewühlt
hatten, daß es wie eine Insel in einem Meere von Tchutt stehen blieb. Jetzt
hielt ich die Zeit für gekommen, ein bestimmtes Gebot zu thun; nach langem


und daß jene grünen Steinplatten, welche ich für ein Pflaster hielt, die unterste»
Lagen der Grundmauern waren, so mußte ich doch aus dein Vorhandensein
so vieler großer Architectur- und Sculptursragmente schließen, daß ich mich inner¬
halb des Raumes befand, den das Denkmal einstmals einnahm. Je weiter ich
nach Osten vordrang, desto häufiger fanden sich Fragmente, wir gruben weiter,
bis wir nur noch zwei Fuß von dem erwähnten Hause entfernt waren und
sahen, daß es auf Trümmermassen stand. Es war klar, dieses Haus mußte
angekauft werden, aber wie das zu bewerkstelligen wäre, war weniger klar,
denn ich kannte aus langer Erfahrung die Schwierigkeit, die es hat, solch ein
Geschäft mit einem Orientalen abzuschließen. Ich suchte mir deshalb Beistand
bei meinem alten Freunde Mehemed Chiaoux, welcher mir so freundlich das
Nachgraben i» seinem Felde gestattet hatte und bevollmächtigte ihn, die Ver¬
handlungen zu führen. Seine ersten Versuche waren nicht sehr erfolgreich; der
Türke, dessen Haus mir im Wege stand, hatte eine höchst entschlossene Ehegattin,
welche sich unserm Vordringen mit Entschiedenheit entgegenstellte. Eines Tages,
als wir uns barmt beschädigten, auszuprobiren, wie nahe wir wohl an die
Fundamente herangraben dürfte», ohne das Haus zu unterminircn, kam plötzlich
ein langer dürrer Arm aus dem Fensterladen herausgeschossen und eine wider¬
wärtige Weibcrstimme kreischte einige unliebenswürdige türkische Flüche auf unsere
Häupter hernieder. Unser Mehemed, welcher unglücklicher Weise mit dem Rücken
nach dem Hause zu, nahe am Fenster stand, trat mit einem höchst unbehaglichen
und mißmuthigen Ausdruck im Gesicht schleunigst den Rückzug an. Erst einige
Tage später erfuhr ich, daß die alte Vettel die Gelegenheit wahrgenommen hatte,
ihm einige Stücke brennenden Zunders zwischen Haut und Hemde in den Nacken
zu werfen. Der alte Soliman, der Gatte dieser fürchterlichem Dame, war ein
'hinfälliger, zitternder alter Mann, der zwar in seirur Jugend ein berühmter
Ringer gewesen und noch viele Bravourstücke aus jener Zeit zu erzählen wußte,
nun aber in tödtlicher Angst vor seinem Weibe lebte. In einer schwachen
Stunde erlaubte er uns, in seinem Garten zu graben; wir kamen bald an einen
jungen Feigenbaum, den wir nothwendiger Weise entfernen mußten. Während
wir noch um den Preis des Baumes handelten, kam derselbe plötzlich her-
untcrgefcchren, da ihn meine Arbeiter aus Bosheit unterminirt hatten. Der
arme alte Soliman bekam diesen Tag seine Tracht Prügel und unser biederer
Sappeur Korporal Jenkins, der harmlos an dem Rande einer Grube stand,
mußte schmählich in dieselbe hinabfahren. indem ihm plötzlich vom Fenster der
in wohlgezieltem Flug ein Hackcblock gegen den Kopf wirbelte."

„Derartige kleine Unterbrechungen beachteten wir aber weiter nicht und
fuhren fort zu graben, bis wir zuletzt altes um Solimans Haus so ausgewühlt
hatten, daß es wie eine Insel in einem Meere von Tchutt stehen blieb. Jetzt
hielt ich die Zeit für gekommen, ein bestimmtes Gebot zu thun; nach langem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/269>, abgerufen am 13.06.2024.