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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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löschten in der Hand der Gewalthaber lagen, genügte das Erscheinen eines
geheimnißvollen Mannes im schwarzen Frack und weißer Binde, um auch die
widerspänstigsten Redactionen gefügig zu machen und in jener Linie zu halten,
welche dem jeweiligen Minister am angemessensten schien. Nicht, als ob jene
Linie stets klar und offen zu erkennen gewesen wäre. Es läßt sich kaum et¬
was Humorreicheres denken, als beispielsweise die Beklemmungen eines pariser
Officiösen, wenn der schwarze Mann Rouhers andere Jnstructionen aus dem
Staatsministerium brachte, als derjenige des Ministeriums des Innern; wenn
die Parole, welche das auswärtige Amt ertheilte, von dem wol ü'orÄrs der
beiden Vorgenannten abwich und gleichzeitig von Herrn Conti eine vierte
Version aus dem Cabinet des Kaisers einlief, welche den anderen gemein¬
schaftlich widersprach und die diversen ministeriellen Einflüsterungen einfach
über den Haufen warf.

Genügte der Mann im schwarzen Gesellschaftsanzuge, um in Paris ge¬
wisse Phänomen" hervorzubringen, so war doch die Preßleitung, soweit sie
sich auf die Provinz erstreckte, eine viel complicirtere Sache. Freilich hatte
man die Agentur Havas-Bullier zur Verfügung, welche stets das lobenswerthe
Bestreben gehabt, niemals Jnsertionsgebühren von denen zurückzuweisen,
welche ihre publicistischen Spalten eben brauchen konnten -- aber Havas-
Bullier, namentlich mit ihrer Pariser Correspondenz, standen doch zu sehr im
Gerüche der höheren Regierungsfreundlichkeit, als daß sie nicht zur Beein¬
flussung besonders jener Provinzorgange unzureichend gewesen, welche sich un¬
abhängig dünkten, weil sie von radikalen Pariser Comites ihren Bedarf an
Leitartikeln bezogen.

Da gerade stellte sich zur rechten Zeit Herr Fi orion Pharao n ein
ein speculativer Araber, der, obwohl er kaum französisch zu schreiben im
Stande war, es dennoch zur Stelle eines Historiographen für die letzte Kaiser¬
reise in die Nordprovinzen gebracht hatte, und der für soviel Aufopferung
mit dem längst heiß ersehnten Bändchen der Ehrenlegion belohnt worden war.
Herr Florian also trat vor das Ministerium des Innern und hielt ihm etwa
folgende Rede: "Sie wissen, ich bin unabhängig; wenigstens hält man mich
meist noch dafür. Ich bin Stammgast im Cafe Madrid und daher in stetem
Verkehr mit den tetes ekaucles der Opposition. Letztere brauchen nicht selten
Geld und es gelang mir, sie an mich zu fesseln, indem ich sie in meine lite¬
rarischen Dienste nahm. Wir gründeten eine polygraphirte Correspondenz
für die Provinz. Ich gab das Geld -- die Anderen ihr Talent und ihre
Parteiverbindungen. Ich bin Eigenthümer -- jene meine Arbeiter. So ver¬
füge ich über 70 und einige Journale, d. h. ich mache die öffentliche Meinung
in der Provinz. Sie wissen, was das sagen will! Unterstützen Sie mich
mit Nachrichten und sonstigen Werthpapieren -- so haben Sie es stets in der


löschten in der Hand der Gewalthaber lagen, genügte das Erscheinen eines
geheimnißvollen Mannes im schwarzen Frack und weißer Binde, um auch die
widerspänstigsten Redactionen gefügig zu machen und in jener Linie zu halten,
welche dem jeweiligen Minister am angemessensten schien. Nicht, als ob jene
Linie stets klar und offen zu erkennen gewesen wäre. Es läßt sich kaum et¬
was Humorreicheres denken, als beispielsweise die Beklemmungen eines pariser
Officiösen, wenn der schwarze Mann Rouhers andere Jnstructionen aus dem
Staatsministerium brachte, als derjenige des Ministeriums des Innern; wenn
die Parole, welche das auswärtige Amt ertheilte, von dem wol ü'orÄrs der
beiden Vorgenannten abwich und gleichzeitig von Herrn Conti eine vierte
Version aus dem Cabinet des Kaisers einlief, welche den anderen gemein¬
schaftlich widersprach und die diversen ministeriellen Einflüsterungen einfach
über den Haufen warf.

Genügte der Mann im schwarzen Gesellschaftsanzuge, um in Paris ge¬
wisse Phänomen« hervorzubringen, so war doch die Preßleitung, soweit sie
sich auf die Provinz erstreckte, eine viel complicirtere Sache. Freilich hatte
man die Agentur Havas-Bullier zur Verfügung, welche stets das lobenswerthe
Bestreben gehabt, niemals Jnsertionsgebühren von denen zurückzuweisen,
welche ihre publicistischen Spalten eben brauchen konnten — aber Havas-
Bullier, namentlich mit ihrer Pariser Correspondenz, standen doch zu sehr im
Gerüche der höheren Regierungsfreundlichkeit, als daß sie nicht zur Beein¬
flussung besonders jener Provinzorgange unzureichend gewesen, welche sich un¬
abhängig dünkten, weil sie von radikalen Pariser Comites ihren Bedarf an
Leitartikeln bezogen.

Da gerade stellte sich zur rechten Zeit Herr Fi orion Pharao n ein
ein speculativer Araber, der, obwohl er kaum französisch zu schreiben im
Stande war, es dennoch zur Stelle eines Historiographen für die letzte Kaiser¬
reise in die Nordprovinzen gebracht hatte, und der für soviel Aufopferung
mit dem längst heiß ersehnten Bändchen der Ehrenlegion belohnt worden war.
Herr Florian also trat vor das Ministerium des Innern und hielt ihm etwa
folgende Rede: „Sie wissen, ich bin unabhängig; wenigstens hält man mich
meist noch dafür. Ich bin Stammgast im Cafe Madrid und daher in stetem
Verkehr mit den tetes ekaucles der Opposition. Letztere brauchen nicht selten
Geld und es gelang mir, sie an mich zu fesseln, indem ich sie in meine lite¬
rarischen Dienste nahm. Wir gründeten eine polygraphirte Correspondenz
für die Provinz. Ich gab das Geld — die Anderen ihr Talent und ihre
Parteiverbindungen. Ich bin Eigenthümer — jene meine Arbeiter. So ver¬
füge ich über 70 und einige Journale, d. h. ich mache die öffentliche Meinung
in der Provinz. Sie wissen, was das sagen will! Unterstützen Sie mich
mit Nachrichten und sonstigen Werthpapieren — so haben Sie es stets in der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/16>, abgerufen am 24.05.2024.