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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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ist es verboten, Geschäfte zu besorgen, wenn der Auftraggeber nicht die ent¬
sprechende Summe dem Agenten zum Voraus eingehändigt hat. Schon die
Börsenordnung von 1724 bestimmte, daß diejenigen, welche öffentliche Effec¬
ten kaufen wollten, das Geld oder die Effecten dem Börsenagenten vor der
Börsenstunde einhändigen mußten. Der Gesetzgeber glaubte damit das
Spiel beschränken zu können.

Die Börsenpolizei gehört in Paris dem Polizeipräfecten; kein Militär
darf im Innern der Börse Functionen ausüben. Sie ist allen Bürgern und
Fremden geöffnet, den Frauen aber bereits durch ein Edict vom I. 1724
verboten, und kein Gesetz hat bis jetzt dieses Verbot aufgehoben. Die Zahl
der Börsenagenten in Frankreich ist durch eine Ordonanz bestimmt; sie haben
das Recht, wie die Notare und Anwälte, ihre Nachfolger der Regierung vor¬
zuschlagen; diese Präsentation geschieht zu einem vereinbarten Preise und
zum Vortheil des Abgebers.

In den letzten Jahren der Restauration wurden die Stellen der Börsen¬
agenten zu Paris schon mit 400,000 Fras. bezahlt. Am Ende der Regierung
Louis Philipps erreichten sie den Preis von 950,000 Fra.; seit dem zweiten
Kaiserreich ist derselbe auf 1,800,000 Fra. gestiegen. In der Regel hat eine
Stelle mehrere Theilhaber, die je nach Verhältniß mit dem Namen: Viertel-,
Achtel- und Sechzehntelagenten bezeichnet werden. Der Hauptagent ist häufig
von fünf oder sechs Associe's -- Commcmditaires -- umgeben, deren manche
ihren Antheil kauften, um mit größerer Sicherheit speculiren zu können. --
Das Syndicat der Börsenagenten besteht aus sieben Personen, die jährlich
mit Stimmenmehrheit gewählt werden und die Interessen der Körperschaft
vertreten. Trotz der riesigen Zunahme des Verkehrs ist die Zahl der Börsen¬
agenten immer dieselbe geblieben, es sind heute wie im Jahre 1724 nur
Sechszig.

Während der letzten neun Monate des Jahres 1862 war das Zuströ¬
men der Speculanten so stark, daß diese Zahl nicht ausreichte, um nur die
gegen baare Zahlung eingegangenen Aufträge ausführen zu können. Es war
der Anfang des zweiten Kaiserreiches. Fould war in jenen Tagen Finanz¬
minister der Republik, zugleich Bankier und Hauptfinancier des Prinz-Präsiden¬
ten. Achilles Fould, Benedict Fould. Emil und Jsaac Pereire. Morny.
Hausmann und Persigny, all' die wichtigen Anhänger des napoleonischen
Staatsstreiches standen am Spieltische. Die Kunst, über Nacht reich zu
werden war in jenen Tagen die Hälfte aller Staatsweisheit. Am 18. No¬
vember 18S2 wurde der Cre'dit Mobilier durch ein Decret des Prinz-Präsi¬
denten errichtet. Benedict Fould, seit 1856 verstorben, wurde neben Jsaac
Pereire Präsident der Anstalt, welche Hand in Hand mit dem Finanzminister,


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ist es verboten, Geschäfte zu besorgen, wenn der Auftraggeber nicht die ent¬
sprechende Summe dem Agenten zum Voraus eingehändigt hat. Schon die
Börsenordnung von 1724 bestimmte, daß diejenigen, welche öffentliche Effec¬
ten kaufen wollten, das Geld oder die Effecten dem Börsenagenten vor der
Börsenstunde einhändigen mußten. Der Gesetzgeber glaubte damit das
Spiel beschränken zu können.

Die Börsenpolizei gehört in Paris dem Polizeipräfecten; kein Militär
darf im Innern der Börse Functionen ausüben. Sie ist allen Bürgern und
Fremden geöffnet, den Frauen aber bereits durch ein Edict vom I. 1724
verboten, und kein Gesetz hat bis jetzt dieses Verbot aufgehoben. Die Zahl
der Börsenagenten in Frankreich ist durch eine Ordonanz bestimmt; sie haben
das Recht, wie die Notare und Anwälte, ihre Nachfolger der Regierung vor¬
zuschlagen; diese Präsentation geschieht zu einem vereinbarten Preise und
zum Vortheil des Abgebers.

