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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Daß von Portugal viel Land erkauft werde, ist wohl schon aus pekuniären
Gründen nicht wahrscheinlich; jetzt besitzen die Portugiesen eben nur ein kleine
im Aufblühen begriffene Factorei und sie könnten ausgedehntes Territorium
schon deshalb nicht abtreten, weil sie es selbst nicht haben, da wie gesagt,
die Colonie hier in einem schmalen Küstenstreifen ausläuft. Würde also
Preußen etwa das Land bis an den König Georg Marine erhalten und sich
so nach Nordosten zu friedliche Nachbarschaft sichern, so wäre es im Uebrigen
angewiesen, auf eine mehr oder minder gütige Vereinbarung mit den um¬
wohnenden Kafferstämmen, welche die Abhänge des Drachengebirges bewoh¬
nen, das sich parallel der Küste, von derselben etwa 30 Meilen entfernt,
hinzieht. Unter diesen sind die westwärts wohnenden Stämme, nicht so be¬
rühmt, wie die südlichen, die Sulu, die bekanntlich von den Engländern für
den kriegerischsten Stamm erklärt werden.

Mag man vom Standpunkt menschlicher Empfindung darüber denken wie
man will, der Ausgang einer Berührung der preußischen Bevölkerung mit
den Kafferstämmen wird wohl von Niemandem in Zweifel gezogen werden.
Wir würden hoffen, daß die protestantische Macht nicht von vornherein durch
vorschnelle Thätigkeit der Missionare die Stämme gegen sich aufbrächte und
daß es ihr gelänge, im Wege des Vertrages sich die Oberhoheit zu schaffen,
wie es seiner Zeit von den holländischen Agitatoren geschah, und wozu die
Kaffern auch jetzt wohl schon deshalb geneigt wären, weil sie die Ueberlegenheit
der Europäer in den Kriegen mit den Engländern namentlich bei der Bil¬
dung von Natal deutlich demonstrirt erhalten haben. Zudem sind sie hier
fast nach allen Seiten abgeschnitten; während südlich vom Tugela die englische
Colonie Natal sie hemmt, schließen westwärts auf dem Hochplateau die hol¬
ländischen Boers, die Insassen der Transvaalschen Republik sie in ganzer
Länge vom Innern des Landes ab. Diese Holländer sind es eigentlich,
.denen England die Erhaltung der ursprünglich mit privaten Mitteln begrün¬
deten Niederlassung um Port Natal gegen die Sulakaffern zu verdanken ha¬
ben. Sie sind dann, als England ihre Erfolge für sich in Anspruch nahm
und die Freiheit der Republik Victoria vernichtete, aufs Neue ausgewandert
in das Gebiet des Oranjeflusses. von wo sie aufs Neue die englische Macht
verdrängte, welche 1848 die Oberhoheit in Anspruch nahm. Die Boers wur¬
den im August geschlagen, ein großer Theil blieb unter der englischen Hoheit
wohnen, die Mehrzahl zog wieder weiter über den Vaal hinauf, und grün¬
dete hier bis an den Limpopo die Transvaalsche Republik, deren Territorium
etwa das dreifache an Ausdehnung hat, als was für Preußen überhaupt zu
erlangen wäre.

Die Boers haben gezeigt, daß sie die besten Nachbarn sind, welche man


Grenzboten III. 18K8. 30

Daß von Portugal viel Land erkauft werde, ist wohl schon aus pekuniären
Gründen nicht wahrscheinlich; jetzt besitzen die Portugiesen eben nur ein kleine
im Aufblühen begriffene Factorei und sie könnten ausgedehntes Territorium
schon deshalb nicht abtreten, weil sie es selbst nicht haben, da wie gesagt,
die Colonie hier in einem schmalen Küstenstreifen ausläuft. Würde also
Preußen etwa das Land bis an den König Georg Marine erhalten und sich
so nach Nordosten zu friedliche Nachbarschaft sichern, so wäre es im Uebrigen
angewiesen, auf eine mehr oder minder gütige Vereinbarung mit den um¬
wohnenden Kafferstämmen, welche die Abhänge des Drachengebirges bewoh¬
nen, das sich parallel der Küste, von derselben etwa 30 Meilen entfernt,
hinzieht. Unter diesen sind die westwärts wohnenden Stämme, nicht so be¬
rühmt, wie die südlichen, die Sulu, die bekanntlich von den Engländern für
den kriegerischsten Stamm erklärt werden.

