Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sei und von den Zeitgenossen als Quelle eines schimpflichen und ehrlosen Ge¬
winnes verurtheilt werde.

So wurde der Büchernachdruck in denselben Jahren gedämpft, in denen
die Menschenblattern durch die gebotene Impfung gebändigt wurden. Erst
allmälig wurde für Musikalien, dramatische Aufführungen, zuletzt für Nach¬
bildung von Werken bildender Kunst derselbe Fortschritt durchgesetzt.

Ist es ein Zufall, daß man gerade zu derselben Zeit, in welcher die
Impfung für unnütz, ja schädlich erklärt wird, auch die Strafbarkeit des Nach¬
drucks leugnet und dem Staate das Recht bestreitet, diese Verletzung pri¬
vater Rechte mit Strafe zu belegen? --

Zur Zeit ist durch die deutsche Gesetzgebung und durch internationale
Verträge für den größten Theil Europas der Nachdruck in der Weise ver¬
boten, daß er n!ehe nur die Geschädigten zu einer Civilklage berechtigt, son¬
dern daß er außerdem als Vergehen mit einer Staatsstrafe belegt wird.

Erst durch diese letztere Bestimmung ist derselbe in den Ländern deutscher
Zunge fast gänzlich beseitigt worden. Eine Alternation der betreffenden Be¬
stimmung in dem neuen Gesetzentwurf, welcher jetzt dem Reichstag vorliegt,
würde auf der Stelle ein Zurückfallen des Buchhandels in diese schlechte und
verderbliche Thätigkeit zur Folge haben.

Schon jetzt war innerhalb des Bundesgebiets vielleicht nichts so unsicher,
als der Rechtsspruch, welcher von irgend einem Gericht bei literarischen Strei¬
tigkeiten gefällt wurde; die meisten Juristen sind mit dem literarischen Ver¬
kehr wenig vertraut. Und wenn diesem Uebelstand auch für den Nordbund
durch das Oberhandelsgericht abgeholfen werden sollte, so weiß doch Jeder¬
mann, wie unbequem, kostspielig und unsicher eine Entschädigungsklage ist, wenn
sie in Oestreich, Dänemark oder gar wohl in England und Frankreich betrieben
werden muß. An dem Tage, wo dem Nachdrucker der Schimpf und Nachtheil
genommen wird, welcher auf ihn liegt, so lange die Gesetzgebung der alten Cultur¬
staaten seine Handlungsweise als dem Staate straffällig bezeichnet, wird der Nach¬
druck wieder massenhaft betrieben werden und wir werden natürlich auch im
Auslande den Schutz verlieren, welchen unsere Verlagswerke mühsam, nach
jahrelangen Kämpfen und zahllosen Verhandlungen durch Verträge gewonnen
haben. Eine solche Lockerung des bestehenden Rechtsschutzes würde für den
Musikalienhandel noch weit verderblicher werden, als für den Bücherverkehr.

Aus diesen Gründen würde eine Umänderung des Gesetzentwurfs durch
den Reichstag, welche die Strafbarkeit des Nachdrucks aufhöbe und nur Ent¬
schädigung für benachtheiligte Kläger zuließe, eine Verschlechterung des Marktes,
so wie der Sittlichkeit und des Anstandes im deutschen Bücherverkehr zur Folge
haben. Und es ist dringend zu wünschen, daß etwa dahin zielende Anträge zu¬
rückgewiesen werden. Die Majorität des Reichstages hat bereits im vorigen


sei und von den Zeitgenossen als Quelle eines schimpflichen und ehrlosen Ge¬
winnes verurtheilt werde.

So wurde der Büchernachdruck in denselben Jahren gedämpft, in denen
die Menschenblattern durch die gebotene Impfung gebändigt wurden. Erst
allmälig wurde für Musikalien, dramatische Aufführungen, zuletzt für Nach¬
bildung von Werken bildender Kunst derselbe Fortschritt durchgesetzt.

Ist es ein Zufall, daß man gerade zu derselben Zeit, in welcher die
Impfung für unnütz, ja schädlich erklärt wird, auch die Strafbarkeit des Nach¬
drucks leugnet und dem Staate das Recht bestreitet, diese Verletzung pri¬
vater Rechte mit Strafe zu belegen? —

Zur Zeit ist durch die deutsche Gesetzgebung und durch internationale
Verträge für den größten Theil Europas der Nachdruck in der Weise ver¬
boten, daß er n!ehe nur die Geschädigten zu einer Civilklage berechtigt, son¬
dern daß er außerdem als Vergehen mit einer Staatsstrafe belegt wird.

Erst durch diese letztere Bestimmung ist derselbe in den Ländern deutscher
Zunge fast gänzlich beseitigt worden. Eine Alternation der betreffenden Be¬
stimmung in dem neuen Gesetzentwurf, welcher jetzt dem Reichstag vorliegt,
würde auf der Stelle ein Zurückfallen des Buchhandels in diese schlechte und
verderbliche Thätigkeit zur Folge haben.

