Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

Bild:
<< vorherige Seite

thun der Gesammtgemeinde an ihrer Mark im Princip aufrechtzuerhalten, aber
die Auswüchse desselben wegzuschaffen, die Consequenzen zu ändern und dadurch
dieses nationale Institut allmählich von Innen auszuhöhlen. Während die Ge¬
meinde nach wie vor Eigenthümern des Grund und Bodens bleibt, wird derselbe
nach einer sorgfältigen Abschätzung unter die vorhandenen Gemeindeglieder zum
erblichen Nießbrauch verpachtet und dem Einzelnen das Recht eingeräumt,
seine Parcelle zu veräußern, zu vergrößern oder zu verkleinern. Der Pachtsatz
wird durch die Gemeinde selbst je nach den Bedürfnissen und Abgaben derselben
fixirt, -- durch Nichtbezahlung desselben verwirkt der Einzelne sein Inhaberrecht
und mit diesem seine Stimme in der Gemeindeverwaltung. Sache der Ge¬
meinde ist, die vacant gewordenen Parcellen anderweitig zu verpachten. Diese
Umgestaltung bedingt zugleich eine veränderte Stellung der einzelnen Ge¬
meindeglieder zu der Gemeinde selbst. Die solidarische Haftbarkeit für Leistung
von Steuern und öffentlichen Lasten hört von selbst auf, ebenso das Recht
der Gemeinde, ihre Glieder an dem Verzicht auf ihre Parcelle, an dem
Austritt und der Auswanderung zu hindern.

Auf das Detail dieser Vorschläge gehen wir ebenso wenig ein wie auf
eine Beurtheilung derselben -- die Hauptbedeutung der Schedo-Ferroti'schen
Schrift beruht darin, daß das Institut des russischen Gemeindebesitzes über¬
haupt zum Gegenstande eingehender Beobachtung und Kritik von berufener
Seite und vor dem gesammten europäischen Publikum gemacht
worden, -- daß das Schweigen gebrochen worden ist, mit welchem der Terro¬
rismus der nationalen und panslavistischen Partei dieses angebliche National-
heiligthum bisher zu umgeben und aller eingehenden Kritik zu entziehen
wußte. ^

Wir haben es für Pflicht gehalten, den Inhalt der Ferroti'schen Bro¬
schüre seinen Hauptpunkten nach hervorzuheben. Aus den verschiedensten
Gründen erscheint es wünschenswert!), das Interesse sür den in ihr be¬
handelten Gegenstand auch in weiteren Kreisen anzuregen. Und zwar ebenso
im russischen wie im occidentalen und namentlich im deutschen Interesse.
Der Wahnglaube, der der russischen Landgemeinde eine welterlösende Kraft
und kosmopolitische Bedeutung zumißt, ist wesentlich dadurch gefördert wor¬
den, daß trotz der provocatorischen Weise, in welcher der Gemeindebesitz als
neue Formel der Civilisation ausgeschrieen worden, Niemand im westlichen
Europa eine Erwiderung für nothwendig gehalten hat und der einzige
Deutsche, der davon Act genommen, der Freiherr v. Haxthausen, ein begei¬
sterter Anhänger jener Einrichtung ist. Ohne eingehendere Kenntniß von dem
Wesen und den Eigenthümlichkeiten der russischen Landgemeinde ist ein Verständ¬
niß auch nur für die neueren Vorgänge in Rußland und Polen so gut wie un¬
möglich. Namentlich für Oestreich und Ungarn, woder Kampf gegen den Pan-


thun der Gesammtgemeinde an ihrer Mark im Princip aufrechtzuerhalten, aber
die Auswüchse desselben wegzuschaffen, die Consequenzen zu ändern und dadurch
dieses nationale Institut allmählich von Innen auszuhöhlen. Während die Ge¬
meinde nach wie vor Eigenthümern des Grund und Bodens bleibt, wird derselbe
nach einer sorgfältigen Abschätzung unter die vorhandenen Gemeindeglieder zum
erblichen Nießbrauch verpachtet und dem Einzelnen das Recht eingeräumt,
seine Parcelle zu veräußern, zu vergrößern oder zu verkleinern. Der Pachtsatz
wird durch die Gemeinde selbst je nach den Bedürfnissen und Abgaben derselben
fixirt, — durch Nichtbezahlung desselben verwirkt der Einzelne sein Inhaberrecht
und mit diesem seine Stimme in der Gemeindeverwaltung. Sache der Ge¬
meinde ist, die vacant gewordenen Parcellen anderweitig zu verpachten. Diese
Umgestaltung bedingt zugleich eine veränderte Stellung der einzelnen Ge¬
meindeglieder zu der Gemeinde selbst. Die solidarische Haftbarkeit für Leistung
von Steuern und öffentlichen Lasten hört von selbst auf, ebenso das Recht
der Gemeinde, ihre Glieder an dem Verzicht auf ihre Parcelle, an dem
Austritt und der Auswanderung zu hindern.

