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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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nalistik werden angewandt, um die Wirkung dieses Buches abzuschwächen,
die große Menge vom Lesen desselben abzuhalten. Der Verfasser wird bald
als Jdeolog und Phantast, bald als verkappter Czechensreund behandelt, aus
dem Zusammenhange gerissene Sätze sollen ihn als unlogischen Kopf charakte-
risiren. Und wie allbekannt üben solche Mittel stets ihre Wirkung. Tausende
sprechen über die gewissenhafte Arbeit eines Mannes von patriotischer Gesinnung,
obgleich sie von derselben nichts kennen, als was perfide Zeitungsberichte
ihnen daraus mitgetheilt haben. -- Nicht jeden Satz dieses Buches möchte ich
unterschreiben. Dem Verfasser ist es aber ganz unzweifelhaft darum zu thun, die
Wahrheit zu finden, und ich glaube, daß er sie gefunden hat. Aber wie es
Einem in solchem Falle leicht ergeht, wird er einseitig und parteiisch, indem
er Andere zu überzeugen sucht. Mit den Czechen muß Frieden gemacht
werden, wenn man sie nicht ausrotten will: das macht er Jedem, der sehen
will, plausibel. Aber nun möchte er uns den Proceß auch einfacher und
leichter vorstellen, als er ist, nun sollen die Czechen eine Nation sein, mit
welcher gut zu leben ist -- und das sind sie nie gewesen! Als Jude findet
Fischhof leicht die Entschuldigung für all' die Eigenschaften, welche den
Czechen verhaßt machen: die Unterdrückung soll ihn verdorben haben wie den
Juden. Nun übt der Verlust der nationalen Selbständigkeit ohne Zweifel
einen sehr verderblichen Einfluß aus, allein es verlohnt sich wohl zu unter¬
suchen, ob die Charaktereigenschaften, welche das Product sein sollen, nicht
im Gegentheil eine Ursache waren. Und die Geschichte zeigt uns, daß Juden
und Czechen, so weit unsere historische Kenntniß reicht, stets dieselben An¬
lagen zeigten, welche ihnen jetzt eigenthümlich sind. Haben doch auch die
Polen nicht übel Lust, das was an ihnen nicht "edel" ist, auf Rechnung
der Sclaverei zu bringen!

Fischhof erkennt die Nothwendigkeit an, in den Ländern gemischter
Nationalität den Minoritäten den ausgedehntesten Schutz gegen Vergewalti¬
gungen zu sichern und er glaubt diesen in den Curien nach dem Vorbilde der
schweizer Cantone gefunden zu haben. Dann wird man ihm entschieden
beipflichten müssen, wenn er die Furcht nicht gelten lassen will, das deutsche
Element werde unterdrückt werden. Für seine Ansicht, daß im Gegentheil
deutsche Sprache, Wissenschaft und Kunst von dem Augenblicke an zu neuem
Leben unter den fremden Nationalitäten erblühen werden, wo sie diesen nicht
mehr aufgenöthigt werden, spricht die Erfahrung in Ungarn seit Wiederher.
Stellung der Verfassung: in aller Stille wird dort wiedereingeführt, was
man im ersten Sturm als Erinnerung an die Fremdherrschaft abschaffte.
Und -- setzen wir hinzu -- wenn die Deutschen in Oestreich so geringes
Vertrauen in sich und ihre Sache setzen, daß sie bei gleichen Waffen für sich


nalistik werden angewandt, um die Wirkung dieses Buches abzuschwächen,
die große Menge vom Lesen desselben abzuhalten. Der Verfasser wird bald
als Jdeolog und Phantast, bald als verkappter Czechensreund behandelt, aus
dem Zusammenhange gerissene Sätze sollen ihn als unlogischen Kopf charakte-
risiren. Und wie allbekannt üben solche Mittel stets ihre Wirkung. Tausende
sprechen über die gewissenhafte Arbeit eines Mannes von patriotischer Gesinnung,
obgleich sie von derselben nichts kennen, als was perfide Zeitungsberichte
ihnen daraus mitgetheilt haben. — Nicht jeden Satz dieses Buches möchte ich
unterschreiben. Dem Verfasser ist es aber ganz unzweifelhaft darum zu thun, die
Wahrheit zu finden, und ich glaube, daß er sie gefunden hat. Aber wie es
Einem in solchem Falle leicht ergeht, wird er einseitig und parteiisch, indem
er Andere zu überzeugen sucht. Mit den Czechen muß Frieden gemacht
werden, wenn man sie nicht ausrotten will: das macht er Jedem, der sehen
will, plausibel. Aber nun möchte er uns den Proceß auch einfacher und
leichter vorstellen, als er ist, nun sollen die Czechen eine Nation sein, mit
welcher gut zu leben ist — und das sind sie nie gewesen! Als Jude findet
Fischhof leicht die Entschuldigung für all' die Eigenschaften, welche den
Czechen verhaßt machen: die Unterdrückung soll ihn verdorben haben wie den
Juden. Nun übt der Verlust der nationalen Selbständigkeit ohne Zweifel
einen sehr verderblichen Einfluß aus, allein es verlohnt sich wohl zu unter¬
suchen, ob die Charaktereigenschaften, welche das Product sein sollen, nicht
im Gegentheil eine Ursache waren. Und die Geschichte zeigt uns, daß Juden
und Czechen, so weit unsere historische Kenntniß reicht, stets dieselben An¬
lagen zeigten, welche ihnen jetzt eigenthümlich sind. Haben doch auch die
Polen nicht übel Lust, das was an ihnen nicht „edel" ist, auf Rechnung
der Sclaverei zu bringen!

Fischhof erkennt die Nothwendigkeit an, in den Ländern gemischter
Nationalität den Minoritäten den ausgedehntesten Schutz gegen Vergewalti¬
gungen zu sichern und er glaubt diesen in den Curien nach dem Vorbilde der
schweizer Cantone gefunden zu haben. Dann wird man ihm entschieden
beipflichten müssen, wenn er die Furcht nicht gelten lassen will, das deutsche
Element werde unterdrückt werden. Für seine Ansicht, daß im Gegentheil
deutsche Sprache, Wissenschaft und Kunst von dem Augenblicke an zu neuem
Leben unter den fremden Nationalitäten erblühen werden, wo sie diesen nicht
mehr aufgenöthigt werden, spricht die Erfahrung in Ungarn seit Wiederher.
Stellung der Verfassung: in aller Stille wird dort wiedereingeführt, was
man im ersten Sturm als Erinnerung an die Fremdherrschaft abschaffte.
Und — setzen wir hinzu — wenn die Deutschen in Oestreich so geringes
Vertrauen in sich und ihre Sache setzen, daß sie bei gleichen Waffen für sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/503>, abgerufen am 28.05.2024.