In den letzten Jahren der Restauration wurden die Stellen der Börsen¬
agenten zu Paris schon mit 400,000 Fras. bezahlt. Am Ende der Regierung
Louis Philipps erreichten sie den Preis von 950,000 Fra.; seit dem zweiten
Kaiserreich ist derselbe auf 1,800,000 Fra. gestiegen. In der Regel hat eine
Stelle mehrere Theilhaber, die je nach Verhältniß mit dem Namen: Viertel-,
Achtel- und Sechzehntelagenten bezeichnet werden. Der Hauptagent ist häufig
von fünf oder sechs Associe's — Commcmditaires — umgeben, deren manche
ihren Antheil kauften, um mit größerer Sicherheit speculiren zu können. —
Das Syndicat der Börsenagenten besteht aus sieben Personen, die jährlich
mit Stimmenmehrheit gewählt werden und die Interessen der Körperschaft
vertreten. Trotz der riesigen Zunahme des Verkehrs ist die Zahl der Börsen¬
agenten immer dieselbe geblieben, es sind heute wie im Jahre 1724 nur
Sechszig.

Während der letzten neun Monate des Jahres 1862 war das Zuströ¬
men der Speculanten so stark, daß diese Zahl nicht ausreichte, um nur die
gegen baare Zahlung eingegangenen Aufträge ausführen zu können. Es war
der Anfang des zweiten Kaiserreiches. Fould war in jenen Tagen Finanz¬
minister der Republik, zugleich Bankier und Hauptfinancier des Prinz-Präsiden¬
ten. Achilles Fould, Benedict Fould. Emil und Jsaac Pereire. Morny.
Hausmann und Persigny, all' die wichtigen Anhänger des napoleonischen
Staatsstreiches standen am Spieltische. Die Kunst, über Nacht reich zu
werden war in jenen Tagen die Hälfte aller Staatsweisheit. Am 18. No¬
vember 18S2 wurde der Cre'dit Mobilier durch ein Decret des Prinz-Präsi¬
denten errichtet. Benedict Fould, seit 1856 verstorben, wurde neben Jsaac
Pereire Präsident der Anstalt, welche Hand in Hand mit dem Finanzminister,


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[0327] ist es verboten, Geschäfte zu besorgen, wenn der Auftraggeber nicht die ent¬ sprechende Summe dem Agenten zum Voraus eingehändigt hat. Schon die Börsenordnung von 1724 bestimmte, daß diejenigen, welche öffentliche Effec¬ ten kaufen wollten, das Geld oder die Effecten dem Börsenagenten vor der Börsenstunde einhändigen mußten. Der Gesetzgeber glaubte damit das Spiel beschränken zu können. Die Börsenpolizei gehört in Paris dem Polizeipräfecten; kein Militär darf im Innern der Börse Functionen ausüben. Sie ist allen Bürgern und Fremden geöffnet, den Frauen aber bereits durch ein Edict vom I. 1724 verboten, und kein Gesetz hat bis jetzt dieses Verbot aufgehoben. Die Zahl der Börsenagenten in Frankreich ist durch eine Ordonanz bestimmt; sie haben das Recht, wie die Notare und Anwälte, ihre Nachfolger der Regierung vor¬ zuschlagen; diese Präsentation geschieht zu einem vereinbarten Preise und zum Vortheil des Abgebers. In den letzten Jahren der Restauration wurden die Stellen der Börsen¬ agenten zu Paris schon mit 400,000 Fras. bezahlt. Am Ende der Regierung Louis Philipps erreichten sie den Preis von 950,000 Fra.; seit dem zweiten Kaiserreich ist derselbe auf 1,800,000 Fra. gestiegen. In der Regel hat eine Stelle mehrere Theilhaber, die je nach Verhältniß mit dem Namen: Viertel-, Achtel- und Sechzehntelagenten bezeichnet werden. Der Hauptagent ist häufig von fünf oder sechs Associe's — Commcmditaires — umgeben, deren manche ihren Antheil kauften, um mit größerer Sicherheit speculiren zu können. — Das Syndicat der Börsenagenten besteht aus sieben Personen, die jährlich mit Stimmenmehrheit gewählt werden und die Interessen der Körperschaft vertreten. Trotz der riesigen Zunahme des Verkehrs ist die Zahl der Börsen¬ agenten immer dieselbe geblieben, es sind heute wie im Jahre 1724 nur Sechszig. Während der letzten neun Monate des Jahres 1862 war das Zuströ¬ men der Speculanten so stark, daß diese Zahl nicht ausreichte, um nur die gegen baare Zahlung eingegangenen Aufträge ausführen zu können. Es war der Anfang des zweiten Kaiserreiches. Fould war in jenen Tagen Finanz¬ minister der Republik, zugleich Bankier und Hauptfinancier des Prinz-Präsiden¬ ten. Achilles Fould, Benedict Fould. Emil und Jsaac Pereire. Morny. Hausmann und Persigny, all' die wichtigen Anhänger des napoleonischen Staatsstreiches standen am Spieltische. Die Kunst, über Nacht reich zu werden war in jenen Tagen die Hälfte aller Staatsweisheit. Am 18. No¬ vember 18S2 wurde der Cre'dit Mobilier durch ein Decret des Prinz-Präsi¬ denten errichtet. Benedict Fould, seit 1856 verstorben, wurde neben Jsaac Pereire Präsident der Anstalt, welche Hand in Hand mit dem Finanzminister, 40*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/327>, abgerufen am 21.05.2024.