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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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welche für Gelehrte bestimmt sind. Sie hat sich durch allmähliche Ver¬
besserung und Verschönerung direct aus der Schrift des fünfzehnten Jahr¬
hunderts herausgebildet, und ruht mit dieser auf der Schrift, welche bereits
in den ältesten Handschriften, die Deutschland aufzuweisen hat, vorkommt,
auf der von den Mönchen im achten und neunten Jahrhundert für Aufzeich¬
nungen auch in deutscher Sprache angewendeten lateinischen Schrift. Diese
Mönchsschrift wurde, nachdem sie im zehnten Jahrhundert einen schönen,
accuraten, weniger runden, unserer jetzigen lateinischen Schrift sehr ähnlichen
Charakter angenommen hatte, im elften Jahrhundert etwas höher, fast lang¬
beinig und verdichtete sich nach unten, noch mehr im zwölften Jahrhundert,
in dem die Schrift abermals länger und allmählig die Enden der Buch¬
staben mit einem sehr scharfen abschneidenden, feinen Querstrich ver¬
sehen wurden. Die großen Buchstaben bekommen gleichzeitig oft wunder¬
liche Beugungen der Schenkel, die Ueberzüge der alten Schrift wurden oft zu
Hauptzügen gemacht und die ganzen Buchstaben verschnörkelt. Die kleine
Schrift wird wankender, unsymmetrisch, und endlich im vierzehnten und fünf¬
zehnten Jahrhundert, in welchem sich die Abkürzungen häufen, sowohl oben
als unten an den Spitzen gebogen. So wurde die deutsche Bücherschrift nach
langer Geschichte in den Buchstaben fixirt.

Die Erfinder der Bu chdru ckerkunst, des großartigsten Fundes unter
allen seit Erfindung der Buchstabenschrift, hatten die Absicht, Handschriften
aus eine schnellere Weise, als bisher, herzustellen, um sich dadurch eine er¬
giebige Einnahmequelle zu eröffnen. Weil es sich zunächst um einen Ersatz
der Schreibkunst und eine Production von Büchern handelte, welche den
Handschriften völlig gleichen sollten, hielten sich die ersten Drucker so viel als
möglich an die Schreibweise der gleichzeitigen Handschriftenverfertiger. Der
Druck enthielt gleich den Handschriften keinen Titel, keine Seitenzahl u. f. w.,
die Anfangsbuchstaben wurden in Gold oder Farben eingemalt, die Buch¬
staben endlich den in der gleichzeitigen Schrift üblichen möglichst genau nach¬
gebildet, sogar eine Verschiedenheit der einzelnen Exemplare durch Abänderung
in der Zellenzahl, in auffallenden Abkürzungen, vornehmlich am ersten und
letzten Blatte erstrebt. Die Typen des ersten größeren Werkes der sogenann¬
ten 42zeitigen Bibel von Gutenberg und Fühl waren der Schrift nachge¬
schritten, welche damals in Bibeln ze. angewendet wurde. Gleich dieser
waren sie länglich, viereckig, dick, ungleich; die Wörter voller Abkürzungen,
und die Anfangsbuchstaben durchaus in keinem richtigen Verhältniß zu der
übrigen Schrift. Nur kurze Zeit begnügte man sich mit dieser überkomme¬
nen Form der Buchstaben; die Kunst, welche schneller als irgend eine ihrer
Vollendung entgegenreifte, ersann bald nicht nur technische Verbesserung,
sondern auch Verschönerung der Schrift, die schon wenige Jahre nach den


welche für Gelehrte bestimmt sind. Sie hat sich durch allmähliche Ver¬
besserung und Verschönerung direct aus der Schrift des fünfzehnten Jahr¬
hunderts herausgebildet, und ruht mit dieser auf der Schrift, welche bereits
in den ältesten Handschriften, die Deutschland aufzuweisen hat, vorkommt,
auf der von den Mönchen im achten und neunten Jahrhundert für Aufzeich¬
nungen auch in deutscher Sprache angewendeten lateinischen Schrift. Diese
Mönchsschrift wurde, nachdem sie im zehnten Jahrhundert einen schönen,
accuraten, weniger runden, unserer jetzigen lateinischen Schrift sehr ähnlichen
Charakter angenommen hatte, im elften Jahrhundert etwas höher, fast lang¬
beinig und verdichtete sich nach unten, noch mehr im zwölften Jahrhundert,
in dem die Schrift abermals länger und allmählig die Enden der Buch¬
staben mit einem sehr scharfen abschneidenden, feinen Querstrich ver¬
sehen wurden. Die großen Buchstaben bekommen gleichzeitig oft wunder¬
liche Beugungen der Schenkel, die Ueberzüge der alten Schrift wurden oft zu
Hauptzügen gemacht und die ganzen Buchstaben verschnörkelt. Die kleine
Schrift wird wankender, unsymmetrisch, und endlich im vierzehnten und fünf¬
zehnten Jahrhundert, in welchem sich die Abkürzungen häufen, sowohl oben
als unten an den Spitzen gebogen. So wurde die deutsche Bücherschrift nach
langer Geschichte in den Buchstaben fixirt.

