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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Von sehr übler Vorbedeutung für das künftige Kaiserthum wa" es, daß
die Franzosen, die ihm den Boden ebnen sollten, gezwungen waren, sich aus¬
schließlich auf die reactionären Elemente des Landes zu stützen, weil wegen
des Hasses, mit dem die mexikanischen Faiseurs der Unternehmung beladen
waren, und wegen des Wortbruchs der Franzosen die gemäßigten Elemente,
auf die man stark gerechnet hatte, sich theils zurückhielten, theils Juarez an"
schlössen, Lorencez, der gehofft hatte, mit seinem 3500 Mann in Puebla
als Befreier mit offenen Armen empfangen zu werden, wurde von den
Wällen der Stadt mit Kanonenschüssen begrüßt und entging der Vernichtung
nur durch den schleunigsten Rückzug nach Orizaba. Inzwischen war Forcy
mit 30,000 Mann angekommen und übernahm jetzt den Oberbefehl. Wir
übergehen die kriegerische Action bis zu seinem Einzug in Mexico, der im
Juli 1863 erfolgte. Unter Forey's Verwaltung, dem Saligny als politischer
Rathgeber beigesellt war, wurde die Allianz mit den Klerikalen immer
enger, und immer unverhüllter traten die Pläne des Erzbischofs L" Bastida,
der mit Almonte und dem General Salas den von Forey eingesetzten Regent¬
schaftsrath bildete, hervor, die Einziehung der Kirchengüter ohne Weiteres
rückgängig zu machen. Alles ward ungeschickt und verkehrt eingeleitet. Die
Wahl Maximilians durch die Notabeln war ein so so skandalöses Possenspiel,
daß dir Erzherzdg sich weigerte, auf diese Berufung hin die Krone anzu¬
nehmen. Er verlangte eine Volksabstimmung. Wie sollte man aber eine
Volksstimmung in einsm Lande vornehmen, in dem man kaum einen Fuß
breit Landes außer dem Bereich der französischen Garnisonen beherrschte?
Man wußte sich zu helfen. Man eröffn?te einen neuen Feldzug, wie Kira-
try sich ausdrückt, dazu bestimmt, um die Stimmen der Ortschaften im
Innern des Landes zu sammeln. Vor Eröffnung des Feldzuges entfernte aber
Forey's inzwischen eingetroffener Nachfolger Bazaine La BaiMa, das Haupt
der Klerikalen, aus dem Regentschaftsrath. Diese Maßregel machte einen
ungünstigen Eindruck. Bazaine's Plebiscitcampagne hatte den besten Erfolg;
überall wurden die Juaristen geschlagen und überall, wo die französischen
Truppen hinkamen, stimmten die Einwohner sür den Erzherzog , von dessen
Existenz viele von ihnen keine Ahnung hatten. Kurz, Bazaine hatte in wenigen
Monaten ein Plebiscit zu Stande gefochten, und als am 28. Mai 1864 das
Kaiserpaar in Veracruz den Boden seines neuen Reiches betrat, konnte Maxi¬
milian sich einreden, daß die Stimme des mexikanischen Volkes ihn auf den
Thron Montezuma's berufen habe.


