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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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lange eine Kleinigkeit, bei der nichts zu fürchten sei, Abends unter dem
Schutz der Dunkelheit wollte er sich einschleichen und nur einige Augenblicke
verweilen. Indem er ihm so zuredete, setzte er zugleich einen wirksamen Keil
ein, um die festen Grundsätze des Sclaven .zu erschüttern. Er hielt ihm
eine Handvoll frisch geprägter blanker Goldstücke hin, von denen zwanzig
für die Schöne, zehn für ihn bestimmt seien. Myrmex schauderte vor dem
unerhörten Wagstück zurück, hielt sich beide Ohren zu und machte sich eilends
davon. Aber der Glanz der Goldstücke flimmerte ihm beständig vor den Augen,
als er weit davon war und raschen Schritts nach Hause kam, sah er die schö¬
nen blanken Stücke immer vor sich, im Geist glaubte er die reiche Beute schon
gewonnen zu haben, in Unruhe und Zwiespalt zerrten die Gedanken den armen
Teufel zwischen Treue und Vortheil, Strafe und Gewinn hin und her. Zuletzt
besiegte das Gold selbst die Todesfurcht. Auch die Entfernung besänftigte seine
Begierdenach dem Golde nicht, seine Nachtwache störte die Stimme der Habsucht;
während die Drohungen seines Herrn ihn zu Hause hielten, lockte das Gold
ihn hinaus. Schließlich biß er der Scham den Kopf ab und brachte ohne
Umstände bei der Hausfrau seine Botschaft an. Diese machte der den Frauen
angeborenen Leichtfertigkeit alle Ehre und verkaufte ohne Weiteres ihre Schön¬
heit für den dargebotenen Sold. Voll Freude über seinen Treubruch eilt Myr¬
mex, das Gold, das er zu seinem Verderben erblickt hatte, nun auch wirklich zu
erhalten, er meldet dem Philetärus, mit welcher Anstrengung es ihm gelungen,
seine Wünsche zu erfüllen, und verlangt auf der Stelle den versprochenen
Lohn. Er bekommt ihn und der glückliche Myrmex hält Goldstücke in seiner Hand,
die nur an Kupfermünzen gewöhnt war. Nachdem die Nacht eingebrochen war,
geleitete er den ungeduldigen Liebhaber allein ins Haus und führte ihn mit
verhülltem Haupt ans Schlafzimmer seiner Herrin. Aber kaum hatte das
Paar sich dem ersten Genuß hingegeben, als gegen alle Erwartung der Mann,
der die Nacht zur Reise benutzt hatte, unvermuthet heimkehrt. Er klopft an
die Hausthür, er ruft, er wirft mit Steinen gegen die Pforte; durch das Zau¬
dern argwöhnisch gemacht, stößt er heftige Drohungen gegen Myrmex aus.
Der, durch den plötzlichen Unglücksfall ganz verwirrt und vor Angst völlig rath¬
los, schützt die einzig mögliche Entschuldigung vor, daß er in der Dunkelheit
die allzu wohl verwahrten Schlüssel nicht finden könne. Indessen wirft Phile¬
tärus, der den Lärm hört, rasch die Kleider über, läuft aber in der Ver¬
wirrung mit bloßen Füßen aus dem Schlafzimmer. Nun schließt endlich Myr¬
mex die Thür auf und empfängt seinen Herrn, der die Götter vom Himmel
herunter flucht und stracks ins Schlafzimmer eilt. Währendem läßt er Phile¬
tärus. der sich sachte vorbeigedrückt hat, hinaus und legt sich erleichterten Her¬
zens zur Ruhe. Aber als Barbarus mit Tagesanbruch das Schlafzimmer ver¬
lassen will, sieht er unter dem Bett die fremden Schuhe stehen, welche Phile-


lange eine Kleinigkeit, bei der nichts zu fürchten sei, Abends unter dem
Schutz der Dunkelheit wollte er sich einschleichen und nur einige Augenblicke
verweilen. Indem er ihm so zuredete, setzte er zugleich einen wirksamen Keil
ein, um die festen Grundsätze des Sclaven .zu erschüttern. Er hielt ihm
eine Handvoll frisch geprägter blanker Goldstücke hin, von denen zwanzig
für die Schöne, zehn für ihn bestimmt seien. Myrmex schauderte vor dem
unerhörten Wagstück zurück, hielt sich beide Ohren zu und machte sich eilends
davon. Aber der Glanz der Goldstücke flimmerte ihm beständig vor den Augen,
als er weit davon war und raschen Schritts nach Hause kam, sah er die schö¬
nen blanken Stücke immer vor sich, im Geist glaubte er die reiche Beute schon
gewonnen zu haben, in Unruhe und Zwiespalt zerrten die Gedanken den armen
Teufel zwischen Treue und Vortheil, Strafe und Gewinn hin und her. Zuletzt
besiegte das Gold selbst die Todesfurcht. Auch die Entfernung besänftigte seine
Begierdenach dem Golde nicht, seine Nachtwache störte die Stimme der Habsucht;
während die Drohungen seines Herrn ihn zu Hause hielten, lockte das Gold
ihn hinaus. Schließlich biß er der Scham den Kopf ab und brachte ohne
Umstände bei der Hausfrau seine Botschaft an. Diese machte der den Frauen
angeborenen Leichtfertigkeit alle Ehre und verkaufte ohne Weiteres ihre Schön¬
heit für den dargebotenen Sold. Voll Freude über seinen Treubruch eilt Myr¬
mex, das Gold, das er zu seinem Verderben erblickt hatte, nun auch wirklich zu
erhalten, er meldet dem Philetärus, mit welcher Anstrengung es ihm gelungen,
seine Wünsche zu erfüllen, und verlangt auf der Stelle den versprochenen
Lohn. Er bekommt ihn und der glückliche Myrmex hält Goldstücke in seiner Hand,
die nur an Kupfermünzen gewöhnt war. Nachdem die Nacht eingebrochen war,
geleitete er den ungeduldigen Liebhaber allein ins Haus und führte ihn mit
verhülltem Haupt ans Schlafzimmer seiner Herrin. Aber kaum hatte das
Paar sich dem ersten Genuß hingegeben, als gegen alle Erwartung der Mann,
der die Nacht zur Reise benutzt hatte, unvermuthet heimkehrt. Er klopft an
die Hausthür, er ruft, er wirft mit Steinen gegen die Pforte; durch das Zau¬
dern argwöhnisch gemacht, stößt er heftige Drohungen gegen Myrmex aus.
Der, durch den plötzlichen Unglücksfall ganz verwirrt und vor Angst völlig rath¬
los, schützt die einzig mögliche Entschuldigung vor, daß er in der Dunkelheit
die allzu wohl verwahrten Schlüssel nicht finden könne. Indessen wirft Phile¬
tärus, der den Lärm hört, rasch die Kleider über, läuft aber in der Ver¬
wirrung mit bloßen Füßen aus dem Schlafzimmer. Nun schließt endlich Myr¬
mex die Thür auf und empfängt seinen Herrn, der die Götter vom Himmel
herunter flucht und stracks ins Schlafzimmer eilt. Währendem läßt er Phile¬
tärus. der sich sachte vorbeigedrückt hat, hinaus und legt sich erleichterten Her¬
zens zur Ruhe. Aber als Barbarus mit Tagesanbruch das Schlafzimmer ver¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/466>, abgerufen am 03.05.2024.