Mag man vom Standpunkt menschlicher Empfindung darüber denken wie
man will, der Ausgang einer Berührung der preußischen Bevölkerung mit
den Kafferstämmen wird wohl von Niemandem in Zweifel gezogen werden.
Wir würden hoffen, daß die protestantische Macht nicht von vornherein durch
vorschnelle Thätigkeit der Missionare die Stämme gegen sich aufbrächte und
daß es ihr gelänge, im Wege des Vertrages sich die Oberhoheit zu schaffen,
wie es seiner Zeit von den holländischen Agitatoren geschah, und wozu die
Kaffern auch jetzt wohl schon deshalb geneigt wären, weil sie die Ueberlegenheit
der Europäer in den Kriegen mit den Engländern namentlich bei der Bil¬
dung von Natal deutlich demonstrirt erhalten haben. Zudem sind sie hier
fast nach allen Seiten abgeschnitten; während südlich vom Tugela die englische
Colonie Natal sie hemmt, schließen westwärts auf dem Hochplateau die hol¬
ländischen Boers, die Insassen der Transvaalschen Republik sie in ganzer
Länge vom Innern des Landes ab. Diese Holländer sind es eigentlich,
.denen England die Erhaltung der ursprünglich mit privaten Mitteln begrün¬
deten Niederlassung um Port Natal gegen die Sulakaffern zu verdanken ha¬
ben. Sie sind dann, als England ihre Erfolge für sich in Anspruch nahm
und die Freiheit der Republik Victoria vernichtete, aufs Neue ausgewandert
in das Gebiet des Oranjeflusses. von wo sie aufs Neue die englische Macht
verdrängte, welche 1848 die Oberhoheit in Anspruch nahm. Die Boers wur¬
den im August geschlagen, ein großer Theil blieb unter der englischen Hoheit
wohnen, die Mehrzahl zog wieder weiter über den Vaal hinauf, und grün¬
dete hier bis an den Limpopo die Transvaalsche Republik, deren Territorium
etwa das dreifache an Ausdehnung hat, als was für Preußen überhaupt zu
erlangen wäre.

Die Boers haben gezeigt, daß sie die besten Nachbarn sind, welche man


Grenzboten III. 18K8. 30
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[0253] Daß von Portugal viel Land erkauft werde, ist wohl schon aus pekuniären Gründen nicht wahrscheinlich; jetzt besitzen die Portugiesen eben nur ein kleine im Aufblühen begriffene Factorei und sie könnten ausgedehntes Territorium schon deshalb nicht abtreten, weil sie es selbst nicht haben, da wie gesagt, die Colonie hier in einem schmalen Küstenstreifen ausläuft. Würde also Preußen etwa das Land bis an den König Georg Marine erhalten und sich so nach Nordosten zu friedliche Nachbarschaft sichern, so wäre es im Uebrigen angewiesen, auf eine mehr oder minder gütige Vereinbarung mit den um¬ wohnenden Kafferstämmen, welche die Abhänge des Drachengebirges bewoh¬ nen, das sich parallel der Küste, von derselben etwa 30 Meilen entfernt, hinzieht. Unter diesen sind die westwärts wohnenden Stämme, nicht so be¬ rühmt, wie die südlichen, die Sulu, die bekanntlich von den Engländern für den kriegerischsten Stamm erklärt werden. Mag man vom Standpunkt menschlicher Empfindung darüber denken wie man will, der Ausgang einer Berührung der preußischen Bevölkerung mit den Kafferstämmen wird wohl von Niemandem in Zweifel gezogen werden. Wir würden hoffen, daß die protestantische Macht nicht von vornherein durch vorschnelle Thätigkeit der Missionare die Stämme gegen sich aufbrächte und daß es ihr gelänge, im Wege des Vertrages sich die Oberhoheit zu schaffen, wie es seiner Zeit von den holländischen Agitatoren geschah, und wozu die Kaffern auch jetzt wohl schon deshalb geneigt wären, weil sie die Ueberlegenheit der Europäer in den Kriegen mit den Engländern namentlich bei der Bil¬ dung von Natal deutlich demonstrirt erhalten haben. Zudem sind sie hier fast nach allen Seiten abgeschnitten; während südlich vom Tugela die englische Colonie Natal sie hemmt, schließen westwärts auf dem Hochplateau die hol¬ ländischen Boers, die Insassen der Transvaalschen Republik sie in ganzer Länge vom Innern des Landes ab. Diese Holländer sind es eigentlich, .denen England die Erhaltung der ursprünglich mit privaten Mitteln begrün¬ deten Niederlassung um Port Natal gegen die Sulakaffern zu verdanken ha¬ ben. Sie sind dann, als England ihre Erfolge für sich in Anspruch nahm und die Freiheit der Republik Victoria vernichtete, aufs Neue ausgewandert in das Gebiet des Oranjeflusses. von wo sie aufs Neue die englische Macht verdrängte, welche 1848 die Oberhoheit in Anspruch nahm. Die Boers wur¬ den im August geschlagen, ein großer Theil blieb unter der englischen Hoheit wohnen, die Mehrzahl zog wieder weiter über den Vaal hinauf, und grün¬ dete hier bis an den Limpopo die Transvaalsche Republik, deren Territorium etwa das dreifache an Ausdehnung hat, als was für Preußen überhaupt zu erlangen wäre. Die Boers haben gezeigt, daß sie die besten Nachbarn sind, welche man Grenzboten III. 18K8. 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/253>, abgerufen am 18.05.2024.