Die Erfinder der Bu chdru ckerkunst, des großartigsten Fundes unter
allen seit Erfindung der Buchstabenschrift, hatten die Absicht, Handschriften
aus eine schnellere Weise, als bisher, herzustellen, um sich dadurch eine er¬
giebige Einnahmequelle zu eröffnen. Weil es sich zunächst um einen Ersatz
der Schreibkunst und eine Production von Büchern handelte, welche den
Handschriften völlig gleichen sollten, hielten sich die ersten Drucker so viel als
möglich an die Schreibweise der gleichzeitigen Handschriftenverfertiger. Der
Druck enthielt gleich den Handschriften keinen Titel, keine Seitenzahl u. f. w.,
die Anfangsbuchstaben wurden in Gold oder Farben eingemalt, die Buch¬
staben endlich den in der gleichzeitigen Schrift üblichen möglichst genau nach¬
gebildet, sogar eine Verschiedenheit der einzelnen Exemplare durch Abänderung
in der Zellenzahl, in auffallenden Abkürzungen, vornehmlich am ersten und
letzten Blatte erstrebt. Die Typen des ersten größeren Werkes der sogenann¬
ten 42zeitigen Bibel von Gutenberg und Fühl waren der Schrift nachge¬
schritten, welche damals in Bibeln ze. angewendet wurde. Gleich dieser
waren sie länglich, viereckig, dick, ungleich; die Wörter voller Abkürzungen,
und die Anfangsbuchstaben durchaus in keinem richtigen Verhältniß zu der
übrigen Schrift. Nur kurze Zeit begnügte man sich mit dieser überkomme¬
nen Form der Buchstaben; die Kunst, welche schneller als irgend eine ihrer
Vollendung entgegenreifte, ersann bald nicht nur technische Verbesserung,
sondern auch Verschönerung der Schrift, die schon wenige Jahre nach den


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[0095] welche für Gelehrte bestimmt sind. Sie hat sich durch allmähliche Ver¬ besserung und Verschönerung direct aus der Schrift des fünfzehnten Jahr¬ hunderts herausgebildet, und ruht mit dieser auf der Schrift, welche bereits in den ältesten Handschriften, die Deutschland aufzuweisen hat, vorkommt, auf der von den Mönchen im achten und neunten Jahrhundert für Aufzeich¬ nungen auch in deutscher Sprache angewendeten lateinischen Schrift. Diese Mönchsschrift wurde, nachdem sie im zehnten Jahrhundert einen schönen, accuraten, weniger runden, unserer jetzigen lateinischen Schrift sehr ähnlichen Charakter angenommen hatte, im elften Jahrhundert etwas höher, fast lang¬ beinig und verdichtete sich nach unten, noch mehr im zwölften Jahrhundert, in dem die Schrift abermals länger und allmählig die Enden der Buch¬ staben mit einem sehr scharfen abschneidenden, feinen Querstrich ver¬ sehen wurden. Die großen Buchstaben bekommen gleichzeitig oft wunder¬ liche Beugungen der Schenkel, die Ueberzüge der alten Schrift wurden oft zu Hauptzügen gemacht und die ganzen Buchstaben verschnörkelt. Die kleine Schrift wird wankender, unsymmetrisch, und endlich im vierzehnten und fünf¬ zehnten Jahrhundert, in welchem sich die Abkürzungen häufen, sowohl oben als unten an den Spitzen gebogen. So wurde die deutsche Bücherschrift nach langer Geschichte in den Buchstaben fixirt. Die Erfinder der Bu chdru ckerkunst, des großartigsten Fundes unter allen seit Erfindung der Buchstabenschrift, hatten die Absicht, Handschriften aus eine schnellere Weise, als bisher, herzustellen, um sich dadurch eine er¬ giebige Einnahmequelle zu eröffnen. Weil es sich zunächst um einen Ersatz der Schreibkunst und eine Production von Büchern handelte, welche den Handschriften völlig gleichen sollten, hielten sich die ersten Drucker so viel als möglich an die Schreibweise der gleichzeitigen Handschriftenverfertiger. Der Druck enthielt gleich den Handschriften keinen Titel, keine Seitenzahl u. f. w., die Anfangsbuchstaben wurden in Gold oder Farben eingemalt, die Buch¬ staben endlich den in der gleichzeitigen Schrift üblichen möglichst genau nach¬ gebildet, sogar eine Verschiedenheit der einzelnen Exemplare durch Abänderung in der Zellenzahl, in auffallenden Abkürzungen, vornehmlich am ersten und letzten Blatte erstrebt. Die Typen des ersten größeren Werkes der sogenann¬ ten 42zeitigen Bibel von Gutenberg und Fühl waren der Schrift nachge¬ schritten, welche damals in Bibeln ze. angewendet wurde. Gleich dieser waren sie länglich, viereckig, dick, ungleich; die Wörter voller Abkürzungen, und die Anfangsbuchstaben durchaus in keinem richtigen Verhältniß zu der übrigen Schrift. Nur kurze Zeit begnügte man sich mit dieser überkomme¬ nen Form der Buchstaben; die Kunst, welche schneller als irgend eine ihrer Vollendung entgegenreifte, ersann bald nicht nur technische Verbesserung, sondern auch Verschönerung der Schrift, die schon wenige Jahre nach den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/95>, abgerufen am 13.05.2024.