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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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besiegeln sollte; Venetien sollte die Braut als Morgengabe mitbringen.
Dies Detail, dessen volle Thatsächlichkeit wir verbürgen, obgleich es bis jetzt
sorgsam verschwiegen worden ist, lehrt uns die Natur der Anknüpfung
würdigen. Immerhin war anzuerkennen, bis zu welchem Grade der Kaiser
seiner alten Antipathie gegen den "Räuberkönig" und seine Dynastie Zwang
anzuthun bereit war. Dennoch behagte ein solches Project in altöstreichischem
Stil dem gesunden Sinn des Königs nicht; möglich auch, daß die verlangten
Gegenleistungen ihn abschreckten. Durch solche Mittel war der Krieg nicht
abzuwenden. Einmal noch, am 4. Mai, unmittelbar nach dem Bruch mit
Preußen, erneuerte Oestreich unter französischer Vermittlung das Angebot
Venetiens, diesmal ohne weitere Gegenforderung als die der Neutralität
Italiens bei dem beginnenden Kriege; aber damals war Italien bereits durch
den Allianzvertrag vom 8. April gebunden.

Gleich mit dem Ende des Kriegs indessen lebte die Annäherungsidee
wieder auf. Die mit Italien in Wien geführten Friedensverhandlungen
erwiesen klar die Tendenz, den Alliirten Preußens in einen Gegner Preußens
zu verwandeln. Aus diesen Unterhandlungen unmittelbar nahm das Project
einer französisch-östreichisch-italienischen Tripel-Allianz seinen ersten Ursprung.
Oestreich als Sieger bei Custozza und Lissa und ohne großen Schmerz über
den Verlust Venetiens, hatte es nicht schwer, dem gedemüthigten Italien ent¬
gegen zu kommen. Die auszeichnende Aufnahme, welche zu Wien dem
italienischen Bevollmächtigten General Menabrea' dem gegenwärtigen Minister¬
präsidenten, zu Theil wurde, machte diesen schmiegsamen und schnell impressio-
nirten Staatsmann bald zum Anhänger der neuen Allianzideen. Menebrea,
damals noch eins der Häupter der piemontesisch-clericalen Partei am Hofe,
kam völlig geblendet vom Glanz der Wiener Hofburg zurück und suchte im
Verein mit dem französischen Gesandten Malaret den König für die Combi¬
nation zu stimmen. Auch den FML. Möring, der bei der Huldigung Venedigs
sich zur Beglückwünschung Victor Emmanuels einfand und ganze Abende hin¬
durch dem Monarchen allein zur Pfeife Gesellschaft leistete, machte man,
vielleicht mit Unrecht, zum Missionär des neuen Bundes. Das Heiraths-
project wurde wieder aufgenommen und hatte jetzt, wiewol der Kronprinz
Humbert sich sehr dagegen sträubte, ungleich bessere Chancen, als die junge
Erzherzogin, welche ausersehen war, plötzlich an den Folgen einer Brand¬
verletzung starb.

Die Tripelallianzidee machte indessen unter dem Ministerium Ricasoli
keine Fortschritte, noch weniger unter Rattazzi, der auf die Linke gestützt,
wieder offen in die Bahn der preußischen Allianz einlenkte. Der Leiter der
östreichischen Politik, seit der Salzburger Zusammenkunft mehr als je von
Frankreich abhängig, copirte Italien gegenüber die erst mißtrauische, dann


Grenzboten IV. 1869. 20

besiegeln sollte; Venetien sollte die Braut als Morgengabe mitbringen.
Dies Detail, dessen volle Thatsächlichkeit wir verbürgen, obgleich es bis jetzt
sorgsam verschwiegen worden ist, lehrt uns die Natur der Anknüpfung
würdigen. Immerhin war anzuerkennen, bis zu welchem Grade der Kaiser
seiner alten Antipathie gegen den „Räuberkönig" und seine Dynastie Zwang
anzuthun bereit war. Dennoch behagte ein solches Project in altöstreichischem
Stil dem gesunden Sinn des Königs nicht; möglich auch, daß die verlangten
Gegenleistungen ihn abschreckten. Durch solche Mittel war der Krieg nicht
abzuwenden. Einmal noch, am 4. Mai, unmittelbar nach dem Bruch mit
Preußen, erneuerte Oestreich unter französischer Vermittlung das Angebot
Venetiens, diesmal ohne weitere Gegenforderung als die der Neutralität
Italiens bei dem beginnenden Kriege; aber damals war Italien bereits durch
den Allianzvertrag vom 8. April gebunden.

