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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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zweiten großen Gesetzentwurf dieser Session eine befriedigende Vereinbarung
nicht, so wird nach dem Schluß desselben die widerwärtige Empfindung herr¬
schend werden, daß die großen Institutionen der neuen Reichsverfassung sich
schnell abgenutzt haben.

Nicht weniger der Werth der Parteien. Es ist der letzte Reichstag vor
den Wahlen. Den größten Schaden wird nach einem unbefriedigender Aus¬
gang der schwebenden Session die nationale Partei zu tragen haben. Ein
großer Theil ihrer Mitglieder lebt zur Zeit noch, wie es scheint, in verhäng-
nißvoller Nichtachtung der Gefahren, welche eine verkehrte Behandlung des
Urhebergesetzes gerade ihr bereitet. Von den vielen Tausenden, welche als
Schriftsteller das geistige Leben der Nation leiten, haben bis jetzt nur sehr
Wenige um den Gesetzentwurf und seine Behandlung im Reichstag gesorgt.
Erst seit den letzten Wochen ist ihnen Gelegenheit geboten, von dem Inhalt
Kenntniß zu nehmen. Ohne Zweifel gehen auch in diesem großen Kreise die
Ansichten über das Zweckmäßige und Erreichbare in Einzelheiten auseinander,
in den Hauptsachen aber, und gerade vor solchen, über welche dem Verneh¬
men nach bei der nationalen Fraction des Reichstages sehr abweichende
Ansichten bestehen, herrscht in der literarischen Welt im Ganzen Uebereinstim¬
mung. Es wäre besonders ungünstig für unsere Partei, wenn ihr letztes
großes Debüt vor den Wahlen ein Eingriff in die Rechtsgewohnheiten der
literarischen Welt und in die Begriffe von Pflicht und Ehre wäre, nach denen
jetzt die Schriftsteller und ihre Verleger handeln. Und wir Alle würdenden
Nachtheil empfinden, welchen eine Verminderung der Autorität unseren Partei¬
genossen und eine Verminderung der Wärme, womit das Publikum unsere
Freunde betrachtet, bei der bevorstehenden Erneuerung des Reichstags be¬
reiten müßten.

Aus diesem Grunde bitten die folgenden Bemerkungen um wohlgeneigte
Aufnahme, sie beziehen sich auf einige von den Anträgen, welche die frei¬
willige Commission zu §. 1 bis 17 des Gesetzentwurfs gestellt hat.

Nach den Anträgen der Commission zu §. 6 lit. s, ist als Nachdruck
nicht anzusehen:

die Aufnahme bereits veröffentlichter Schriften von geringerem
Umfang in ein größeres Ganzes, sobald dieses ein eigenthümliches
Schriftwerk bildet.

Diese Fassung, welche beabsichtigt, die detaillirenden Bestimmungen des
ursprünglichen Gesetzentwurfs zusammenzuziehen, setzt in Gefahr, einen aus-
gedehnten Nachdruck zu privilegiren. Jede Sammlung von kleineren Schrift¬
werken lebender Urheber, welche diese Schriftwerke nach gewissen Kategorien
ordnet und durch Betrachtungen des Herausgebers, gleichviel von welchem


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zweiten großen Gesetzentwurf dieser Session eine befriedigende Vereinbarung
nicht, so wird nach dem Schluß desselben die widerwärtige Empfindung herr¬
schend werden, daß die großen Institutionen der neuen Reichsverfassung sich
schnell abgenutzt haben.

Nicht weniger der Werth der Parteien. Es ist der letzte Reichstag vor
den Wahlen. Den größten Schaden wird nach einem unbefriedigender Aus¬
gang der schwebenden Session die nationale Partei zu tragen haben. Ein
großer Theil ihrer Mitglieder lebt zur Zeit noch, wie es scheint, in verhäng-
nißvoller Nichtachtung der Gefahren, welche eine verkehrte Behandlung des
Urhebergesetzes gerade ihr bereitet. Von den vielen Tausenden, welche als
Schriftsteller das geistige Leben der Nation leiten, haben bis jetzt nur sehr
Wenige um den Gesetzentwurf und seine Behandlung im Reichstag gesorgt.
Erst seit den letzten Wochen ist ihnen Gelegenheit geboten, von dem Inhalt
Kenntniß zu nehmen. Ohne Zweifel gehen auch in diesem großen Kreise die
Ansichten über das Zweckmäßige und Erreichbare in Einzelheiten auseinander,
in den Hauptsachen aber, und gerade vor solchen, über welche dem Verneh¬
men nach bei der nationalen Fraction des Reichstages sehr abweichende
Ansichten bestehen, herrscht in der literarischen Welt im Ganzen Uebereinstim¬
mung. Es wäre besonders ungünstig für unsere Partei, wenn ihr letztes
großes Debüt vor den Wahlen ein Eingriff in die Rechtsgewohnheiten der
literarischen Welt und in die Begriffe von Pflicht und Ehre wäre, nach denen
jetzt die Schriftsteller und ihre Verleger handeln. Und wir Alle würdenden
Nachtheil empfinden, welchen eine Verminderung der Autorität unseren Partei¬
genossen und eine Verminderung der Wärme, womit das Publikum unsere
Freunde betrachtet, bei der bevorstehenden Erneuerung des Reichstags be¬
reiten müßten.

