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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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e>sten Früchte seiner Arbeiten noch unter der Aegide seines jeht fast verscholle¬
nen Lehrers Windischwann an das Tageslicht. "Von der Sprache und Weis¬
heit der Inder" hatte schon Friedrich Schlegel Wunderdinge berichtet. Auch
Bopp brachte von beidem etwas. Sein erstes Buch, das berühmte, "Conju¬
gationssystem", obwohl im wesentlichen, wie der Titel zeigt, sprachlichen In¬
halts, bot im Anfang Ueberhebungen aus der indischen Literatur. Und seitdem
war eine der großen Aufgaben, die Bopp löste, die durch eine Reihe wissen¬
schaftlich gediegener und zugleich praktisch angelegter Bücher die Kunde des
Sanskrit, bis dahin der Geheimbesih Weniger, auch in Deutschland jedem
Lernbegieriger zu ermöglichen. Aber nicht darin liegt Bopps Hauptveidienst.
Wohl erschlossen sich in Nal und Damajanti, in der Sakuntala liebliche
Blüthen einer Poesie von eigenthümlichem Duft, wohl tauchte durch das ver¬
einte Wirken einer ansehnlichen Reihe von Gelehrten aus tiefem Dunkel eine
merkwürdige, viele Jahrhunderte hindurch gepflegte vielseitige Cultur auf, von
der aus später der Blick in die ältere Periode der Weder fallen sollte, aber
die Hoffnungen der Romantiker auf ungeahnte Tiefen orientalischer Weisheit
wurden doch nur zum geringsten Theile erfüllt. Dafür aber fand man, was
man nicht suchte, ja nicht einmal ahnte, eine neue Wissenschaft, die allerdings
über die Anfänge der begabtesten Culturvölker wichtige Aufschlüsse brachte, aber
nicht durch geheimnißvolle Sinnsprüche oder uralte Offenbarungen, sondern auf
dem Wege nüchternster Forschung, genauer Zusammenstellung, unerbittlichen
Schließens aus einem mit deutschem Fleiße erworbenen Material. Schon vor
Bopp war fast gleichzeitig von je einem englischen, französischen und deutschen
Gelchiten bemerkt, daß jene formenreiche und durchsichtige Sanskritsprache
mancherlei in die Augen springende Ähnlichkeiten mit dem Griechischen und
Lateinischen habe. Vieles lag so offen vor, daß man nur hinzublicken brauchte,
um es zu finde". ^gen3 heißt Feuer im Sanskrit, i'Mi'8 im Lateinische",
cltunrm Geschenk dort, clonum hier, nämari Name bei den Indern (und Gothen),
iromöll bei den Römer". Die Silbe seu, bedeutet in allen diesen Sprachen
mit geringen Modisicaiionen "stehen". Bon da aus kam man nun auch schon zu
der Annahme eines ursprünglichen Zusammenhanges dieser Sprachen. Aber es
blieb bei vereinzelten Begleichungen ohne bestimmte Grundsätze. Flattergeister,
an denen es für diese Wissenschaft nie gefehlt hat, stellten daneben Ueberein¬
stimmungen mit anderen Sprachen, ohne daß man zwischen Kuriositäten und
durchgreifenden Uebereinstimmungen zu unterscheiden verstand. Wörter wandern
wie Waaren von Land zu Land, von Volk zu Voll. Konnte nicht bald der
Zufall, bald solche Wanderung eines vereinzelten Wortes der Grund der Gleich¬
heit sein? Wenn der Inder das Erz gM, der Römer aes nennt, so konnte
ja vielleicht, wie der Thee -- Namen und Sache -- von China nach Europa,
so dort Wort und Sache, sei es von Indien nach Rom, sei es von einem


e>sten Früchte seiner Arbeiten noch unter der Aegide seines jeht fast verscholle¬
nen Lehrers Windischwann an das Tageslicht. „Von der Sprache und Weis¬
heit der Inder" hatte schon Friedrich Schlegel Wunderdinge berichtet. Auch
Bopp brachte von beidem etwas. Sein erstes Buch, das berühmte, „Conju¬
gationssystem", obwohl im wesentlichen, wie der Titel zeigt, sprachlichen In¬
halts, bot im Anfang Ueberhebungen aus der indischen Literatur. Und seitdem
war eine der großen Aufgaben, die Bopp löste, die durch eine Reihe wissen¬
schaftlich gediegener und zugleich praktisch angelegter Bücher die Kunde des
Sanskrit, bis dahin der Geheimbesih Weniger, auch in Deutschland jedem
Lernbegieriger zu ermöglichen. Aber nicht darin liegt Bopps Hauptveidienst.
Wohl erschlossen sich in Nal und Damajanti, in der Sakuntala liebliche
Blüthen einer Poesie von eigenthümlichem Duft, wohl tauchte durch das ver¬
einte Wirken einer ansehnlichen Reihe von Gelehrten aus tiefem Dunkel eine
merkwürdige, viele Jahrhunderte hindurch gepflegte vielseitige Cultur auf, von
der aus später der Blick in die ältere Periode der Weder fallen sollte, aber
die Hoffnungen der Romantiker auf ungeahnte Tiefen orientalischer Weisheit
wurden doch nur zum geringsten Theile erfüllt. Dafür aber fand man, was
man nicht suchte, ja nicht einmal ahnte, eine neue Wissenschaft, die allerdings
über die Anfänge der begabtesten Culturvölker wichtige Aufschlüsse brachte, aber
nicht durch geheimnißvolle Sinnsprüche oder uralte Offenbarungen, sondern auf
dem Wege nüchternster Forschung, genauer Zusammenstellung, unerbittlichen
Schließens aus einem mit deutschem Fleiße erworbenen Material. Schon vor
Bopp war fast gleichzeitig von je einem englischen, französischen und deutschen
Gelchiten bemerkt, daß jene formenreiche und durchsichtige Sanskritsprache
mancherlei in die Augen springende Ähnlichkeiten mit dem Griechischen und
Lateinischen habe. Vieles lag so offen vor, daß man nur hinzublicken brauchte,
um es zu finde». ^gen3 heißt Feuer im Sanskrit, i'Mi'8 im Lateinische»,
cltunrm Geschenk dort, clonum hier, nämari Name bei den Indern (und Gothen),
iromöll bei den Römer». Die Silbe seu, bedeutet in allen diesen Sprachen
mit geringen Modisicaiionen „stehen". Bon da aus kam man nun auch schon zu
der Annahme eines ursprünglichen Zusammenhanges dieser Sprachen. Aber es
blieb bei vereinzelten Begleichungen ohne bestimmte Grundsätze. Flattergeister,
an denen es für diese Wissenschaft nie gefehlt hat, stellten daneben Ueberein¬
stimmungen mit anderen Sprachen, ohne daß man zwischen Kuriositäten und
durchgreifenden Uebereinstimmungen zu unterscheiden verstand. Wörter wandern
wie Waaren von Land zu Land, von Volk zu Voll. Konnte nicht bald der
Zufall, bald solche Wanderung eines vereinzelten Wortes der Grund der Gleich¬
heit sein? Wenn der Inder das Erz gM, der Römer aes nennt, so konnte
ja vielleicht, wie der Thee — Namen und Sache — von China nach Europa,
so dort Wort und Sache, sei es von Indien nach Rom, sei es von einem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/290>, abgerufen am 03.05.2024.