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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Allgemeinen von Grund aus unwissend, wenig geübt, commandirt von un¬
fähigen Führern."

So das Urtheil eines Franzosen"). Andere seiner Landsleute greifen die
Führer, namentlich die höheren, noch stärker an und am meisten sind die
Pfeile gegen Marschall Bazaine gerichtet, dessen Antecedentien. namentlich
von Mexico her, allerdings manche Schwäche boten. Sein damaliges Be¬
nehmen, zumal gegen seinen Kriegsherrn, wie auch den unglücklichen Kaiser
Maximilian, ist bereits in mehreren Schriften schonungslos dargelegt
worden**). Die Befähigung vieler höherer Officiere wurde im Publicum wie
im Heere stark in Zweifel gezogen und man sagte ungescheut, daß sie ihre
Stellung mehr der Gunst von Oben, als ihrem Verdienst zu danken hätten.

Das Band der Kameradschaft, das einem gesunden Heerkörper einen so
gewaltigen Halt gibt, war bereits sehr gelockert. Zwischen den Offizieren und
den Soldaten bestand eine tiefe Kluft, nicht minder unter den ersteren selbst,
da die aus der Kriegsschule hervorgegangenen sich streng von den aus den Unteroffi-
cieren hervorgegangenen sonderten. Auch in den Graden war eine Abstufung
auffällig, die sich selbst auf den geselligen Verkehr erstreckte. Bei dieser gegen¬
seitigen Stellung konnte der Untergebene dem Vorgesetzten gegenüber nicht
immer die Achtung und Ergebenheit bekunden, die man unverkennbar beim
deutschen Soldaten findet. Während dieser seinem Officier volles Vertrauen
schenkt, weil im Gefecht nicht nur der Erfolg und der gute Name der
Truppe, sondern auch seine eigene Erhaltung wesentlich davon abhängt, wenn
er ihn daher sich zu erhalten sucht, für ihn in der Gefahr sich aufopferungs¬
fähig hingibt, findet man diesen schönen und den Krieger ehrenden Zug beim
Franzosen seltener. Der ist froh, wenn er seinen vermeintlichen Quälgeist
durch eine feindliche Kugel je eher je lieber los wird. Ein Anderer, nament¬
lich der Unteroffizier und Stellvertreter, freut sich, wenn soviel wie möglich
seiner Offiziere weggeputzt werden, denn desto freier wird dadurch sein Weg zum
Avancement. Dieses ist sein einziges Ziel und Trachten, denn jeder fran¬
zösische Soldat trägt ja den Marschallsstab im Tornister. -- Dieser ver¬
langt geradezu, daß im Gefecht die Offiziere ihm vorangehen, also aus den
ihnen sonst in der Truppe angewiesenen Plätzen heraustreten, und thun
sie es nicht, wie er will, so ruft er ihnen ungescheut und laut zu: "?.n>
avant les Epaulettes! --

So ungefähr waren die Grundelemente des Heeres des zweiten Kaiser¬
reichs, in Bezug auf Formation und Geist, als es in den entscheidenden




") Dem in Lyon erscheinenden "Salut Public" entnommen, erschien dieser Aufsatz zu¬
nächst im "Journal de Geneve."
*"
) Authentische Enthüllungen über die letzten Ereignisse in Mexico. Von Will), von
Montlong. Stuttgart 1868. -- Geschichte des östreichischen Freicorps in Mexico. Von
Julius Uliczny. Wien 1868.

Allgemeinen von Grund aus unwissend, wenig geübt, commandirt von un¬
fähigen Führern."

So das Urtheil eines Franzosen"). Andere seiner Landsleute greifen die
Führer, namentlich die höheren, noch stärker an und am meisten sind die
Pfeile gegen Marschall Bazaine gerichtet, dessen Antecedentien. namentlich
von Mexico her, allerdings manche Schwäche boten. Sein damaliges Be¬
nehmen, zumal gegen seinen Kriegsherrn, wie auch den unglücklichen Kaiser
Maximilian, ist bereits in mehreren Schriften schonungslos dargelegt
worden**). Die Befähigung vieler höherer Officiere wurde im Publicum wie
im Heere stark in Zweifel gezogen und man sagte ungescheut, daß sie ihre
Stellung mehr der Gunst von Oben, als ihrem Verdienst zu danken hätten.

Das Band der Kameradschaft, das einem gesunden Heerkörper einen so
gewaltigen Halt gibt, war bereits sehr gelockert. Zwischen den Offizieren und
den Soldaten bestand eine tiefe Kluft, nicht minder unter den ersteren selbst,
da die aus der Kriegsschule hervorgegangenen sich streng von den aus den Unteroffi-
cieren hervorgegangenen sonderten. Auch in den Graden war eine Abstufung
auffällig, die sich selbst auf den geselligen Verkehr erstreckte. Bei dieser gegen¬
seitigen Stellung konnte der Untergebene dem Vorgesetzten gegenüber nicht
immer die Achtung und Ergebenheit bekunden, die man unverkennbar beim
deutschen Soldaten findet. Während dieser seinem Officier volles Vertrauen
schenkt, weil im Gefecht nicht nur der Erfolg und der gute Name der
Truppe, sondern auch seine eigene Erhaltung wesentlich davon abhängt, wenn
er ihn daher sich zu erhalten sucht, für ihn in der Gefahr sich aufopferungs¬
fähig hingibt, findet man diesen schönen und den Krieger ehrenden Zug beim
Franzosen seltener. Der ist froh, wenn er seinen vermeintlichen Quälgeist
durch eine feindliche Kugel je eher je lieber los wird. Ein Anderer, nament¬
lich der Unteroffizier und Stellvertreter, freut sich, wenn soviel wie möglich
seiner Offiziere weggeputzt werden, denn desto freier wird dadurch sein Weg zum
Avancement. Dieses ist sein einziges Ziel und Trachten, denn jeder fran¬
zösische Soldat trägt ja den Marschallsstab im Tornister. — Dieser ver¬
langt geradezu, daß im Gefecht die Offiziere ihm vorangehen, also aus den
ihnen sonst in der Truppe angewiesenen Plätzen heraustreten, und thun
sie es nicht, wie er will, so ruft er ihnen ungescheut und laut zu: „?.n>
avant les Epaulettes! —

So ungefähr waren die Grundelemente des Heeres des zweiten Kaiser¬
reichs, in Bezug auf Formation und Geist, als es in den entscheidenden




") Dem in Lyon erscheinenden „Salut Public" entnommen, erschien dieser Aufsatz zu¬
nächst im „Journal de Geneve."
*"
) Authentische Enthüllungen über die letzten Ereignisse in Mexico. Von Will), von
Montlong. Stuttgart 1868. — Geschichte des östreichischen Freicorps in Mexico. Von
Julius Uliczny. Wien 1868.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/151>, abgerufen am 17.06.2024.