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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Valerie nicht nach der Erfahrung des kurzen Gebirgsfeldzugs abzusprechen
sein. Die strategische Bedeutung derselben in den modernen Heeren hängt
vielmehr davon ab, daß sich ein Feldherr findet, welche dieselbe dazu gebrauchen
versteht, wo seine Infanterie nicht hinreicht, in Rücken und Flanke des Fein¬
des. Und obgleich diese Waffe sehr kostbar ist. so wird die Armee des
deutschen Bundes doch eine wesentliche Verminderung derselben wenigstens
so lange aussetzen müssen, bis der an unserer Zukunft langsam heraufsteigende
Conflict mit der Macht, welche auf den weiten Ebenen des europäischen
Ostens lagert, ausgekämpft sein wird.

Seit dem Kriege von 1866 sind mehr als zwei Jahre verflossen; wie
unfertig die politischen Bildungen dieser Neuzeit auch aus anderen Gebieten sein
mögen, für die Fortbildung des deutschen Heerwesens sind die Jahre sehr
thatenreich gewesen und es ist Großes in ihnen geleistet. Das deutsche
Bundesheer ist die große nationale Turnanstalt geworden, in welcher jeder
gesunde Jüngling zum Waffendienst für das Vaterland ausgebildet und
durch die Gewöhnung an eine große Pflicht und durch die eigenthümliche Ent¬
wickelung der Willenskraft, welche militärischer Befehl und Gehorsam ver¬
leiht, für sein bürgerliches Leben gekräftigt wird. Es ist sehr merkwürdig
und ein vortreffliches Zeugniß für die Tüchtigkeit des deutschen Volkes, daß
die allgemeine Wehrpflicht, welche noch vor kurzer Zeit vielen Deutschen be¬
sonders drückend und unerträglich schien, sich überall am schnellsten eingebürgert
hat und grade bei den Anspruchsvollen am ersten populär geworden ist. Sie
übt trotz aller Härten unablässig ihre segensvolle Wirkung, dem neuen Staat
Vertheidiger, Bewunderer, treue und freudige Bürger zu ziehen, und sie, gerade
sie vorzugsweise, wird innerhalb der jetzt lebenden Generation unaufhaltsam
die Nation zu einer politischen Einheit verbinden. Auch dies ist ein Erfolg
des Krieges von 1866, daß die Deutschen des Bundes sich mit Stolz ihres
Heeres als einer großen nationalen Bildungsanstalt bewußt werden.

Den Titeln der beiden Generalstabswerke vor dieser Besprechung ist der
des Werkes von Blankenburg beigefügt. Es geschah dies, um spät eine kleine
Pflicht der Dankbarkeit zu erfüllen. Denn das Werk von Blankenburg war
das erste, welches mit edlem Patriotismus und nicht gemeiner militärischer
Einsicht das Verständniß der Kriegsoperationen dem großen Publicum er¬
öffnete. Die gute Wirkung, welche dasselbe geübt, fordert grade jetzt eine
öffentliche Anerkennung, wo durch die officiellen Schriften eine genauere Ein¬
sicht in Operationen und Motive und größere Kenntniß des Details möglich
geworden' sind. Mit Freuden wird man sehen, wie gut der Verfasser in
vielen wesentlichen Punkten sogleich nach den kriegerischen Ereignissen von
1866 geurtheilt hat.

Die Literatur des Mainfeldzugs fordert gesonderte Besprechung.


?


Valerie nicht nach der Erfahrung des kurzen Gebirgsfeldzugs abzusprechen
sein. Die strategische Bedeutung derselben in den modernen Heeren hängt
vielmehr davon ab, daß sich ein Feldherr findet, welche dieselbe dazu gebrauchen
versteht, wo seine Infanterie nicht hinreicht, in Rücken und Flanke des Fein¬
des. Und obgleich diese Waffe sehr kostbar ist. so wird die Armee des
deutschen Bundes doch eine wesentliche Verminderung derselben wenigstens
so lange aussetzen müssen, bis der an unserer Zukunft langsam heraufsteigende
Conflict mit der Macht, welche auf den weiten Ebenen des europäischen
Ostens lagert, ausgekämpft sein wird.

Seit dem Kriege von 1866 sind mehr als zwei Jahre verflossen; wie
unfertig die politischen Bildungen dieser Neuzeit auch aus anderen Gebieten sein
mögen, für die Fortbildung des deutschen Heerwesens sind die Jahre sehr
thatenreich gewesen und es ist Großes in ihnen geleistet. Das deutsche
Bundesheer ist die große nationale Turnanstalt geworden, in welcher jeder
gesunde Jüngling zum Waffendienst für das Vaterland ausgebildet und
durch die Gewöhnung an eine große Pflicht und durch die eigenthümliche Ent¬
wickelung der Willenskraft, welche militärischer Befehl und Gehorsam ver¬
leiht, für sein bürgerliches Leben gekräftigt wird. Es ist sehr merkwürdig
und ein vortreffliches Zeugniß für die Tüchtigkeit des deutschen Volkes, daß
die allgemeine Wehrpflicht, welche noch vor kurzer Zeit vielen Deutschen be¬
sonders drückend und unerträglich schien, sich überall am schnellsten eingebürgert
hat und grade bei den Anspruchsvollen am ersten populär geworden ist. Sie
übt trotz aller Härten unablässig ihre segensvolle Wirkung, dem neuen Staat
Vertheidiger, Bewunderer, treue und freudige Bürger zu ziehen, und sie, gerade
sie vorzugsweise, wird innerhalb der jetzt lebenden Generation unaufhaltsam
die Nation zu einer politischen Einheit verbinden. Auch dies ist ein Erfolg
des Krieges von 1866, daß die Deutschen des Bundes sich mit Stolz ihres
Heeres als einer großen nationalen Bildungsanstalt bewußt werden.

