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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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ein Abkommen getroffen werden, welches die Wahrnehmung der hoheitlichen
Rechte des Bundes für Wolde auf einen von beiden (wie geschehen, aus
Mecklenburg) übertrug.

Selbstverständlich wird Wolde dagegen auch Anspruch auf Genuß der
aus der Zugehörigkeit zum norddeutschen Bunde entspringenden Rechte haben,
namentlich auch auf Theilnahme an den Reichstagswahlen; jedenfalls dürfte
die jetzige veränderte Lage zu einer endlichen Erledigung des Streits wegen
der Landeshoheit den geeignetsten Anlaß bieten. Bis jetzt ist Wolde weder
im preußischen Landtage vertreten gewesen, noch hat dessen Besitzer Sitz und
Stimme auf dem mecklenburgischen Landtage gehabt. Seine Vertretung wird
Wolde erforderlichen Falls direct beim Bundesrath und Reichstag zu
suchen haben.

Aus dem Besitz der oben erwähnten Familie Preen gelangte Wolde in
den der gräflich von Moltcke'schen Familie, welche sich beim Verkaufe des
Guts an den Grafen von Pleßen auf Jvenack die Grabcapelle reservirte.
Jetziger Besitzer Wolde's ist der in Mecklenburg auch anderweitig begüterte
Kammerherr von Fabrice.

Wolde hat eine Feldmark von 194,155 Quadratruthen (ca. 1645 magdeb.
Morgen) und bildet einen lieblichen Landsitz mit ca. 200 Bewohnern, unter
denen schon früher, ehe die Gewerbefreiheit für Mecklenburg auf das platte
Land ausgedehnt wurde, ein Kaufmann und verschiedene Handwerker existirten.
Der jetzige Besitzer hat einen ganz neuen Wirthschaftshos mit massiven Ge¬
bäuden, zugleich auch weitläufige Parks anlegen lassen. Das Schloß mit
zwei an der Vorderseite vorspringenden Flügeln ist von schönem einfachem
Stil. Die Rückseite desselben wird von dem Garten begrenzt, der hier zu¬
nächst in drei hohen Terrassen abwärts fällt und links vom Schlosse ein
schönes Lindenparterre bildet, dann aber in die Parkanlagen übergeht. Eine
steile Anhöhe mit dichtem Gebüsch bewachsen, der sogenannte Schloßberg,
auf dem in neuerer Zeit eine Kirche in byzantinischem Stil erbaut wurde,
ist von einem tiefen Graben und den Spuren eines Walles umgeben, der
die Stelle der 1491 zerstörten Burg bezeichnet. -- Wie damals der Herzog von
Pommern den Trotz des auf Wolde gesessenen Ritters gebrochen, so hat jetzt
die von Preußen ausgegangene Begründung des norddeutschen Bundes der
bisherigen "staatsrechtlichen Freiheit Wolde's" ein Ende gemacht. Unter dem
durchlauchtigsten Bundestage hätte auch diese "historisch-politische Individua¬
lität" Aussicht gehabt, bis an das "Ende der Tage" fortzubestehen.




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ein Abkommen getroffen werden, welches die Wahrnehmung der hoheitlichen
Rechte des Bundes für Wolde auf einen von beiden (wie geschehen, aus
Mecklenburg) übertrug.

Selbstverständlich wird Wolde dagegen auch Anspruch auf Genuß der
aus der Zugehörigkeit zum norddeutschen Bunde entspringenden Rechte haben,
namentlich auch auf Theilnahme an den Reichstagswahlen; jedenfalls dürfte
die jetzige veränderte Lage zu einer endlichen Erledigung des Streits wegen
der Landeshoheit den geeignetsten Anlaß bieten. Bis jetzt ist Wolde weder
im preußischen Landtage vertreten gewesen, noch hat dessen Besitzer Sitz und
Stimme auf dem mecklenburgischen Landtage gehabt. Seine Vertretung wird
Wolde erforderlichen Falls direct beim Bundesrath und Reichstag zu
suchen haben.

Aus dem Besitz der oben erwähnten Familie Preen gelangte Wolde in
den der gräflich von Moltcke'schen Familie, welche sich beim Verkaufe des
Guts an den Grafen von Pleßen auf Jvenack die Grabcapelle reservirte.
Jetziger Besitzer Wolde's ist der in Mecklenburg auch anderweitig begüterte
Kammerherr von Fabrice.

