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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Bedürfniß der Autoren genügen. Zwanzig Jahre nach dem Tode mag auch
die Wittwe des Schriftstellers gestorben, die Kinder soweit herangewachsen
sein, um für sich selbst zu sorgen. Die Gesetzgebung hatte freilich bisher die
Angehörigen besser gesichert.

Aber der hohe Reichstag ist dieser Frist gegenüber gar nicht in der Lage,
ein neues Recht schaffen zu müssen, sondern bestehende Rechtsvorschriften zu
bestätigen. Nach sast funfzigjährigen Leiden und Kämpfen ist die 30 jährige
Schutzfrist durch die Gesetzgebungen von Preußen und Sachsen, endlich auch
in den übrigen Staaten des alten Bundes durchgesetzt worden. Sie ist überall
zu einer Usance des deutschen literarischen Verkehrs geworden und es ist da¬
gegen keinerlei Klage erhoben worden. Dieselbe Schutzfrist ist also gegenwärtig '
auch von den deutschen Staaten außerhalb des Bundes, von Oesterreich und
den Südstaaten reciptrt, und eine Umänderung dieser Schutzfrist durch den
Reichstag würde die Gleichheit der gesetzlichen Bestimmungen für den deutschen
Büchermarkt sofort aufheben und den literarischen Verkehr in die Unsicher¬
heit zurückweisen, unter welcher er nur zu lange gelitten hat. Da seit dem
Jahre 1866 das Band zerissen ist, welches die literarische Gesetzgebung des
deutschen Südens mit der Norddeutschlands zusammenhielt, so ist die Ver¬
bindung des literarischen und Kunstvertriebes ohnedies mit neuen Gefahren
bedroht und es empfiehlt sich nicht, durch eine auffallende Aenderung des be¬
stehenden Rechtes den Separatismus unserer deutschen Nachbarn herauszufordern.
Es ist bekannt, daß Wien, Stuttgart und Karlsruhe lange Zeit Hauptplätze des
Nachdrucks waren; um die einflußreichen Interessen süddeutscher Nachdrucker
zurückzudrängen waren viele Verhandlungen nöthig. Die Folge einer einsei¬
tigen Herabsetzung der Schutzfrist von 30 auf etwa 20 Jahr durch den Nord¬
bund wird folgende sein: Oestreich u-ut die Südstaaten können alsdann die
längere Schutzfrist ihrer Gesetzgebung nicht ohne Nachtheil aufrecht erhalten,
sie werden in einer gewissen Opposition gegen das einseitige Vorgehen des
Nordens die Schutzfrist, welche sie neu festsetzen, nicht der des norddeutschen
Bundes anpassen, sondern auf ein noch niedrigeres Maß herabsetzen. Es
ist jede Sicherheit verloren, daß Oestreich, Bayern, Würtemberg dafür dasselbe
Zeitmaß feststellen; ja man darf für wahrscheinlich halten, daß sie sich unter¬
einander darüber nicht verständigen werden. Und die Folge eines solchen
Rückfalls in die alte Selbstherrlichkeit und Willkür der einzelnen Staaten
wäre nichts Anderes, als ein Privilegiren des gehässigsten Nachdrucks, eines
Nachdruckes, der seine Berechtigung in landschaftlicher Abneigung suchte.
Demnach ist vorauszusehen, daß eine Aenderung der bestehenden Schutzfrist
durch den Nordbund in der gegenwärtigen politischen Lage eine unabsehbare Ver¬
wirrung in dem Bücherverkehr zur Folge haben würde.

Jene Bestimmung des Entwurfs §. 7.d, daß der Urheber nur geschützt ist,


Bedürfniß der Autoren genügen. Zwanzig Jahre nach dem Tode mag auch
die Wittwe des Schriftstellers gestorben, die Kinder soweit herangewachsen
sein, um für sich selbst zu sorgen. Die Gesetzgebung hatte freilich bisher die
Angehörigen besser gesichert.