Auf das Detail dieser Vorschläge gehen wir ebenso wenig ein wie auf
eine Beurtheilung derselben — die Hauptbedeutung der Schedo-Ferroti'schen
Schrift beruht darin, daß das Institut des russischen Gemeindebesitzes über¬
haupt zum Gegenstande eingehender Beobachtung und Kritik von berufener
Seite und vor dem gesammten europäischen Publikum gemacht
worden, — daß das Schweigen gebrochen worden ist, mit welchem der Terro¬
rismus der nationalen und panslavistischen Partei dieses angebliche National-
heiligthum bisher zu umgeben und aller eingehenden Kritik zu entziehen
wußte. ^

Wir haben es für Pflicht gehalten, den Inhalt der Ferroti'schen Bro¬
schüre seinen Hauptpunkten nach hervorzuheben. Aus den verschiedensten
Gründen erscheint es wünschenswert!), das Interesse sür den in ihr be¬
handelten Gegenstand auch in weiteren Kreisen anzuregen. Und zwar ebenso
im russischen wie im occidentalen und namentlich im deutschen Interesse.
Der Wahnglaube, der der russischen Landgemeinde eine welterlösende Kraft
und kosmopolitische Bedeutung zumißt, ist wesentlich dadurch gefördert wor¬
den, daß trotz der provocatorischen Weise, in welcher der Gemeindebesitz als
neue Formel der Civilisation ausgeschrieen worden, Niemand im westlichen
Europa eine Erwiderung für nothwendig gehalten hat und der einzige
Deutsche, der davon Act genommen, der Freiherr v. Haxthausen, ein begei¬
sterter Anhänger jener Einrichtung ist. Ohne eingehendere Kenntniß von dem
Wesen und den Eigenthümlichkeiten der russischen Landgemeinde ist ein Verständ¬
niß auch nur für die neueren Vorgänge in Rußland und Polen so gut wie un¬
möglich. Namentlich für Oestreich und Ungarn, woder Kampf gegen den Pan-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287287"/>
          <p xml:id="ID_18" prev="#ID_17"> thun der Gesammtgemeinde an ihrer Mark im Princip aufrechtzuerhalten, aber<lb/>
die Auswüchse desselben wegzuschaffen, die Consequenzen zu ändern und dadurch<lb/>
dieses nationale Institut allmählich von Innen auszuhöhlen. Während die Ge¬<lb/>
meinde nach wie vor Eigenthümern des Grund und Bodens bleibt, wird derselbe<lb/>
nach einer sorgfältigen Abschätzung unter die vorhandenen Gemeindeglieder zum<lb/>
erblichen Nießbrauch verpachtet und dem Einzelnen das Recht eingeräumt,<lb/>
seine Parcelle zu veräußern, zu vergrößern oder zu verkleinern. Der Pachtsatz<lb/>
wird durch die Gemeinde selbst je nach den Bedürfnissen und Abgaben derselben<lb/>
fixirt, &#x2014; durch Nichtbezahlung desselben verwirkt der Einzelne sein Inhaberrecht<lb/>
und mit diesem seine Stimme in der Gemeindeverwaltung. Sache der Ge¬<lb/>
meinde ist, die vacant gewordenen Parcellen anderweitig zu verpachten. Diese<lb/>
Umgestaltung bedingt zugleich eine veränderte Stellung der einzelnen Ge¬<lb/>
meindeglieder zu der Gemeinde selbst. Die solidarische Haftbarkeit für Leistung<lb/>
von Steuern und öffentlichen Lasten hört von selbst auf, ebenso das Recht<lb/>
der Gemeinde, ihre Glieder an dem Verzicht auf ihre Parcelle, an dem<lb/>
Austritt und der Auswanderung zu hindern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_19"> Auf das Detail dieser Vorschläge gehen wir ebenso wenig ein wie auf<lb/>
eine Beurtheilung derselben &#x2014; die Hauptbedeutung der Schedo-Ferroti'schen<lb/>
Schrift beruht darin, daß das Institut des russischen Gemeindebesitzes über¬<lb/>
haupt zum Gegenstande eingehender Beobachtung und Kritik von berufener<lb/>
Seite und vor dem gesammten europäischen Publikum gemacht<lb/>
worden, &#x2014; daß das Schweigen gebrochen worden ist, mit welchem der Terro¬<lb/>
rismus der nationalen und panslavistischen Partei dieses angebliche National-<lb/>
heiligthum bisher zu umgeben und aller eingehenden Kritik zu entziehen<lb/>
wußte. ^</p><lb/>
          <p xml:id="ID_20" next="#ID_21"> Wir haben es für Pflicht gehalten, den Inhalt der Ferroti'schen Bro¬<lb/>
schüre seinen Hauptpunkten nach hervorzuheben. Aus den verschiedensten<lb/>
Gründen erscheint es wünschenswert!), das Interesse sür den in ihr be¬<lb/>