Den Titeln der beiden Generalstabswerke vor dieser Besprechung ist der
des Werkes von Blankenburg beigefügt. Es geschah dies, um spät eine kleine
Pflicht der Dankbarkeit zu erfüllen. Denn das Werk von Blankenburg war
das erste, welches mit edlem Patriotismus und nicht gemeiner militärischer
Einsicht das Verständniß der Kriegsoperationen dem großen Publicum er¬
öffnete. Die gute Wirkung, welche dasselbe geübt, fordert grade jetzt eine
öffentliche Anerkennung, wo durch die officiellen Schriften eine genauere Ein¬
sicht in Operationen und Motive und größere Kenntniß des Details möglich
geworden' sind. Mit Freuden wird man sehen, wie gut der Verfasser in
vielen wesentlichen Punkten sogleich nach den kriegerischen Ereignissen von
1866 geurtheilt hat.

Die Literatur des Mainfeldzugs fordert gesonderte Besprechung.


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[0024] Valerie nicht nach der Erfahrung des kurzen Gebirgsfeldzugs abzusprechen sein. Die strategische Bedeutung derselben in den modernen Heeren hängt vielmehr davon ab, daß sich ein Feldherr findet, welche dieselbe dazu gebrauchen versteht, wo seine Infanterie nicht hinreicht, in Rücken und Flanke des Fein¬ des. Und obgleich diese Waffe sehr kostbar ist. so wird die Armee des deutschen Bundes doch eine wesentliche Verminderung derselben wenigstens so lange aussetzen müssen, bis der an unserer Zukunft langsam heraufsteigende Conflict mit der Macht, welche auf den weiten Ebenen des europäischen Ostens lagert, ausgekämpft sein wird. Seit dem Kriege von 1866 sind mehr als zwei Jahre verflossen; wie unfertig die politischen Bildungen dieser Neuzeit auch aus anderen Gebieten sein mögen, für die Fortbildung des deutschen Heerwesens sind die Jahre sehr thatenreich gewesen und es ist Großes in ihnen geleistet. Das deutsche Bundesheer ist die große nationale Turnanstalt geworden, in welcher jeder gesunde Jüngling zum Waffendienst für das Vaterland ausgebildet und durch die Gewöhnung an eine große Pflicht und durch die eigenthümliche Ent¬ wickelung der Willenskraft, welche militärischer Befehl und Gehorsam ver¬ leiht, für sein bürgerliches Leben gekräftigt wird. Es ist sehr merkwürdig und ein vortreffliches Zeugniß für die Tüchtigkeit des deutschen Volkes, daß die allgemeine Wehrpflicht, welche noch vor kurzer Zeit vielen Deutschen be¬ sonders drückend und unerträglich schien, sich überall am schnellsten eingebürgert hat und grade bei den Anspruchsvollen am ersten populär geworden ist. Sie übt trotz aller Härten unablässig ihre segensvolle Wirkung, dem neuen Staat Vertheidiger, Bewunderer, treue und freudige Bürger zu ziehen, und sie, gerade sie vorzugsweise, wird innerhalb der jetzt lebenden Generation unaufhaltsam die Nation zu einer politischen Einheit verbinden. Auch dies ist ein Erfolg des Krieges von 1866, daß die Deutschen des Bundes sich mit Stolz ihres Heeres als einer großen nationalen Bildungsanstalt bewußt werden. Den Titeln der beiden Generalstabswerke vor dieser Besprechung ist der des Werkes von Blankenburg beigefügt. Es geschah dies, um spät eine kleine Pflicht der Dankbarkeit zu erfüllen. Denn das Werk von Blankenburg war das erste, welches mit edlem Patriotismus und nicht gemeiner militärischer Einsicht das Verständniß der Kriegsoperationen dem großen Publicum er¬ öffnete. Die gute Wirkung, welche dasselbe geübt, fordert grade jetzt eine öffentliche Anerkennung, wo durch die officiellen Schriften eine genauere Ein¬ sicht in Operationen und Motive und größere Kenntniß des Details möglich geworden' sind. Mit Freuden wird man sehen, wie gut der Verfasser in vielen wesentlichen Punkten sogleich nach den kriegerischen Ereignissen von 1866 geurtheilt hat. Die Literatur des Mainfeldzugs fordert gesonderte Besprechung. ?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/24>, abgerufen am 20.05.2024.