G. Z.


Von sehr übler Vorbedeutung für das künftige Kaiserthum wa" es, daß
die Franzosen, die ihm den Boden ebnen sollten, gezwungen waren, sich aus¬
schließlich auf die reactionären Elemente des Landes zu stützen, weil wegen
des Hasses, mit dem die mexikanischen Faiseurs der Unternehmung beladen
waren, und wegen des Wortbruchs der Franzosen die gemäßigten Elemente,
auf die man stark gerechnet hatte, sich theils zurückhielten, theils Juarez an«
schlössen, Lorencez, der gehofft hatte, mit seinem 3500 Mann in Puebla
als Befreier mit offenen Armen empfangen zu werden, wurde von den
Wällen der Stadt mit Kanonenschüssen begrüßt und entging der Vernichtung
nur durch den schleunigsten Rückzug nach Orizaba. Inzwischen war Forcy
mit 30,000 Mann angekommen und übernahm jetzt den Oberbefehl. Wir
übergehen die kriegerische Action bis zu seinem Einzug in Mexico, der im
Juli 1863 erfolgte. Unter Forey's Verwaltung, dem Saligny als politischer
Rathgeber beigesellt war, wurde die Allianz mit den Klerikalen immer
enger, und immer unverhüllter traten die Pläne des Erzbischofs L« Bastida,
der mit Almonte und dem General Salas den von Forey eingesetzten Regent¬
schaftsrath bildete, hervor, die Einziehung der Kirchengüter ohne Weiteres
rückgängig zu machen. Alles ward ungeschickt und verkehrt eingeleitet. Die
Wahl Maximilians durch die Notabeln war ein so so skandalöses Possenspiel,
daß dir Erzherzdg sich weigerte, auf diese Berufung hin die Krone anzu¬
nehmen. Er verlangte eine Volksabstimmung. Wie sollte man aber eine
Volksstimmung in einsm Lande vornehmen, in dem man kaum einen Fuß
breit Landes außer dem Bereich der französischen Garnisonen beherrschte?
Man wußte sich zu helfen. Man eröffn?te einen neuen Feldzug, wie Kira-
try sich ausdrückt, dazu bestimmt, um die Stimmen der Ortschaften im
Innern des Landes zu sammeln. Vor Eröffnung des Feldzuges entfernte aber
Forey's inzwischen eingetroffener Nachfolger Bazaine La BaiMa, das Haupt
der Klerikalen, aus dem Regentschaftsrath. Diese Maßregel machte einen
ungünstigen Eindruck. Bazaine's Plebiscitcampagne hatte den besten Erfolg;
überall wurden die Juaristen geschlagen und überall, wo die französischen
Truppen hinkamen, stimmten die Einwohner sür den Erzherzog , von dessen
Existenz viele von ihnen keine Ahnung hatten. Kurz, Bazaine hatte in wenigen
Monaten ein Plebiscit zu Stande gefochten, und als am 28. Mai 1864 das
Kaiserpaar in Veracruz den Boden seines neuen Reiches betrat, konnte Maxi¬
milian sich einreden, daß die Stimme des mexikanischen Volkes ihn auf den
Thron Montezuma's berufen habe.


G. Z.


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[0494] Von sehr übler Vorbedeutung für das künftige Kaiserthum wa" es, daß die Franzosen, die ihm den Boden ebnen sollten, gezwungen waren, sich aus¬ schließlich auf die reactionären Elemente des Landes zu stützen, weil wegen des Hasses, mit dem die mexikanischen Faiseurs der Unternehmung beladen waren, und wegen des Wortbruchs der Franzosen die gemäßigten Elemente, auf die man stark gerechnet hatte, sich theils zurückhielten, theils Juarez an« schlössen, Lorencez, der gehofft hatte, mit seinem 3500 Mann in Puebla als Befreier mit offenen Armen empfangen zu werden, wurde von den Wällen der Stadt mit Kanonenschüssen begrüßt und entging der Vernichtung nur durch den schleunigsten Rückzug nach Orizaba. Inzwischen war Forcy mit 30,000 Mann angekommen und übernahm jetzt den Oberbefehl. Wir übergehen die kriegerische Action bis zu seinem Einzug in Mexico, der im Juli 1863 erfolgte. Unter Forey's Verwaltung, dem Saligny als politischer Rathgeber beigesellt war, wurde die Allianz mit den Klerikalen immer enger, und immer unverhüllter traten die Pläne des Erzbischofs L« Bastida, der mit Almonte und dem General Salas den von Forey eingesetzten Regent¬ schaftsrath bildete, hervor, die Einziehung der Kirchengüter ohne Weiteres rückgängig zu machen. Alles ward ungeschickt und verkehrt eingeleitet. Die Wahl Maximilians durch die Notabeln war ein so so skandalöses Possenspiel, daß dir Erzherzdg sich weigerte, auf diese Berufung hin die Krone anzu¬ nehmen. Er verlangte eine Volksabstimmung. Wie sollte man aber eine Volksstimmung in einsm Lande vornehmen, in dem man kaum einen Fuß breit Landes außer dem Bereich der französischen Garnisonen beherrschte? Man wußte sich zu helfen. Man eröffn?te einen neuen Feldzug, wie Kira- try sich ausdrückt, dazu bestimmt, um die Stimmen der Ortschaften im Innern des Landes zu sammeln. Vor Eröffnung des Feldzuges entfernte aber Forey's inzwischen eingetroffener Nachfolger Bazaine La BaiMa, das Haupt der Klerikalen, aus dem Regentschaftsrath. Diese Maßregel machte einen ungünstigen Eindruck. Bazaine's Plebiscitcampagne hatte den besten Erfolg; überall wurden die Juaristen geschlagen und überall, wo die französischen Truppen hinkamen, stimmten die Einwohner sür den Erzherzog , von dessen Existenz viele von ihnen keine Ahnung hatten. Kurz, Bazaine hatte in wenigen Monaten ein Plebiscit zu Stande gefochten, und als am 28. Mai 1864 das Kaiserpaar in Veracruz den Boden seines neuen Reiches betrat, konnte Maxi¬ milian sich einreden, daß die Stimme des mexikanischen Volkes ihn auf den Thron Montezuma's berufen habe. G. Z.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/494>, abgerufen am 27.05.2024.