Wolde hat eine Feldmark von 194,155 Quadratruthen (ca. 1645 magdeb.
Morgen) und bildet einen lieblichen Landsitz mit ca. 200 Bewohnern, unter
denen schon früher, ehe die Gewerbefreiheit für Mecklenburg auf das platte
Land ausgedehnt wurde, ein Kaufmann und verschiedene Handwerker existirten.
Der jetzige Besitzer hat einen ganz neuen Wirthschaftshos mit massiven Ge¬
bäuden, zugleich auch weitläufige Parks anlegen lassen. Das Schloß mit
zwei an der Vorderseite vorspringenden Flügeln ist von schönem einfachem
Stil. Die Rückseite desselben wird von dem Garten begrenzt, der hier zu¬
nächst in drei hohen Terrassen abwärts fällt und links vom Schlosse ein
schönes Lindenparterre bildet, dann aber in die Parkanlagen übergeht. Eine
steile Anhöhe mit dichtem Gebüsch bewachsen, der sogenannte Schloßberg,
auf dem in neuerer Zeit eine Kirche in byzantinischem Stil erbaut wurde,
ist von einem tiefen Graben und den Spuren eines Walles umgeben, der
die Stelle der 1491 zerstörten Burg bezeichnet. — Wie damals der Herzog von
Pommern den Trotz des auf Wolde gesessenen Ritters gebrochen, so hat jetzt
die von Preußen ausgegangene Begründung des norddeutschen Bundes der
bisherigen „staatsrechtlichen Freiheit Wolde's" ein Ende gemacht. Unter dem
durchlauchtigsten Bundestage hätte auch diese „historisch-politische Individua¬
lität" Aussicht gehabt, bis an das „Ende der Tage" fortzubestehen.




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[0407] ein Abkommen getroffen werden, welches die Wahrnehmung der hoheitlichen Rechte des Bundes für Wolde auf einen von beiden (wie geschehen, aus Mecklenburg) übertrug. Selbstverständlich wird Wolde dagegen auch Anspruch auf Genuß der aus der Zugehörigkeit zum norddeutschen Bunde entspringenden Rechte haben, namentlich auch auf Theilnahme an den Reichstagswahlen; jedenfalls dürfte die jetzige veränderte Lage zu einer endlichen Erledigung des Streits wegen der Landeshoheit den geeignetsten Anlaß bieten. Bis jetzt ist Wolde weder im preußischen Landtage vertreten gewesen, noch hat dessen Besitzer Sitz und Stimme auf dem mecklenburgischen Landtage gehabt. Seine Vertretung wird Wolde erforderlichen Falls direct beim Bundesrath und Reichstag zu suchen haben. Aus dem Besitz der oben erwähnten Familie Preen gelangte Wolde in den der gräflich von Moltcke'schen Familie, welche sich beim Verkaufe des Guts an den Grafen von Pleßen auf Jvenack die Grabcapelle reservirte. Jetziger Besitzer Wolde's ist der in Mecklenburg auch anderweitig begüterte Kammerherr von Fabrice. Wolde hat eine Feldmark von 194,155 Quadratruthen (ca. 1645 magdeb. Morgen) und bildet einen lieblichen Landsitz mit ca. 200 Bewohnern, unter denen schon früher, ehe die Gewerbefreiheit für Mecklenburg auf das platte Land ausgedehnt wurde, ein Kaufmann und verschiedene Handwerker existirten. Der jetzige Besitzer hat einen ganz neuen Wirthschaftshos mit massiven Ge¬ bäuden, zugleich auch weitläufige Parks anlegen lassen. Das Schloß mit zwei an der Vorderseite vorspringenden Flügeln ist von schönem einfachem Stil. Die Rückseite desselben wird von dem Garten begrenzt, der hier zu¬ nächst in drei hohen Terrassen abwärts fällt und links vom Schlosse ein schönes Lindenparterre bildet, dann aber in die Parkanlagen übergeht. Eine steile Anhöhe mit dichtem Gebüsch bewachsen, der sogenannte Schloßberg, auf dem in neuerer Zeit eine Kirche in byzantinischem Stil erbaut wurde, ist von einem tiefen Graben und den Spuren eines Walles umgeben, der die Stelle der 1491 zerstörten Burg bezeichnet. — Wie damals der Herzog von Pommern den Trotz des auf Wolde gesessenen Ritters gebrochen, so hat jetzt die von Preußen ausgegangene Begründung des norddeutschen Bundes der bisherigen „staatsrechtlichen Freiheit Wolde's" ein Ende gemacht. Unter dem durchlauchtigsten Bundestage hätte auch diese „historisch-politische Individua¬ lität" Aussicht gehabt, bis an das „Ende der Tage" fortzubestehen. 48"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/407>, abgerufen am 19.05.2024.