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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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großen Erfolgen von 1866 unter der Führung des aus ihren eigenen Reihen
hervorgegangenen Staatsmannes zögernd und mit einigen Vorbehalten in
die nationale Bahn eingelenkt ist und dabei, vom Parteistandpunkt aus be¬
trachtet, nicht unerhebliche Opfer gebracht hat.

Wenn aber im Fortschreiten auf dieses Ziel die einzelnen Fractionen
der großen liberalen Partei über untergeordnete Punkte einander in die
Haare gerathen und der Streit stets nur hierüber führen, wenn diese
Nebenpunkte stets in den Vordergrund geschoben werden, wenn man immer
nur das betont, was trennt, nicht aber das, was vereinigt, wenn man sich
fortwährend in kleine Fehden und Scharmützel oder in burschikosen Corps-
und Landsmannschaftspaukereien zersplittert, wenn das Alles die Politiker vom
Fach thun, wenn das am grünen Holze geschieht, -- was soll dann am
dürren werden? Wie soll sich die Masse aufklären, wenn von den Führern
Alles geschieht, um sie zu verwirren? Wie soll sie die Haupt-, Richt- und
Zielpunkte im Auge haben, wenn sie nichts sieht, als Streit über Nebensachen?
Warum soll sie denn nicht endlich die Ueberzeugung gewinnen, daß es mit
den liberalen Führern und folglich auch mit der liberalen Sache (denn die
Masse unterscheidet nicht zwischen Person und Sache) nichts sei, da ihr dies
ja täglich von liberalen Blättern versichert wird?

tertius Muäet: Die Kreuzzeitung, die norddeutsche Allgemeine und
andere konservative Zeitungen können sich von Zeit zu Zeit das Vergnügen
nicht versagen, spaltenlange Blumenlesen aus den liberalen Blättern der ver¬
schiedensten Schattirungen zu bringen, in welchen dieselben einander bis auf's
Messer bekämpfen; und diejenigen Blätter, welche das "Lorussiam esss
äölönäam" predigen, welche entweder die Restauration des legitimistisch-welfi-
schen Kleinfürstenthums oder die Föderativrepublik oder auch beides zugleich
verfolgen und daher Preußen vernichten wollen, weil es allerdings glücklicher¬
weise für das Eine wie für das Andere ein Haupthinderniß ist, nehmen mit
Genugthuung Act davon, daß in Norddeutschland sich der Liberalismus spaltet,
je nachdem er mehr oder weniger national ist, und suchen den minder natio¬
nalen Zweig in die Alternative hinein zu manövriren, daß er entweder auf¬
hören muß zu existiren oder anfangen muß antinational zu werden und
direct oder indirect der Restauration des Welfenthums oder der Einführung
der Föderativrepublik in die Hände zu arbeiten.

Hat aber die jetzige preußische Fortschrittspartei (nicht mehr identisch mit
jener großen Vereinigung aä Koe, welche sich zur Confliktszeit so nannte)
ein Interesse dabei, diesen Heckenkrieg fortzusetzen?

Am Körper des politischen Pferdes gruppiren sich rechts und links die
verschiedenen Parteien, rechts und links von dem Reiter, der im Sattel sitzt
und die Zügel führt. Unten am Bauche stoßen die extremen Richtungen bei-


großen Erfolgen von 1866 unter der Führung des aus ihren eigenen Reihen
hervorgegangenen Staatsmannes zögernd und mit einigen Vorbehalten in
die nationale Bahn eingelenkt ist und dabei, vom Parteistandpunkt aus be¬
trachtet, nicht unerhebliche Opfer gebracht hat.

Wenn aber im Fortschreiten auf dieses Ziel die einzelnen Fractionen
der großen liberalen Partei über untergeordnete Punkte einander in die
Haare gerathen und der Streit stets nur hierüber führen, wenn diese
Nebenpunkte stets in den Vordergrund geschoben werden, wenn man immer
nur das betont, was trennt, nicht aber das, was vereinigt, wenn man sich
fortwährend in kleine Fehden und Scharmützel oder in burschikosen Corps-
und Landsmannschaftspaukereien zersplittert, wenn das Alles die Politiker vom
Fach thun, wenn das am grünen Holze geschieht, — was soll dann am
dürren werden? Wie soll sich die Masse aufklären, wenn von den Führern
Alles geschieht, um sie zu verwirren? Wie soll sie die Haupt-, Richt- und
Zielpunkte im Auge haben, wenn sie nichts sieht, als Streit über Nebensachen?
Warum soll sie denn nicht endlich die Ueberzeugung gewinnen, daß es mit
den liberalen Führern und folglich auch mit der liberalen Sache (denn die
Masse unterscheidet nicht zwischen Person und Sache) nichts sei, da ihr dies
ja täglich von liberalen Blättern versichert wird?

tertius Muäet: Die Kreuzzeitung, die norddeutsche Allgemeine und
andere konservative Zeitungen können sich von Zeit zu Zeit das Vergnügen
nicht versagen, spaltenlange Blumenlesen aus den liberalen Blättern der ver¬
schiedensten Schattirungen zu bringen, in welchen dieselben einander bis auf's
Messer bekämpfen; und diejenigen Blätter, welche das „Lorussiam esss
äölönäam" predigen, welche entweder die Restauration des legitimistisch-welfi-
schen Kleinfürstenthums oder die Föderativrepublik oder auch beides zugleich
verfolgen und daher Preußen vernichten wollen, weil es allerdings glücklicher¬
weise für das Eine wie für das Andere ein Haupthinderniß ist, nehmen mit
Genugthuung Act davon, daß in Norddeutschland sich der Liberalismus spaltet,
je nachdem er mehr oder weniger national ist, und suchen den minder natio¬
nalen Zweig in die Alternative hinein zu manövriren, daß er entweder auf¬
hören muß zu existiren oder anfangen muß antinational zu werden und
direct oder indirect der Restauration des Welfenthums oder der Einführung
der Föderativrepublik in die Hände zu arbeiten.

Hat aber die jetzige preußische Fortschrittspartei (nicht mehr identisch mit
jener großen Vereinigung aä Koe, welche sich zur Confliktszeit so nannte)
ein Interesse dabei, diesen Heckenkrieg fortzusetzen?

Am Körper des politischen Pferdes gruppiren sich rechts und links die
verschiedenen Parteien, rechts und links von dem Reiter, der im Sattel sitzt
und die Zügel führt. Unten am Bauche stoßen die extremen Richtungen bei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/66>, abgerufen am 19.05.2024.