handelten Gegenstand auch in weiteren Kreisen anzuregen. Und zwar ebenso<lb/>
im russischen wie im occidentalen und namentlich im deutschen Interesse.<lb/>
Der Wahnglaube, der der russischen Landgemeinde eine welterlösende Kraft<lb/>
und kosmopolitische Bedeutung zumißt, ist wesentlich dadurch gefördert wor¬<lb/>
den, daß trotz der provocatorischen Weise, in welcher der Gemeindebesitz als<lb/>
neue Formel der Civilisation ausgeschrieen worden, Niemand im westlichen<lb/>
Europa eine Erwiderung für nothwendig gehalten hat und der einzige<lb/>
Deutsche, der davon Act genommen, der Freiherr v. Haxthausen, ein begei¬<lb/>
sterter Anhänger jener Einrichtung ist. Ohne eingehendere Kenntniß von dem<lb/>
Wesen und den Eigenthümlichkeiten der russischen Landgemeinde ist ein Verständ¬<lb/>
niß auch nur für die neueren Vorgänge in Rußland und Polen so gut wie un¬<lb/>
möglich. Namentlich für Oestreich und Ungarn, woder Kampf gegen den Pan-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0015] thun der Gesammtgemeinde an ihrer Mark im Princip aufrechtzuerhalten, aber die Auswüchse desselben wegzuschaffen, die Consequenzen zu ändern und dadurch dieses nationale Institut allmählich von Innen auszuhöhlen. Während die Ge¬ meinde nach wie vor Eigenthümern des Grund und Bodens bleibt, wird derselbe nach einer sorgfältigen Abschätzung unter die vorhandenen Gemeindeglieder zum erblichen Nießbrauch verpachtet und dem Einzelnen das Recht eingeräumt, seine Parcelle zu veräußern, zu vergrößern oder zu verkleinern. Der Pachtsatz wird durch die Gemeinde selbst je nach den Bedürfnissen und Abgaben derselben fixirt, — durch Nichtbezahlung desselben verwirkt der Einzelne sein Inhaberrecht und mit diesem seine Stimme in der Gemeindeverwaltung. Sache der Ge¬ meinde ist, die vacant gewordenen Parcellen anderweitig zu verpachten. Diese Umgestaltung bedingt zugleich eine veränderte Stellung der einzelnen Ge¬ meindeglieder zu der Gemeinde selbst. Die solidarische Haftbarkeit für Leistung von Steuern und öffentlichen Lasten hört von selbst auf, ebenso das Recht der Gemeinde, ihre Glieder an dem Verzicht auf ihre Parcelle, an dem Austritt und der Auswanderung zu hindern. Auf das Detail dieser Vorschläge gehen wir ebenso wenig ein wie auf eine Beurtheilung derselben — die Hauptbedeutung der Schedo-Ferroti'schen Schrift beruht darin, daß das Institut des russischen Gemeindebesitzes über¬ haupt zum Gegenstande eingehender Beobachtung und Kritik von berufener Seite und vor dem gesammten europäischen Publikum gemacht worden, — daß das Schweigen gebrochen worden ist, mit welchem der Terro¬ rismus der nationalen und panslavistischen Partei dieses angebliche National- heiligthum bisher zu umgeben und aller eingehenden Kritik zu entziehen wußte. ^ Wir haben es für Pflicht gehalten, den Inhalt der Ferroti'schen Bro¬ schüre seinen Hauptpunkten nach hervorzuheben. Aus den verschiedensten Gründen erscheint es wünschenswert!), das Interesse sür den in ihr be¬ handelten Gegenstand auch in weiteren Kreisen anzuregen. Und zwar ebenso im russischen wie im occidentalen und namentlich im deutschen Interesse. Der Wahnglaube, der der russischen Landgemeinde eine welterlösende Kraft und kosmopolitische Bedeutung zumißt, ist wesentlich dadurch gefördert wor¬ den, daß trotz der provocatorischen Weise, in welcher der Gemeindebesitz als neue Formel der Civilisation ausgeschrieen worden, Niemand im westlichen Europa eine Erwiderung für nothwendig gehalten hat und der einzige Deutsche, der davon Act genommen, der Freiherr v. Haxthausen, ein begei¬ sterter Anhänger jener Einrichtung ist. Ohne eingehendere Kenntniß von dem Wesen und den Eigenthümlichkeiten der russischen Landgemeinde ist ein Verständ¬ niß auch nur für die neueren Vorgänge in Rußland und Polen so gut wie un¬ möglich. Namentlich für Oestreich und Ungarn, woder Kampf gegen den Pan-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/15
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/15>, abgerufen am 18.05.2024.