Schon jetzt war innerhalb des Bundesgebiets vielleicht nichts so unsicher,
als der Rechtsspruch, welcher von irgend einem Gericht bei literarischen Strei¬
tigkeiten gefällt wurde; die meisten Juristen sind mit dem literarischen Ver¬
kehr wenig vertraut. Und wenn diesem Uebelstand auch für den Nordbund
durch das Oberhandelsgericht abgeholfen werden sollte, so weiß doch Jeder¬
mann, wie unbequem, kostspielig und unsicher eine Entschädigungsklage ist, wenn
sie in Oestreich, Dänemark oder gar wohl in England und Frankreich betrieben
werden muß. An dem Tage, wo dem Nachdrucker der Schimpf und Nachtheil
genommen wird, welcher auf ihn liegt, so lange die Gesetzgebung der alten Cultur¬
staaten seine Handlungsweise als dem Staate straffällig bezeichnet, wird der Nach¬
druck wieder massenhaft betrieben werden und wir werden natürlich auch im
Auslande den Schutz verlieren, welchen unsere Verlagswerke mühsam, nach
jahrelangen Kämpfen und zahllosen Verhandlungen durch Verträge gewonnen
haben. Eine solche Lockerung des bestehenden Rechtsschutzes würde für den
Musikalienhandel noch weit verderblicher werden, als für den Bücherverkehr.