Aus diesem Grunde bitten die folgenden Bemerkungen um wohlgeneigte
Aufnahme, sie beziehen sich auf einige von den Anträgen, welche die frei¬
willige Commission zu §. 1 bis 17 des Gesetzentwurfs gestellt hat.

Nach den Anträgen der Commission zu §. 6 lit. s, ist als Nachdruck
nicht anzusehen:

die Aufnahme bereits veröffentlichter Schriften von geringerem
Umfang in ein größeres Ganzes, sobald dieses ein eigenthümliches
Schriftwerk bildet.

Diese Fassung, welche beabsichtigt, die detaillirenden Bestimmungen des
ursprünglichen Gesetzentwurfs zusammenzuziehen, setzt in Gefahr, einen aus-
gedehnten Nachdruck zu privilegiren. Jede Sammlung von kleineren Schrift¬
werken lebender Urheber, welche diese Schriftwerke nach gewissen Kategorien
ordnet und durch Betrachtungen des Herausgebers, gleichviel von welchem


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[0505] zweiten großen Gesetzentwurf dieser Session eine befriedigende Vereinbarung nicht, so wird nach dem Schluß desselben die widerwärtige Empfindung herr¬ schend werden, daß die großen Institutionen der neuen Reichsverfassung sich schnell abgenutzt haben. Nicht weniger der Werth der Parteien. Es ist der letzte Reichstag vor den Wahlen. Den größten Schaden wird nach einem unbefriedigender Aus¬ gang der schwebenden Session die nationale Partei zu tragen haben. Ein großer Theil ihrer Mitglieder lebt zur Zeit noch, wie es scheint, in verhäng- nißvoller Nichtachtung der Gefahren, welche eine verkehrte Behandlung des Urhebergesetzes gerade ihr bereitet. Von den vielen Tausenden, welche als Schriftsteller das geistige Leben der Nation leiten, haben bis jetzt nur sehr Wenige um den Gesetzentwurf und seine Behandlung im Reichstag gesorgt. Erst seit den letzten Wochen ist ihnen Gelegenheit geboten, von dem Inhalt Kenntniß zu nehmen. Ohne Zweifel gehen auch in diesem großen Kreise die Ansichten über das Zweckmäßige und Erreichbare in Einzelheiten auseinander, in den Hauptsachen aber, und gerade vor solchen, über welche dem Verneh¬ men nach bei der nationalen Fraction des Reichstages sehr abweichende Ansichten bestehen, herrscht in der literarischen Welt im Ganzen Uebereinstim¬ mung. Es wäre besonders ungünstig für unsere Partei, wenn ihr letztes großes Debüt vor den Wahlen ein Eingriff in die Rechtsgewohnheiten der literarischen Welt und in die Begriffe von Pflicht und Ehre wäre, nach denen jetzt die Schriftsteller und ihre Verleger handeln. Und wir Alle würdenden Nachtheil empfinden, welchen eine Verminderung der Autorität unseren Partei¬ genossen und eine Verminderung der Wärme, womit das Publikum unsere Freunde betrachtet, bei der bevorstehenden Erneuerung des Reichstags be¬ reiten müßten. Aus diesem Grunde bitten die folgenden Bemerkungen um wohlgeneigte Aufnahme, sie beziehen sich auf einige von den Anträgen, welche die frei¬ willige Commission zu §. 1 bis 17 des Gesetzentwurfs gestellt hat. Nach den Anträgen der Commission zu §. 6 lit. s, ist als Nachdruck nicht anzusehen: die Aufnahme bereits veröffentlichter Schriften von geringerem Umfang in ein größeres Ganzes, sobald dieses ein eigenthümliches Schriftwerk bildet. Diese Fassung, welche beabsichtigt, die detaillirenden Bestimmungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs zusammenzuziehen, setzt in Gefahr, einen aus- gedehnten Nachdruck zu privilegiren. Jede Sammlung von kleineren Schrift¬ werken lebender Urheber, welche diese Schriftwerke nach gewissen Kategorien ordnet und durch Betrachtungen des Herausgebers, gleichviel von welchem 63*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/505>, abgerufen am 17.06.2024.