Gleich mit dem Ende des Kriegs indessen lebte die Annäherungsidee
wieder auf. Die mit Italien in Wien geführten Friedensverhandlungen
erwiesen klar die Tendenz, den Alliirten Preußens in einen Gegner Preußens
zu verwandeln. Aus diesen Unterhandlungen unmittelbar nahm das Project
einer französisch-östreichisch-italienischen Tripel-Allianz seinen ersten Ursprung.
Oestreich als Sieger bei Custozza und Lissa und ohne großen Schmerz über
den Verlust Venetiens, hatte es nicht schwer, dem gedemüthigten Italien ent¬
gegen zu kommen. Die auszeichnende Aufnahme, welche zu Wien dem
italienischen Bevollmächtigten General Menabrea' dem gegenwärtigen Minister¬
präsidenten, zu Theil wurde, machte diesen schmiegsamen und schnell impressio-
nirten Staatsmann bald zum Anhänger der neuen Allianzideen. Menebrea,
damals noch eins der Häupter der piemontesisch-clericalen Partei am Hofe,
kam völlig geblendet vom Glanz der Wiener Hofburg zurück und suchte im
Verein mit dem französischen Gesandten Malaret den König für die Combi¬
nation zu stimmen. Auch den FML. Möring, der bei der Huldigung Venedigs
sich zur Beglückwünschung Victor Emmanuels einfand und ganze Abende hin¬
durch dem Monarchen allein zur Pfeife Gesellschaft leistete, machte man,
vielleicht mit Unrecht, zum Missionär des neuen Bundes. Das Heiraths-
project wurde wieder aufgenommen und hatte jetzt, wiewol der Kronprinz
Humbert sich sehr dagegen sträubte, ungleich bessere Chancen, als die junge
Erzherzogin, welche ausersehen war, plötzlich an den Folgen einer Brand¬
verletzung starb.

Die Tripelallianzidee machte indessen unter dem Ministerium Ricasoli
keine Fortschritte, noch weniger unter Rattazzi, der auf die Linke gestützt,
wieder offen in die Bahn der preußischen Allianz einlenkte. Der Leiter der
östreichischen Politik, seit der Salzburger Zusammenkunft mehr als je von
Frankreich abhängig, copirte Italien gegenüber die erst mißtrauische, dann


Grenzboten IV. 1869. 20
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[0161] besiegeln sollte; Venetien sollte die Braut als Morgengabe mitbringen. Dies Detail, dessen volle Thatsächlichkeit wir verbürgen, obgleich es bis jetzt sorgsam verschwiegen worden ist, lehrt uns die Natur der Anknüpfung würdigen. Immerhin war anzuerkennen, bis zu welchem Grade der Kaiser seiner alten Antipathie gegen den „Räuberkönig" und seine Dynastie Zwang anzuthun bereit war. Dennoch behagte ein solches Project in altöstreichischem Stil dem gesunden Sinn des Königs nicht; möglich auch, daß die verlangten Gegenleistungen ihn abschreckten. Durch solche Mittel war der Krieg nicht abzuwenden. Einmal noch, am 4. Mai, unmittelbar nach dem Bruch mit Preußen, erneuerte Oestreich unter französischer Vermittlung das Angebot Venetiens, diesmal ohne weitere Gegenforderung als die der Neutralität Italiens bei dem beginnenden Kriege; aber damals war Italien bereits durch den Allianzvertrag vom 8. April gebunden. Gleich mit dem Ende des Kriegs indessen lebte die Annäherungsidee wieder auf. Die mit Italien in Wien geführten Friedensverhandlungen erwiesen klar die Tendenz, den Alliirten Preußens in einen Gegner Preußens zu verwandeln. Aus diesen Unterhandlungen unmittelbar nahm das Project einer französisch-östreichisch-italienischen Tripel-Allianz seinen ersten Ursprung. Oestreich als Sieger bei Custozza und Lissa und ohne großen Schmerz über den Verlust Venetiens, hatte es nicht schwer, dem gedemüthigten Italien ent¬ gegen zu kommen. Die auszeichnende Aufnahme, welche zu Wien dem italienischen Bevollmächtigten General Menabrea' dem gegenwärtigen Minister¬ präsidenten, zu Theil wurde, machte diesen schmiegsamen und schnell impressio- nirten Staatsmann bald zum Anhänger der neuen Allianzideen. Menebrea, damals noch eins der Häupter der piemontesisch-clericalen Partei am Hofe, kam völlig geblendet vom Glanz der Wiener Hofburg zurück und suchte im Verein mit dem französischen Gesandten Malaret den König für die Combi¬ nation zu stimmen. Auch den FML. Möring, der bei der Huldigung Venedigs sich zur Beglückwünschung Victor Emmanuels einfand und ganze Abende hin¬ durch dem Monarchen allein zur Pfeife Gesellschaft leistete, machte man, vielleicht mit Unrecht, zum Missionär des neuen Bundes. Das Heiraths- project wurde wieder aufgenommen und hatte jetzt, wiewol der Kronprinz Humbert sich sehr dagegen sträubte, ungleich bessere Chancen, als die junge Erzherzogin, welche ausersehen war, plötzlich an den Folgen einer Brand¬ verletzung starb. Die Tripelallianzidee machte indessen unter dem Ministerium Ricasoli keine Fortschritte, noch weniger unter Rattazzi, der auf die Linke gestützt, wieder offen in die Bahn der preußischen Allianz einlenkte. Der Leiter der östreichischen Politik, seit der Salzburger Zusammenkunft mehr als je von Frankreich abhängig, copirte Italien gegenüber die erst mißtrauische, dann Grenzboten IV. 1869. 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/161>, abgerufen am 09.05.2024.