Aber der hohe Reichstag ist dieser Frist gegenüber gar nicht in der Lage,
ein neues Recht schaffen zu müssen, sondern bestehende Rechtsvorschriften zu
bestätigen. Nach sast funfzigjährigen Leiden und Kämpfen ist die 30 jährige
Schutzfrist durch die Gesetzgebungen von Preußen und Sachsen, endlich auch
in den übrigen Staaten des alten Bundes durchgesetzt worden. Sie ist überall
zu einer Usance des deutschen literarischen Verkehrs geworden und es ist da¬
gegen keinerlei Klage erhoben worden. Dieselbe Schutzfrist ist also gegenwärtig '
auch von den deutschen Staaten außerhalb des Bundes, von Oesterreich und
den Südstaaten reciptrt, und eine Umänderung dieser Schutzfrist durch den
Reichstag würde die Gleichheit der gesetzlichen Bestimmungen für den deutschen
Büchermarkt sofort aufheben und den literarischen Verkehr in die Unsicher¬
heit zurückweisen, unter welcher er nur zu lange gelitten hat. Da seit dem
Jahre 1866 das Band zerissen ist, welches die literarische Gesetzgebung des
deutschen Südens mit der Norddeutschlands zusammenhielt, so ist die Ver¬
bindung des literarischen und Kunstvertriebes ohnedies mit neuen Gefahren
bedroht und es empfiehlt sich nicht, durch eine auffallende Aenderung des be¬
stehenden Rechtes den Separatismus unserer deutschen Nachbarn herauszufordern.
Es ist bekannt, daß Wien, Stuttgart und Karlsruhe lange Zeit Hauptplätze des
Nachdrucks waren; um die einflußreichen Interessen süddeutscher Nachdrucker
zurückzudrängen waren viele Verhandlungen nöthig. Die Folge einer einsei¬
tigen Herabsetzung der Schutzfrist von 30 auf etwa 20 Jahr durch den Nord¬
bund wird folgende sein: Oestreich u-ut die Südstaaten können alsdann die
längere Schutzfrist ihrer Gesetzgebung nicht ohne Nachtheil aufrecht erhalten,
sie werden in einer gewissen Opposition gegen das einseitige Vorgehen des
Nordens die Schutzfrist, welche sie neu festsetzen, nicht der des norddeutschen
Bundes anpassen, sondern auf ein noch niedrigeres Maß herabsetzen. Es
ist jede Sicherheit verloren, daß Oestreich, Bayern, Würtemberg dafür dasselbe
Zeitmaß feststellen; ja man darf für wahrscheinlich halten, daß sie sich unter¬
einander darüber nicht verständigen werden. Und die Folge eines solchen
Rückfalls in die alte Selbstherrlichkeit und Willkür der einzelnen Staaten
wäre nichts Anderes, als ein Privilegiren des gehässigsten Nachdrucks, eines
Nachdruckes, der seine Berechtigung in landschaftlicher Abneigung suchte.
Demnach ist vorauszusehen, daß eine Aenderung der bestehenden Schutzfrist
durch den Nordbund in der gegenwärtigen politischen Lage eine unabsehbare Ver¬
wirrung in dem Bücherverkehr zur Folge haben würde.

Jene Bestimmung des Entwurfs §. 7.d, daß der Urheber nur geschützt ist,


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[0510] Bedürfniß der Autoren genügen. Zwanzig Jahre nach dem Tode mag auch die Wittwe des Schriftstellers gestorben, die Kinder soweit herangewachsen sein, um für sich selbst zu sorgen. Die Gesetzgebung hatte freilich bisher die Angehörigen besser gesichert. Aber der hohe Reichstag ist dieser Frist gegenüber gar nicht in der Lage, ein neues Recht schaffen zu müssen, sondern bestehende Rechtsvorschriften zu bestätigen. Nach sast funfzigjährigen Leiden und Kämpfen ist die 30 jährige Schutzfrist durch die Gesetzgebungen von Preußen und Sachsen, endlich auch in den übrigen Staaten des alten Bundes durchgesetzt worden. Sie ist überall zu einer Usance des deutschen literarischen Verkehrs geworden und es ist da¬ gegen keinerlei Klage erhoben worden. Dieselbe Schutzfrist ist also gegenwärtig ' auch von den deutschen Staaten außerhalb des Bundes, von Oesterreich und den Südstaaten reciptrt, und eine Umänderung dieser Schutzfrist durch den Reichstag würde die Gleichheit der gesetzlichen Bestimmungen für den deutschen Büchermarkt sofort aufheben und den literarischen Verkehr in die Unsicher¬ heit zurückweisen, unter welcher er nur zu lange gelitten hat. Da seit dem Jahre 1866 das Band zerissen ist, welches die literarische Gesetzgebung des deutschen Südens mit der Norddeutschlands zusammenhielt, so ist die Ver¬ bindung des literarischen und Kunstvertriebes ohnedies mit neuen Gefahren bedroht und es empfiehlt sich nicht, durch eine auffallende Aenderung des be¬ stehenden Rechtes den Separatismus unserer deutschen Nachbarn herauszufordern. Es ist bekannt, daß Wien, Stuttgart und Karlsruhe lange Zeit Hauptplätze des Nachdrucks waren; um die einflußreichen Interessen süddeutscher Nachdrucker zurückzudrängen waren viele Verhandlungen nöthig. Die Folge einer einsei¬ tigen Herabsetzung der Schutzfrist von 30 auf etwa 20 Jahr durch den Nord¬ bund wird folgende sein: Oestreich u-ut die Südstaaten können alsdann die längere Schutzfrist ihrer Gesetzgebung nicht ohne Nachtheil aufrecht erhalten, sie werden in einer gewissen Opposition gegen das einseitige Vorgehen des Nordens die Schutzfrist, welche sie neu festsetzen, nicht der des norddeutschen Bundes anpassen, sondern auf ein noch niedrigeres Maß herabsetzen. Es ist jede Sicherheit verloren, daß Oestreich, Bayern, Würtemberg dafür dasselbe Zeitmaß feststellen; ja man darf für wahrscheinlich halten, daß sie sich unter¬ einander darüber nicht verständigen werden. Und die Folge eines solchen Rückfalls in die alte Selbstherrlichkeit und Willkür der einzelnen Staaten wäre nichts Anderes, als ein Privilegiren des gehässigsten Nachdrucks, eines Nachdruckes, der seine Berechtigung in landschaftlicher Abneigung suchte. Demnach ist vorauszusehen, daß eine Aenderung der bestehenden Schutzfrist durch den Nordbund in der gegenwärtigen politischen Lage eine unabsehbare Ver¬ wirrung in dem Bücherverkehr zur Folge haben würde. Jene Bestimmung des Entwurfs §. 7.d, daß der Urheber nur geschützt ist,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/510>, abgerufen am 17.06.2024.