Aus diesen Gründen würde eine Umänderung des Gesetzentwurfs durch
den Reichstag, welche die Strafbarkeit des Nachdrucks aufhöbe und nur Ent¬
schädigung für benachtheiligte Kläger zuließe, eine Verschlechterung des Marktes,
so wie der Sittlichkeit und des Anstandes im deutschen Bücherverkehr zur Folge
haben. Und es ist dringend zu wünschen, daß etwa dahin zielende Anträge zu¬
rückgewiesen werden. Die Majorität des Reichstages hat bereits im vorigen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0444" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123532"/>
          <p xml:id="ID_1265" prev="#ID_1264"> sei und von den Zeitgenossen als Quelle eines schimpflichen und ehrlosen Ge¬<lb/>
winnes verurtheilt werde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1266"> So wurde der Büchernachdruck in denselben Jahren gedämpft, in denen<lb/>
die Menschenblattern durch die gebotene Impfung gebändigt wurden. Erst<lb/>
allmälig wurde für Musikalien, dramatische Aufführungen, zuletzt für Nach¬<lb/>
bildung von Werken bildender Kunst derselbe Fortschritt durchgesetzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1267"> Ist es ein Zufall, daß man gerade zu derselben Zeit, in welcher die<lb/>
Impfung für unnütz, ja schädlich erklärt wird, auch die Strafbarkeit des Nach¬<lb/>
drucks leugnet und dem Staate das Recht bestreitet, diese Verletzung pri¬<lb/>
vater Rechte mit Strafe zu belegen? &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1268"> Zur Zeit ist durch die deutsche Gesetzgebung und durch internationale<lb/>
Verträge für den größten Theil Europas der Nachdruck in der Weise ver¬<lb/>
boten, daß er n!ehe nur die Geschädigten zu einer Civilklage berechtigt, son¬<lb/>
dern daß er außerdem als Vergehen mit einer Staatsstrafe belegt wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1269"> Erst durch diese letztere Bestimmung ist derselbe in den Ländern deutscher<lb/>
Zunge fast gänzlich beseitigt worden. Eine Alternation der betreffenden Be¬<lb/>
stimmung in dem neuen Gesetzentwurf, welcher jetzt dem Reichstag vorliegt,<lb/>
würde auf der Stelle ein Zurückfallen des Buchhandels in diese schlechte und<lb/>
verderbliche Thätigkeit zur Folge haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1270"> Schon jetzt war innerhalb des Bundesgebiets vielleicht nichts so unsicher,<lb/>
als der Rechtsspruch, welcher von irgend einem Gericht bei literarischen Strei¬<lb/>
tigkeiten gefällt wurde; die meisten Juristen sind mit dem literarischen Ver¬<lb/>
kehr wenig vertraut. Und wenn diesem Uebelstand auch für den Nordbund<lb/>
durch das Oberhandelsgericht abgeholfen werden sollte, so weiß doch Jeder¬<lb/>
mann, wie unbequem, kostspielig und unsicher eine Entschädigungsklage ist, wenn<lb/>
sie in Oestreich, Dänemark oder gar wohl in England und Frankreich betrieben<lb/>
werden muß. An dem Tage, wo dem Nachdrucker der Schimpf und Nachtheil<lb/>
genommen wird, welcher auf ihn liegt, so lange die Gesetzgebung der alten Cultur¬<lb/>
staaten seine Handlungsweise als dem Staate straffällig bezeichnet, wird der Nach¬<lb/>
druck wieder massenhaft betrieben werden und wir werden natürlich auch im<lb/>
Auslande den Schutz verlieren, welchen unsere Verlagswerke mühsam, nach<lb/>
jahrelangen Kämpfen und zahllosen Verhandlungen durch Verträge gewonnen<lb/>
haben. Eine solche Lockerung des bestehenden Rechtsschutzes würde für den<lb/>
Musikalienhandel noch weit verderblicher werden, als für den Bücherverkehr.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1271" next="#ID_1272"> Aus diesen Gründen würde eine Umänderung des Gesetzentwurfs durch<lb/>
den Reichstag, welche die Strafbarkeit des Nachdrucks aufhöbe und nur Ent¬<lb/>
schädigung für benachtheiligte Kläger zuließe, eine Verschlechterung des Marktes,<lb/>
so wie der Sittlichkeit und des Anstandes im deutschen Bücherverkehr zur Folge<lb/>
haben. Und es ist dringend zu wünschen, daß etwa dahin zielende Anträge zu¬<lb/>
rückgewiesen werden. Die Majorität des Reichstages hat bereits im vorigen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0444] sei und von den Zeitgenossen als Quelle eines schimpflichen und ehrlosen Ge¬ winnes verurtheilt werde. So wurde der Büchernachdruck in denselben Jahren gedämpft, in denen die Menschenblattern durch die gebotene Impfung gebändigt wurden. Erst allmälig wurde für Musikalien, dramatische Aufführungen, zuletzt für Nach¬ bildung von Werken bildender Kunst derselbe Fortschritt durchgesetzt. Ist es ein Zufall, daß man gerade zu derselben Zeit, in welcher die Impfung für unnütz, ja schädlich erklärt wird, auch die Strafbarkeit des Nach¬ drucks leugnet und dem Staate das Recht bestreitet, diese Verletzung pri¬ vater Rechte mit Strafe zu belegen? — Zur Zeit ist durch die deutsche Gesetzgebung und durch internationale Verträge für den größten Theil Europas der Nachdruck in der Weise ver¬ boten, daß er n!ehe nur die Geschädigten zu einer Civilklage berechtigt, son¬ dern daß er außerdem als Vergehen mit einer Staatsstrafe belegt wird. Erst durch diese letztere Bestimmung ist derselbe in den Ländern deutscher Zunge fast gänzlich beseitigt worden. Eine Alternation der betreffenden Be¬ stimmung in dem neuen Gesetzentwurf, welcher jetzt dem Reichstag vorliegt, würde auf der Stelle ein Zurückfallen des Buchhandels in diese schlechte und verderbliche Thätigkeit zur Folge haben. Schon jetzt war innerhalb des Bundesgebiets vielleicht nichts so unsicher, als der Rechtsspruch, welcher von irgend einem Gericht bei literarischen Strei¬ tigkeiten gefällt wurde; die meisten Juristen sind mit dem literarischen Ver¬ kehr wenig vertraut. Und wenn diesem Uebelstand auch für den Nordbund durch das Oberhandelsgericht abgeholfen werden sollte, so weiß doch Jeder¬ mann, wie unbequem, kostspielig und unsicher eine Entschädigungsklage ist, wenn sie in Oestreich, Dänemark oder gar wohl in England und Frankreich betrieben werden muß. An dem Tage, wo dem Nachdrucker der Schimpf und Nachtheil genommen wird, welcher auf ihn liegt, so lange die Gesetzgebung der alten Cultur¬ staaten seine Handlungsweise als dem Staate straffällig bezeichnet, wird der Nach¬ druck wieder massenhaft betrieben werden und wir werden natürlich auch im Auslande den Schutz verlieren, welchen unsere Verlagswerke mühsam, nach jahrelangen Kämpfen und zahllosen Verhandlungen durch Verträge gewonnen haben. Eine solche Lockerung des bestehenden Rechtsschutzes würde für den Musikalienhandel noch weit verderblicher werden, als für den Bücherverkehr. Aus diesen Gründen würde eine Umänderung des Gesetzentwurfs durch den Reichstag, welche die Strafbarkeit des Nachdrucks aufhöbe und nur Ent¬ schädigung für benachtheiligte Kläger zuließe, eine Verschlechterung des Marktes, so wie der Sittlichkeit und des Anstandes im deutschen Bücherverkehr zur Folge haben. Und es ist dringend zu wünschen, daß etwa dahin zielende Anträge zu¬ rückgewiesen werden. Die Majorität des Reichstages hat bereits im vorigen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/444
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/444>, abgerufen am 17.06.2024.